Digital Leadership gefragt: Digitale Transformation ist die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen durch Technologien, um die Kundenerlebnisse an jedem Berührungspunkt (Touchpoint) mit dem Unternehmen zu verbessern. Dies geht einher mit umfassenden organisationalen Wandel: Innerhalb der Unternehmen etablieren sich neue Strukturen und Prozesse, neue Rollen und Verantwortlichkeiten, neue Formen der Zusammenarbeit, neue Führungs- und Motivationssysteme. Neue Qualifikationen sind erforderlich – lebenslanges Lernen wird die Regel sein. In den kommenden drei Teilen unserer Serie zur Digitalen Transformation werde ich daher die Konsequenzen der Digitalisierung für die Interne Transformation aufzeigen. In dieser Ausgabe beginnen wir mit dem Digital Leadership.

Digital Leadership bedeutet das systematische, erfolgreiche und langfristige Führen von Unternehmen in eine Zukunft, in der radikales Denken und flexibles Handeln gefragt sind, um Technologie optimal für den dauerhaften Geschäftserfolg durch neue Kundenerlebnisse zu nutzen. Dies erfordert neue Fachkompetenzen, neue Methoden- und Sozialkompetenzen. Drei wichtige Fragen lauten:

  1. Wie werden sich Wirtschaft und Unternehmen durch die fortschreitende Digitalisierung in den kommenden Jahren und darüber hinaus entwickeln? Die Autoindustrie blickt schon immer 20 bis 30 Jahre in die Zukunft.
  2. Welche Konsequenzen hat dies für Branchen und Unternehmen? Und wie können Unternehmen diese Entwicklungen als Wettbewerbsvorteil nutzen?
  3. Was bedeutet Digital Leadership? Wie lassen sich Geschäftsleitung, Abteilungen (weltweit), Teams, Manager und Mitarbeitende motivieren, die enormen Chancen für das Unternehmen und für sich zu nutzen und hierbei auftretende Hindernisse, Mühen und Probleme zu meistern? Wie verändert sich Management selbst? Wie können Manager die Digitalisierung optimal nutzen?
Anstelle persönlicher Kontakte treten Avatare, Bots und andere Technologien

Avatare statt menschlicher Beziehungen (Foto: Herbst)

Digitale Kompetenz im Leadership

Welche wichtigen Anforderungen kommen auf die Leader durch die Digitalisierung zu?

  • Konsequentes Ausrichten am Kunden als Haltung: Kunden sind noch anspruchsvoller geworden. Sie können leicht Produkte und Leistungen sowie deren Preise und Verfügbarkeiten im Internet vergleichen – sogar im Laden. Sie erwarten zunehmend individuell auf sie zugeschnittene Produkte und Leistungen.
  • Radikales Denken: Disruptive Geschäftsmodelle, also solche, die eine gesamte Branche verändern wie Uber und AirBnB stellen Bestehendes grundsätzlich in Frage. Erfolgreiche Digital Leader denken demnach drei oder noch besser fünf Schritte voraus. Sie zerstören bestehende Geschäftsmodelle und ersetzen sie durch völlig neue wie Plattformbetreiber Amazon.
  • Disruptive Prozesse anführen können: Wichtig neben Methodenwissen wie Design Thinking und Rapid Prototyping ist das Wissen, wie junge Mitarbeiter ticken, was sie motiviert und wie sie im Unternehmen gehalten werden können; starre Arbeitsmodelle, Anwesenheitspflicht in Büro und Hierarchiedenken werden diese wertvollen Mitarbeiter dagegen wahrscheinlich schnell wieder aus dem Unternehmen treiben.
  • Wissen über die digitalen Trends, die über den Erfolg eines Unternehmens (mit-)entscheiden: Hierzu gehört Basis-Wissen, wie über digitale Technologien wie das Internet der Dinge, zweiseitige Plattform-Märkte und Maschine Learning.
  • Digitales Wissen in eigene Produkte umwandeln: Wer seine Mitarbeiter nicht in einer anregenden, kreativen Innovationskultur motivieren kann, neuartige Produkte zu entwickeln, kommt nicht weit.
  • Große Dynamik: Die Veränderungen der Unternehmen vollziehen sich aufgrund der exponentiellen Entwicklungen von Technologien immer schneller. Management wird in dieser Dynamik zunehmend schneller und flexibler werden müssen. Dies zeigt sich allein schon an den Reaktionszeiten in den Sozialen Medien.
  • Vernetztes Denken: Digitale Medien und Technologien sind stark vernetzt: Geräte, Plattformen, Technologien, Anwendungen, Medienobjekte sind elektronisch miteinander verbunden, Inhalte beziehen sich aufeinander. Jedes einzelne System (Geräte, Technologien, Anwendungen etc.) und jedes Element in diesen Systemen können vernetzt sein und miteinander kommunizieren.
  • Neue Begriffe und Konzepte: Big Data, Artificial Intelligence, Cloud Computing, Augmented Reality, Virtual Reality, iBeacons, Hologramme, 3D-Printing – solche Begriffe und Konzepte müssen Manager kennen, erklären und Menschen überzeugen, welchen Wert sie dem Unternehmen bringen können.
  • Neue Arbeitsformen: Digitalisierung bringt erhebliche Unsicherheit und Angst für die Mitarbeitenden mit sich. Ein Grund ist der drastische Arbeitsplatzabbau durch Automatisierung. Experten schätzen, dass in den kommenden 15 Jahren etwa die Hälfte der Arbeitsplätze wegfallen, wie zum Beispiel bei Banken; völlig neue Berufe entstehen wie der Experte Digital Customer Experiences. Digital Leadership muss Angst verhindern, Menschen stattdessen motivieren und Akzeptanz für neue Arbeitsformen aufbauen.
  • Neue Führungskonzepte: Zum Beispiel verschwindet das klassische „Command & Control“-Modell; stattdessen wird stärkere Partizipation der Mitarbeitenden wichtig. Kontrolle ist begrenzt auf Prüfen der Zielerreichung und Analyse von Abweichungen. Solche Kompetenzen sollten sich die Manager aneignen, ständig prüfen, weiterentwickeln und an die hoch dynamischen Entwicklungen anpassen. Die Unternehmenskultur scheint wichtigster Förderer oder Verhinderer der internen Entwicklung zu sein.
  • Neue Kommunikationskompetenz: Ganz offensichtlich ist das Verlagern der Kommunikation in den digitalen Raum – intern und extern. Führungskräfte brauchen Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit digitaler Kommunikation („Digital Literacy“).

Um die digitale Transformation zu meistern, sind damit Digital- und Managementkompetenz gefragt.

Gewiss: Diese Veränderungen nicht von Heute auf Morgen erfolgen und nicht alle Unternehmensbereiche betreffen: In einigen Bereichen wie der Fertigung wird das langsame, genaue und sorgfältige Vorgehen wichtig sein, in anderen Innovation, Geschwindigkeit und Agilität.

Prozess der Digitalisierung

Digitale Transformation sollte in drei Schritten ablaufen:

  1. Entwicklung von digitaler Kompetenz: Im ersten Schritt sollten die Unternehmen digitale Kompetenz aufbauen: Was sind die Besonderheiten der Digitalisierung? Was die Herausforderungen? Welche Chancen bietet sie, und welche Grenzen sind erkennbar?
  2. Plan für die gezielte und kontinuierliche Nutzung der Potenziale: Im zweiten Schritt beantwortet das Unternehmen die Frage, wie es die Potenziale nutzen will und die Gefahren bannen beziehungsweise wie es sich auf diese vorbereitet.
  3. Kontinuierlicher Wandel: Im dritten Schritt erfolgt die kontinuierliche digitale Transformation.

Konzept für die Digitalisierung

Die Digitalisierung im Unternehmen sollte systemisch gezielt und langfristig erfolgen. Das Vorgehen ist im Digitalisierungskonzept festgeschrieben. Das Vorgehen besteht aus den Schritten:

  1. Analyse: Klares Bild von der Ausgangssituation, den derzeitigen Stärken und Schwächen, künftigen Chancen und Risiken sowie dem Handlungsbedarf des Unternehmens;
  2. Planung: Definieren von Zielen, Strategien, Mitteln und Maßnahmen. Ableiten von Zeitplan und Budget;
  3. Umsetzung: Ausarbeitung der Mittel und Maßnahmen;
  4. Steuerung und Kontrolle: Festlegung des Zeitpunktes der Kontrolle sowie der Methoden und Instrumente der Kontrolle.

Dieser Plan bildet die Grundlage für die Zusammenarbeit aller Beteiligter im Unternehmen. Er soll sicherstellen, dass gemeinsame Ziele angestrebt werden und die Energie bzw. Ressourcen auf diese Ziele gerichtet  sind. Was legt dieser Plan fest? Das Konzept beinhaltet erstens, die Planung neuer Produkte und Geschäftsmodelle für neue Kundenerlebnisse und zweitens die Organisation der Digitalisierung.

Externe Marktbearbeitung

  • Neue Kundenerlebnisse: Wie schafft das Unternehmen neue Kundenerlebnisse mit der Unterstützung von digitalen Medien und Technologien?
  • Neue Produkte und Leistungen: Wie setzt das Unternehmen die neuen Kundenerlebnisse in Produkte und Leistungen um?
  • Neue Geschäftsmodelle: Wie setzt das Unternehmen neue Produkte und Leistungen in einem gewinnbringenden Geschäftsmodell um?
  • Marketing und Vertrieb: Wie kann das Unternehmen die Produkte und Leistungen erfolgreich vermarkten? Und: Wie kann das Unternehmen die Digitalisierung für die Optimierung von Marketing und Sales nutzen, also Kundenakquisition, Support und Vertrieb über digitale Kanäle effizienter gestalten. Wie lässt sich der Absatz über digitale Kanäle steigern? Welche Social Media Strategie verfolgt das Unternehmen?

Interne Organisation

  • Beteiligte: Wer ist direkt und indirekt in die Digitalisierung einbezogen? Welche (digitale) Ausbildung haben diese Menschen? Wie bilden sie sich weiter, um auf die derzeitigen und künftigen Anforderungen der Digitalisierung meistern zu können? Welche neuen Arbeitsmethoden und Tools können eingesetzt werden, um die Zusammenarbeit im Unternehmen zu verbessern und die digitale Transformation voran zu treiben?
  • Rollen und Verantwortlichkeiten: Wer hat im Unternehmen für was den Hut auf? Wer ist Initiator in der Digitalisierung? Wer Treiber? Wer Unterstützer?
  • Prozesse: Wie können Prozesse durch Digitalisierung schneller, besser und günstiger laufen?
  • Strukturen: In welchen Strukturen arbeiten die Menschen zusammen? Netzwerke lösen hier starre Hierarchien und Abteilung, die wie Festungen abgekanzelt arbeiten, ab. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Hierarchiestufen arbeiten im Team und geben sich gegenseitiges Feedback. Idealerweise gibt es nicht einen führenden Funktionsbereich sondern alle Bereiche arbeiten gemeinsam an abgestimmten Konzeptions- und Umsetzungsprojekten.
  • IT: Wie kann die IT die Digitalisierung unterstützen, zum Beispiel durch Enterprise 2.0, neue Tools der Zusammenarbeit wie synchrone, zeitgleiche Kommunikation, Tools zur Weiterbildung des Unternehmens wie MOOCs (Massive Open Online Courses)?
  • Kultur: Welche Kultur ist erforderlich, um die Potenziale der Digitalisierung optimal zu nutzen? Wichtig werden hier die Zusammenarbeit, das kreative Denken und die Fehlertoleranz.
  • Führung: Digitalisierung ist Aufgabe des gesamten Vorstandes, denn sie betrifft alle Unternehmensfunktionen entlang der Wertekette, also Forschung und Entwicklung, Einkauf, Produktion, Marketing und Vertrieb, aber auch Finanzen und Personal. Die Digital-Strategie sollte im Unternehmen regelmäßig aktualisiert und überprüft werden. Alle Führungskräfte sollten mit der Gestaltung und Umsetzung der Digital-Strategie vertraut und beauftragt sein.

Chief Digital Office (CDO) als Treiber

Die Digitalstrategie kann der Chief Digital Officer (CDO) vorantreiben. Der CDO kennt nicht nur die Prozesse, Produkte und Organisationsstrukturen und hat den erforderlichen Einfluss, um Veränderungen im gesamten Unternehmen durchzusetzen, sondern ist auch verantwortlich, die Vision für die digitale Zukunft des Unternehmens zu schaffen, der Organisation eine klare Richtung vorzugeben und jeden Einzelnen aktiv in den Transformationsprozess mit einzubeziehen. Zudem sollte er ein fundiertes Wissen in den Bereichen E-Commerce, Marketing, Social Media mitbringen. Der CDO ist nicht nur das Bindeglied zwischen allen Führungskräften der Vorstandsebene, sondern auch der direkte Draht zur gesamten Organisation und den Mitarbeitern. Er schafft eine klare Vision für das gesamte Unternehmen, bricht bestehende Silos auf und bewirkt die notwendigen Veränderungen in der Organisation, um die bevorstehende Mission zu meistern. Die digitale Transformation stellt den CDO vor große organisatorische und persönliche Herausforderungen, und erfordert daher auch eine herausragende Führungspersönlichkeit.

Digital Leadership und Unternehmenskultur

Zu den schwierigsten Aufgaben im Digital Leadership gehört es, Unternehmen und Mitarbeitende durch die Digitalisierung zu führen. Aktuelle Studien zeigen, dass immer noch 70 Prozent der Change-Projekte scheitern – dies hat sich in den vergangenen 20 Jahren also trotz vieler Managementkonzepte und Praxisratgeber nicht verändert. Hierbei handelt es sich um Konzepte wie „Innovationsmanagement“ und „Qualitätsmanagement. Die Digitalisierung wird viel weitreichendere Folgen haben: Zum Beispiel werden Bank in den kommenden zehn Jahren die Hälfte ihrer Arbeitsplätze durch Automation abbauen. Die Veränderungen sind derart tief greifend, dass Experten sie mit der Industrialisierung vergleichen. Zu vermuten ist also, dass die Herausforderungen an den Wandel noch viel höher liegen als bei bisherigen „Change-Prozessen“.

Einbeziehung der Mitarbeitenden entscheidend

Die Einbeziehung der Mitarbeiter scheint nach wie vor entscheidend für das Gelingen der Digitalen Transformation im Unternehmen. Dies war aus bisherigen Erfahrungen mit früheren Change-Projekten zu erwarten, dies zeigen auch aktuelle Erfahrungen in der Praxis. Die Unternehmenskultur entscheidet über Erfolg oder Misserfolg der Digitalisierung. Sie muss immer wieder geprüft werden, ob sie den Anforderungen durch die Digitalisierung gerecht wird. Wichtig für die Gestaltung der Unternehmenskultur ist die Führungskommunikation.

Fazit

Die Digitalisierung entwickelt sich rasant, weil exponentiell weiter. Die Veränderungen erfordern von den Digital Leadern, dass sie die Bezugsgruppen kontinuierlich und anschaulich über die Entwicklungen informieren und von deren Nutzen überzeugen. Da die Digitalisierung viele neue Begriffe und Konzepte umfasst, steigt der Erklärungsbedarf. Neue Konzepte bedeutet aber auch Unsicherheit, der die Führungskräfte entgegenwirken müssen, um die Umsetzung zu gewährleisten. Die nächste Folge der Serie wird die Konsequenzen der Digitalen Transformation für die Unternehmenskultur vorstellen, der 7. und damit letzte Teil der Serie wird die Anforderungen an die Unternehmenskommunikation erläutern.