Was sind die Besonderheiten der digitalen Medien und digitalen Technologien? Es sind die „Big Four“ (Herbst 2004)

Digitale Medien sind nicht mit klassischen Medien wie etwa einer Broschüre oder einer Imageanzeige vergleichbar. Stattdessen bieten sie eine Plattform, auf der Sie Geschichten erzählen und hierfür vier Besonderheiten nutzen können. Diese vier Besonderheiten sind Integration, Vernetzung, Zugänglichkeit und vor allem Interaktivität. Im Folgenden möchte ich Ihnen diese Eigenschaften am Beispiel des World Wide Web beschreiben.

Auszug aus meinem Buch Storytelling, das im UVK Verlag erschienen ist

Integration

  • Integration: Das Internet ist eine Plattform, auf der Sie Geschichten über Ihr Unternehmen, aber auch dessen Produkte erzählen können. Integration bzw. Einbindung bedeutet, dass Sie neben dem WWW auch Dienste wie E-Mail, Newsgroups und Chat nutzen können. Zur Einbindung gehört auch die Multimedialität, also die Kombination von Texten, Fotos, Grafiken, Videos, Animationen und Tönen. DasBesondere im Internet: Die Besucher bestimmen, welche Angebote sie wählen und in welcher Reihenfolge (dies greife ich auch im Punkt »Technische Interaktivität« noch einmal auf): Möchten sie einen Text lesen? Oder ein Kurzvideo ansehen? – Der Besucher entscheidet.Durch diese Multimedialität können Sie Ihre Geschichten erlebnisreich inszenieren. Die Ansprache mehrerer Sinne hinterlässt tiefere Spuren im Gedächtnis Ihrer Bezugsgruppen als eine Anzeige oder eine Broschüre. Durch Multimedialität können Sie in einem Text vom neuen Herstellverfahren erzählen und diesen durch Fotos, Grafiken und einem Ablaufschema veranschaulichen. Die Rede Ihres Vorstandsvorsitzenden bieten Sie als Text, den Fotos, Schaubilder und eine Audio-Datei ergänzen. Ähnlich der realen Welt können Sie Ihr Unternehmen präsentieren, zum Beispiel durch klickbare Fotos und erläuternde Texte per Audio-File, die Ihren Besucher durch die Website führen. Die Geschichten sollten eine optimale Mischung aus Text, Bild und Ton ergeben. Virale Spots sind kleine Videosequenzen, die eine Geschichte erzählen und von den Internetnutzern in deren sozialen Netzwerken weitergegeben werden. Sie verbreiten sich epidemisch wie ein Virus. Sind sie gut gemacht, kann dies eine enorme Multiplikatorfunktion haben. Solche Videofilme finden Sie zum Beispiel auf BoreMe, YouTube oder MySpace. Das Internet ermöglicht zwar (noch) kein Riechen und Schmecken. Doch können Sinneseindrücke aus einer Quelle einen anderen Sinn aktivieren, wie im Fall des Bildes einer Rose, das zugleich auch die gespeicherten Geruchserlebnisse und den Tastsinn aktiviert (Imagery Transfer). Die Intensität dieser Sinneserfahrung erreicht zwar nur etwa 20 Prozent des Originals, doch die Botschaft lautet: In digitalen Medien können Sie Geschichten multisensorisch inszenieren und damit alle Sinne ansprechen.

Verfügbarkeit

  • Verfügbarkeit: Durch das Internet können Sie Menschen weltweit mit Ihren Geschichten erreichen – jederzeit und überall. Allerdings sind die Kulturunterschiede weiterhin weltweit derart groß, dass Sie genau prüfen sollten, wie Sie Ihr Storytelling im Internet in Form und Inhalt international ausrichten (Herbst 2008). Ständiger Zugriff auf Ihre Website bedeutet zudem auch, dass Sie die Inhalte aktualisieren und schnell auf Anfragen reagieren können – und müssen.

Vernetzung

  • Vernetzung: Im Internet können Sie Informationen miteinander verknüpfen, egal wo diese sich befinden (Hypermedialität). Der Nutzer springt durch Hyperlinks zu jenen Inhalten, die ihn interessieren: Er beginnt einen Text zu lesen, zwischendurch schaut er sich ein Foto an, hört gleichzeitig einer Audio-Datei zu und kehrt zum Text zurück. So beschreitet jeder Besucher seinen persönlichen Informationspfad – Springen und Navigieren ist Prinzip im Internet (mehr hierzu unter dem Punkt »Technische Interaktivität«).Nutzen Sie die Hypermedialität für Ihre Geschichten: Bauen Sie einen Hauptstrang, an dem entlang sich Ihre Internetbesucher die Geschichte erarbeiten können: Bieten Sie einen Link an zur Geschichte jenes Mitarbeiters, der die Idee zum neuen Produkt hatte. Ein anderer Link führt zum Geschäftsführer, der die strategische Ausrichtung des Unternehmens in der Technik des Storytelling erzählt. Lassen Sie durch Zitate Ihre Protagonisten zu Wort kommen, zum Beispiel einen Experten, der die Leistungen Ihres Unternehmens würdigt; Sie können sogar einen Link zur Konkurrenz legen und anhand der damit verknüpften Aussagen zeigen, worin sich Ihr Unternehmen unterscheidet.Eine Herausforderung für Ihr Storytelling durch das Vernetzen besteht darin, dass Ihr Besucher ohne lineare Struktur die Orientierung verliert: Beim Buch weiß er, wo es beginnt, dass ein Kapitel dem anderen folgt und wann das Buch zu Ende ist. Im Internet weiß er dies nicht. Da aber der Besucher handeln muss, ist Orientierung das A und O im Internet: Er hat ein klares Bild davon, welche Informationen Ihre Website bietet und wo er sie finden kann, wo er schon war und was er noch nicht gesehen hat. Entwickeln Sie eine Struktur für Ihre Geschichte, die Ihrem Besucher schnell einleuchtet. Leiten Sie ihn, aber lassen Sie ihm dennoch die Freiheit, selbst zu entscheiden, wohin er geht. Viele Beispiele für die gelungene Dramaturgie im Internet finden Sie im Buch Internet-Journalismus von Klaus Meier (2002).

Interaktivität

  • Interaktivität: Das größte Potenzial des Internet liegt in seiner Interaktivität. Sie erlaubt es Ihren Bezugsgruppen, die Kommunikation mit Ihnen nach individuellen Wünschen zu gestalten. Hierbei gibt es drei Formen: die technische, die persönliche und die inhaltliche Interaktivität:
    • Technische Interaktivität bedeutet, dass der Besucher Art, Inhalt, Zeitpunkt, Dauer, Folge und Häufigkeit seines Informationsabrufs weitgehend selbst bestimmt. Bieten Sie Ihrem Besucher Geschichten darüber an, wie Ihr Unternehmen Probleme löst, wofür es kämpft und wogegen. Den Verlauf der Geschichte bestimmt der Besucher selbst. Im »multimedia digital storytelling« passt sich die Geschichte den Interessen des Nutzers an. Ihre Besucher könnten in die Handlung Ihrer Geschichten eingreifen und diese nach ihren Wünschen gestalten – nichts anderes geschieht in Videospielen. Das Internet ist ein aktives Medium: Der Besucher will nicht warten, bis etwas passiert, sondern er will etwas passieren lassen. Konsequenz für Ihr Storytelling im Internet: Sie sollten den Nutzer ständig einbeziehen und Webseiten zum Handeln und nicht nur zum Lesen bieten, denn der Nutzer lehnt sich vor und nicht zurück wie beim Fernsehen. Storytelling im Internet bedeutet den Wandel vom passiven zum aktiven Erlebnis.
    • Persönliche Interaktivität bedeutet Austausch zwischen Menschen. In Ihrem Storytelling können Sie eine persönliche Beziehung zu Ihren wichtigen Bezugsgruppen aufbauen. Persönliche Interaktivität ist für das Vertrauen essenziell und macht den meisten Spaß, sie lädt Ihr Unternehmen emotional auf. Der Austausch ist möglich über E-Mail, Diskussionsforen und Weblogs. Stimulieren Sie den Dialog, indem Sie auf Ihrer Website eindeutig darauf hinweisen, dass Sie sich Anfragen und Austausch ausdrücklich wünschen. Nennen Sie die Ansprechpartner mit Namen und stellen Sie diese mit den Mitteln des Netzes angemessen dar, zum Beispiel durch Fotos und Kurzvideos.
    • Inhaltliche Interaktivität heißt, Sie können den Beginn einer Geschichte vorgeben und die User können sie z. B. ergänzen oder sogar weitererzählen. Beispiel »Virtueller Rundgang durch Unternehmen« als Geschichte: Der Besucher der Website könnte eine Rolle wählen, zum Beispiel Journalist, Kunde, Bewerber, Investor; dann bestimmt er die Bühne, zum Beispiel Forschung und Entwicklung, Produktion oder Verwaltung. Er könnte auch den Handelnden wählen, wie im Fall des Forschers, des Entwicklers, des Produktionsmitarbeiters, des Produktmanagers. Dann könnte er seine Geschichte entwickeln. Der User wird aktiv, indem er das Spiel bestimmt oder selbst mitmacht. Die Gestaltung bewegt sich also zwischen den beiden Polen des erzählenden Unternehmens einerseits und des erzählenden Users andererseits.

Lesen Sie auch meinen Beitrag über die Konsequenzen der Besonderheiten für die Mediaplanung