Erlebnisse und Entscheidungen von Menschen: Unternehmenskommunikation ist das Management von Kommunikation einer Organisation mit deren wichtigen internen und externe Bezugsgruppen (Herbst 2003, Zerfaß 2007, Mast 2006). Ziel ist, dass sich die Bezugsgruppen durch ihren eigenen spezifischen Beitrag positiver verhalten als ohne. Letztenendes gestaltet Unternehmenskommunikation Entscheidungen von Bezugsgruppen:

  • Mitarbeitende sollen sich stärker für die Ziele des Unternehmens einsetzen;
  • Journalisten sollen über dieses Unternehmen berichten;
  • Stellensuchende sollen sich bewerben
  • Geldgeber sollen investieren;
  • Kunden sollen kaufen;
  • Politiker sollen Handlungsräume für unternehmerisches Handeln sichern.

Erlebnisse und Entscheidungen von Menschen

Die zentrale Frage lautet: Wie entstehen Entscheidungen?

Wie Entscheidungen entstehen

Viele Forschungsergebnisse bestätigen, dass Entscheidungen vor allem emotional fallen (Damasio, 2003, 2004; Roth, 1996, 2000, 2001, 2008).  Wenn Menschen entscheiden und handeln, wollen sie Schlechtes meiden („Nein, lass das!“) und Gutes erleben („Ja, tue das!“): „Sämtliche menschliche Handlungen basieren auf der Entschlossenheit des Gehirns, Gefahren zu minimieren und Belohnungen zu maximieren… Minimale Gefahr, maximaler Lohn – das ist das Organisationsprinzip des Gehirns.“ zitiert David Rock Dr. Evian Brown; Gründer des Brain Ressource Institute (Rock, 2011, S. 143). Wir Menschen suchen Erlebnisse. Lebenslang. Erlebnisse aktivieren das Belohnungszentrum (Nucleus accumbens) und setzen Glückbotenstoffe frei wie Dopamin und Endorphine. Sie regen das Lernzentrum an und hemmen das Angstzentrum. Gute Erlebnisse suchen und negative meiden – das ist Grundmotto des Gehirns.

Zwei Systeme für Entscheidungen

Zwei Systeme steuern das Meiden und das Suchen: das Bestrafungssystem und das Belohnungssystem (Olds und Milner, 1954). Beide Systeme arbeiten getrennt, das Bestrafungssystem ist stärker, denn es ist wichtiger, den Menschen vor Gefahren zu schützen als sein Wohlbefinden zu steigern. Die beiden Systeme verfügen über zwei einfache Gefühlsäußerungen: gut oder schlecht. Diese einfachsten Gefühle werden Affekte genannt. Sie sind auf einer Ebene des Gehirns angesiedelt, auf der nur zwischen positiven und negativen Gefühlen unterschieden wird. Diese Ebene des Gehirns ist das Belohnungs- und Bestrafungssystem. Auf dieser Ebene können schon einfache Organismen sehr rasch unterscheiden, ob ihnen ein Objekt gut tut oder nicht, ob sie es also aufsuchen oder meiden sollten. Dazu bedarf es gar keiner Überlegungen oder sonstiger höherer Erkenntnisse (Storch/Kuhl 2012). Die positiven Affekte werden im Belohnungssystem und die negativen Affekte im Bestrafungssystem generiert. Es handelt sich demnach um zwei getrennte Systeme und nicht, wie bisher angenommen, um die beiden Pole einer Skala. Affekte lassen sich mit der Affektbilanz messen (Storch/Kuhl 2012; siehe Kap. 7).

Bedeutung des Belohnungssystems für Erlebnisse

Als Belohnungssystem des Menschen wird ein Netzwerk von Hirnstrukturen bezeichnet, welches positive Reize, ihre Vorhersage und Auswirkung auf unser Verhalten verarbeitet (Knutson/Wimmer 2007). Stehen Menschen vor einer Entscheidung über Unternehmen, dann prüfen sie die in Frage kommenden Alternativen, ob sie ihnen gut tun und welche das stärkste positive Erlebnis erwarten lässt. Das Gehirn nimmt also – auf Basis von Erfahrungen – die Wirkung seines Handelns vorweg und fragt, wie es sich fühlen würde, wenn es in einer bestimmten Weise handelt (Damasio, 1994, 2004): Wie werde ich mich fühlen, wenn ich mich bei diesem Unternehmen bewerbe? Dessen Produkte kaufe? Als Journalist über das Unternehmen berichte? Dessen Aktien kaufe?

Da wir ein soziales Gehirn haben, kann es sich auch fragen, wie wir auf andere wirken würden, wenn wir handeln, zum Beispiel in einem renommierten Unternehmen bewerben. BMW und Porsche sind auch deshalb so attraktive Arbeitgeber, weil sich die für Mitarbeitende auch positiv in ihrem sozialen Umfeld auswirkt.

Mehr noch: Menschen stellen das zu erwartende Erlebnis körperlich kurz selbst her, um das Risiko zu meiden, eine falsche Entscheidung zu treffen „Jedes Mal, wenn eine Handlung geplant oder realisiert wird, treten im Gehirn Nervenzellennetze in Aktion, die registrieren, wie sich ihre Umsetzung in die Tat körperlich anfühlen würde.“ (Bauer, 2005, S. 41). Sie schreien als kurz selbst vor Glück (Zarlando) und stellen sich beim Anblick der Magnum-Anzeige vor, wie es sich anfühlt, krachend in die Schokolade zu beißen. Willst Du das? Kaufe! Aus diesen Gründen beobachten Käufer andere, um mögliche Rückschlüsse auf eigenes Erleben zu ziehen.

In der internen Kommunikation stellen sich die Mitarbeitenden vor, welche Konsequenzen das neue Change Projekt für sie haben wird und wie sie sich dabei fühlen. Gut? Dann unterstütze! Schlecht? Dann lass es bleiben!

Damasio schreibt, dass diese Vorstellungen keinen zusammenhängenden Film bilden, sondern nur Schlüsselbilder dieser Szenen aufblitzen lassen. Der Mensch sieht Schlüsselelemente in großen Umrissen und gleichzeitig, ohne Einzelheiten erkennen zu können. In dieser Situation greift das Gehirn blitzschnell auf Erfahrungen zurück, wenn diese vorhanden sind. Weisen diese Erfahrungen samt der damit gespeicherten Körperzustände darauf hin, dass eine geplante Handlung unangenehme Folgen haben könnte, wird die Handlung vermieden.

Menschen legen ihre Erinnerungen demnach ab, was geschehen ist (kognitiv), wie sie sich gefühlt haben (emotional) und wie sie körperlich reagiert haben (somatisch), zum Beispiel durch ein wohliges Gefühl im Bauch, einem Kribbeln im Bauch oder angenehmer Gänsehaut auf einem Event. Hirnforscher Antonio Damasio (1994) geht davon aus, dass jedes Objekt und jede Situation der Erfahrung mit Emotionen und den begleitenden Körperzuständen verknüpft werden, um daraus Konsequenzen für künftiges Handeln zu ziehen. Die einfache Formel lautet: „Gut gewesen, wiederholen“ oder „Schlecht gewesen, künftig meiden“.

Erlebnisse werden demnach multimodal kodiert und gespeichert werden:

  • Wissen: Was habe ich erlebt? Wo fand das Erlebnis statt? Mit wem war ich zusammen?
  • Gefühle: Wie habe ich mich gefühlt?
  • Körperreaktionen: Wie hat das Erlebnis auf den Köper gewirkt? Schauer über den Rücken? Wohliges Gefühl im Bauch? Klos im Hals?

Erlebnisse werden im emotionalen Erfahrungsgedächtnis abgespeichert und mit Emotionen und Bewertungen belegt (Roth, 2009). „Im emotionalen Erfahrungsgedächtnis wird das Wissen in Form von Gefühlen und Körperempfindungen gespeichert.“ (Storch, 2005, S. 21).

Dieser Mechanismus ermöglicht, quasi als automatisches Signal, aus vielen Unternehmen jenes auszuwählen, das am meisten zusagt, weil es am besten zur Person passt. „Das automatische Signal schützt Sie ohne weitere Umstände vor künftigen Verlusten und gestattet Ihnen dann unter weniger Alternativen zu wählen. Sie haben immer noch Gelegenheit eine Kosten-Nutzen-Analyse durchzuführen und saubere Schlussfolgerungen zu ziehen, aber erst nachdem der automatische Schritt die Zahl der Wahlmöglichkeiten erheblich vermindert hat.“ (Damasio, 1994, S. 238). Dieser Vergleich geschieht parallel und unbewusst. O2, E-Plus, Telekom?

Fazit: Wissenschaftliche Erkenntnisse legen nahe, dass letztlich die im limbischen System des Gehirns verankerten unbewussten Erwartungen und emotionalen Bewertungen das Entscheiden und Handeln bestimmen.

Unterehmenskommunikation kann Erlebnisse anbieten

Unterehmenskommunikation kann Erlebnisse anbieten (Foto: Herbst)

Bewertung aller Informationen und Fakten im limbischen System

Diese Bewertung übernimmt das limbische System, der Sitz der emotionalen Intelligenz. Dort sitzen auch die Wünsche, Motive und Emotionen des Menschen. Die allgemeine Funktion des limbischen Systems besteht darin, das zu bewerten, was das Gehirn tut (Roth, 1996, S. 209).

Das Wirken des limbischen Systems lassen sich als begleitende Gefühle erleben, die entweder vor bestimmten Handlungen warnen oder Handlungen in eine bestimmte Richtung lenken. Diese scheinbar einfache Bewertung des Erlebten ist für alle Lebewesen notwendig, denn dadurch ist der Organismus in der Lage, sehr schnell zu reagieren und einen Handlungsvorschlag zu schicken und zwar innerhalb von 200 Millisekunden (Ferguson/Porter 2009). Hirnforscher Gerhard Roth geht davon aus, dass das emotionale Erfahrungsgedächtnis bereits ab der fünften Embryonalwoche mit seiner Arbeit beginnt (Roth 2009).

Wie arbeitet das limbische System? Das limbische System bewertet alle in das Gehirn einströmenden Informationen, wie emotional bedeutend diese für die Person sind – ähnlich einer die Eingänge sortierenden Bibliothekarin. Moderne bildgebende Verfahren mit Magnetresonanztomograf zeigen, dass jeder vom Mensch aufgenommene Reiz emotional interpretiert wird und dieser Impuls zweimal schneller im Gehirn ankommt, als die kognitive Interpretation des Reizes (Brühe 2003, S. 78; Winder 2006, S. 71; Weinberg/Nickel 2007, S. 40). Haften bleibt, was das limbische System positiv oder negativ anrührt. Alles andere rauscht durch deren Gehirn hindurch. „Es findet bereits eine … informatorische ‚Müllbeseitigung‘ statt. Es wird nur das zur Kenntnis genommen, was wichtig ist oder was wichtig sein könnte“ (Pöppel 2008).

Fakten werden zuerst emotional bewertet

Auch Fakten werden also zuerst und sehr schnell danach bewertet, ob sie für den Menschen wichtig sind oder wichtig sein könnten. Wie anders will das Gehirn entscheiden, welchen Fakten es sich zuwendet und welchen nicht, zum Beispiel beim Lesen einer Tageszeitung? Fazit und Überraschung für viele PR-Manager:

Alle bewusst erlebten Kognitionen werden vorbewusst emotional eingefärbt und dadurch bewertet. Der Motor der Vernunft ist die Emotion. Die Emotionen entscheiden, wann und wie Menschen etwas wahrnehmen (Traindl/Roland 2001; Traindl 2007).

Herrmann und Stefanides schreiben, dass Emotionen und Kognitionen meist interagieren, „…jedoch besitzt erstere eine affektive Vorherrschaft im Verarbeitungsprozess („Affective Primacy“): Emotionen treten zeitlich sehr viel schneller und intensiver auf als die kognitive Auseinandersetzung mit einem Stimulus.“ (Herrmann/Stefanides, 2010, S. 133). Das emotionale Markenerlebnis präge das Markenurteil, noch bevor kognitive Prozesse höherer Ordnung, wie zum Beispiel die Verarbeitung inhaltlicher Informationen aktiviert werden.

Besonders schnell sprechen das limbische System Geschichten, Bilder und emotionale Worte wie Tod und Liebe an, auch Unternehmen mit einem einzigartigen Erlebnisprofil wie Adidas, Puma und Audi. Langweilige, uninteressante Unternehmen und Marken aktivieren das limbische System nur wenig – an diese Unternehmen erinnern sich Menschen kaum.

Dies ist der wichtigste Grund für die starke Wirkung von Unternehmen mit einem einzigartigen Erlebnisprofil: Sie transportieren Emotionen und werden demnach besser erinnert. Die Bezugsgruppen wollen diese Unternehmen unterstützen, weil sie die Wünsche und Erwartungen der Bezugsgruppen von allen Unternehmen am besten befriedigen. Selbst die Investitionsgüterindustrie, in der Entscheidungen angeblich auf Grund der rationalen Abwägung einer Leistung erfolgen, erkennt durch die Ergebnisse der modernen Hirnforschung, dass diese Abwägung viel stärker emotional erfolgt, als bisher angenommen: „Das Belohnungssystem ist also ein ganz zentrales System, das wir aktivieren müssen, um motiviert zu sein und um uns wohl zu fühlen.“ (Domning/Elger/Rasel 2009, S. 61).

Hirnforscher Gerhard Roth erklärt die Bedeutung des Belohnungssystems für Entscheidungen so: Das Gefühl, etwas zu wollen, kommt erst, nachdem das limbische System schon längst entschieden hat, was getan werden soll. Die Quintessenz ist, dass dieses System die letzte Entscheidung darüber hat, ob wir etwas tun oder nicht (Roth 2000). Und Helene Karmasin schreibt: „Das wahre Motiv lautet: Du willst es, Du musst es haben, es ist wunderbar. Das legitimierende Motiv lautet: Du brauchst es, es ist notwendig und sinnvoll“ (Karmasin 1993, S. 57).

Je stärker die Erlebnisse, desto intensiver das Speichern (Foto: Herbst)

Je stärker die Erlebnisse, desto intensiver das Speichern (Foto: Herbst)

Erlebnisse sorgen für nachhaltiges Speichern und Erinnern

Welche Information in den Langzeitspeicher gelangt, und wie Menschen diese Erinnerungen abrufen, hängt demnach stark davon ab, welchen emotionalen Wert ihr das limbische System beimisst. Dies ist auch für das lebenslange Lernen wichtig: Sowohl Erlebnisse als auch Fakten muss das Gehirn im limbischen System verarbeiten – das limbische System sorgt also für die Gedächtnisbildung. Dies bestätigt die moderne Forschung, die das Modell von einem Gedächtnis verändert hat, das lediglich Bilder oder Protokolle von Ereignissen ablegt und auf Anfrage hervorholt. Stattdessen verfügen Menschen über ein emotionales Filterprogramm, mit dem sie aus dem Strom der Erlebnisse fischen. Dies erklärt auch, warum es einigen Unternehmen so schwer fällt, ihr Image zu entwickeln, wie im Fall von Bertelsmann, Telekom und der Post.

Beispiel: Mit der Post verbinden die meisten Menschen noch immer mit dem guten alten Postboten, obwohl das Unternehmen längst als DHL ein globales Logistikunternehmen ist. Das Gehirn lernt nur sehr langsam um, weil der globale Logistiker kaum emotional bedeutend für sie ist. Stephan Grünewald, Psychologe und Geschäftsführer des Rheingold-Instituts. Seine Analysen hätten ergeben, dass die Post geliebt werde. „Der Postbote ist ein bisschen wie der Nikolaus: Er kommt mit seinem Sack ins Haus und bringt mir was“, schreibt er im STERN, Ausgabe 9/2008. Das Gehirn ist keine Festplatte ist, auf die ein Unternehmen Informationen aufspielen kann. Stattdessen ist das Gehirn höchst aktiv, komplex und selbst organisierend. Ein anderes Beispiel: Bertelsmann war schon in den 90er Jahre auf dem Weg zum Global Player, doch selbst heute noch ist der Name Bertelsmann für viele Menschen gleichbedeutend mit dem Buchclub – dieser ist offensichtlich emotional bedeutender als der globale Medienkonzern.

Das Gehirn kann durch starke Erlebnisse umlernen

Dieses Programm ist nicht starr, sondern es wird auf Grundlage der Erlebnisse laufend überarbeitet. Erinnerungen lassen sich so neu bewerten und ändern. Hat jemand eine schlechte Erfahrung mit einem Unternehmen gemacht, kann er dies verlernen. In  diesem  Fall  sollten alte Erlebnisse so wenig wie möglich aktiviert werden, also schlechte Erfahrungen  nicht wiederholt. Nicht benutzte Nervenverbindungen bilden sich  zurück,  neue  neuronale   Verbindungen  können ihren Platz übernehmen. Ist also der Inhalt subjektiv bedeutsam, also notwendig, nützlich oder anknüpfend an Erfahrungen, unterstützt dies das Neulernen.

Besonders stark reagiert das Belohnungssystem auf übertroffene Erwartungen und anderen unerwarteten positiven Ereignissen: Das Belohnungssystem springt an – produziert körpereigene opiumähnliche Stoffe (Dopamin, Endorphine) und ruft Empfindungen wie Spaß und Glück hervor. In diesem Zustand werden weitere Neurotransmitter produziert, welche ein schnelleres Lernen bewirken (Spitzer 2002). Das heißt, durch emotionale Reize durch die Unternehmenskommunikation aktiviert, reagieren Menschen besser. Sie nehmen mehr Informationen auf, verarbeiten diese schneller und speichern sie besser ab (Roth 2003, 303; Damasio 2004; Trommsdorff/Teichert 2011, 43). Übertrifft also das Unternehmen und seine Kommunikation die Erwartungen, werden die Bezugsgruppen dies besonders gut behalten.

Gefühle sind Lernturbo

Je stärker ein Unternehmen anspricht, desto besser lernen die Bezugsgruppen dessen Botschaften. Gute und schlechte Gefühle werfen einen Lernturbo an, schreibt Hirnforscher Manfred Spitzer (2002). Studien bestätigen, dass Emotionen helfen, besser wahrzunehmen und effektiver zu lernen. Menschen können schneller und gezielter entscheiden, wenn die Informationen mit starken Gefühlen verbunden sind. Je stärker ein Unternehmen anspricht, desto besser werden dessen Botschaften gelernt. Unternehmenskommunikation wirkt am besten, wenn sie starke, einzigartig attraktive Erlebnisse in den Bezugsgruppen auslöst (vgl. z.B. Esch/Stenger 2008, Scheier/Held, 2007, Kroeber-Riel/Esch, 2011, Herbst/Musiolik 2015). Der Aufbau und die gezielte Entwicklung von Erlebnisprofilen sollten daher im Zentrum auch der Unternehmenskommunikation stehen. Das Unternehmen spricht alle Sinne an – und dies möglichst in allen Kontakten entlang der Erlebniskette mit den Bezugsgruppen. Jenes Unternehmen, das das stärkste Erlebnis verspricht, wird bevorzugt.

Unternehmen als umfassendes Gesamterlebnis

Erlebnisse als Bündel von Gefühlen

Wichtig für die Unternehmenskommunikation ist, dass Menschen nicht einzelne Dimensionen von Gefühlen für die Bewertung des Unternehmens heranziehen, sondern Bündel von Gefühlen, also Erlebnisse. Beispiel Swarovski: Die Steine sind von guter Qualität (Sicherheit), sie regen die Phantasie an (Stimulanz) und sie sich hochwertig (Dominanz). Alles dies kann der Kunde gleichzeitig erleben.

Kunden von Apple erleben, dass sie sich sicher fühlen können, weil die Qualität stimmt und auch Überlegenheit ist erlebbar, wenn sie eine 800-Euro teure Smartwatch am Handgelenk tragen und zeigen, dass sie zu den Pionieren gehören und sich die Uhr leisten können.

Letzten Ende fließt alles in eine Gesamtentscheidung über gut oder schlechte Affekte und deren Stärke ein. Alles dies geschieht gleichzeitig, weil das Unbewusstsein diese Prozesse im limbischen System steuert, dass parallel arbeitet (Kahneman 2012).

Ein Beispiel für einen solchen Prozess, bei dem das Gehirn Bausteine gesamthaft bewertet, ist die multimodale Kodierung: Hierbei bildet das Gehirn aus dem Zusammenspiel der Informationen aus den 5 Sinnen ein Gesamterlebnis. Sind die Reize aus allen 5 Sinnen widerspruchsfrei, dann steigert sich die Wirkung auf das zehnfache, Fachleute nennen dies „Multisensory Enhancement“ (Herbst/Scheier, 2004) oder „Hirnorgasmus (Musiolik 2015). Auch dieses Beispiel zeigt, dass das Gehirn Erlebnisse aus Bausteinen zu einem Gesamterlebnis kodiert

Der Aufbau und die gezielte Entwicklung von Erlebnisprofilen sollten daher im Zentrum der Unternehmenskommunikation stehen (Herbst 2003, 2007). Beispiel IKEA: Das Unternehmen bietet gute Qualität zum niedrigen Preis (Balance), es bietet viele Produktvarianten, die dem Kunden Spaß bereiten (Stimulanz) und es ein überlegenes, stolzes Gefühl, ein Billy-Regal allein aufgebaut zu haben (Dominanz).

Dieses Prinzip gilt auch für Organisationen, wie zum Beispiel Vereinen: Mitglieder suchen das Miteinander (Balance), die neuen Impulse für die eigene Arbeit (Stimulanz) und die Durchsetzungsstärke durch die Gemeinschaft (Dominanz).

Sicher: Für eine Entscheidung wird letztlich eine der Dimensionen besonders wichtig sein, zum Beispiel der Aspekt der Sicherheit eines Arbeitsplatzes vor der spannenden neuen Aufgabe. Der Wichtigkeit von Dimensionen lässt sich mit dem Instrument der Affektbilanz nachgehen (Storch/Kuhl, 2012, siehe Kap. 7).

Das Erlebnisversprechen

Ziel ist es, für Unternehmen ein Erlebnisprofil aufzubauen und dauerhaft im Gedächtnis der Bezugsgruppen zu verankern. Dieser emotionale Erlebniswert führt zur Aktivierung, ein Erregungsvorgang, durch den Menschen leistungsbereit und -fähig sind. Sie ist Grunddimension aller Antriebsprozesse. (Kroeber-Riel et al.. 2009, S. 60). Nachhaltiges Erinnern an das Erlebte führt zu positiven Veränderungen in der Einstellung oder des Verhaltens (Domning et al. 2009, S. 17).

Das Erlebnisversprechen ist jenes einzigartige und attraktive Erlebnis, das Bezugsgruppen erleben, wenn sie dem Unternehmen begegnen. Dieses Erlebnisversprechen ist für diese Bezugsgruppen wie Kunden, Geldgeber und Journalisten bedeutend und belohnend: McDonald’s („Ich liebe es“), Edeka („Wir lieben Lebensmittel“), Henkel („A brand like a friend“), und Mini („Is it love?“). Beispiel Thyssen-Krupp: „Komm mit ins Abenteuerland“ oder BSR „We kehr for you!“.

Dieses Versprechen macht die Unternehmenskommunikation erlebbar und regt das limbische System der Bezugsgruppen an. Das Unternehmen gibt ein Erlebnisversprechen ab, das es auf Grund seiner besonderen Fähigkeiten einzigartig erbringt. Dieses Versprechen kann darin bestehen, dass das Unternehmen beiträgt, das Bedürfnis nach Balance und Geborgenheit zu befriedigen, nach Anregung und Wandel oder nach Status und Überlegenheit (Häusel 2004, Herbst 2005).

Die Kernfragen lauten:

  • Was kann ich vom Unternehmen erwarten?
  • Was kann ich nicht erwarten?
  • Was werde ich erleben?
  • Welche Auswirkungen wird die Marke auf meine alltäglichen Erlebnisse haben?
  • Wie werden mich andere in Zukunft erleben?
  • Wie werde ich mich fühlen, wenn ich das Unternehmen unterstütze?
  • Wie werde ich auf andere wirken?

Die Formulierung des Erlebnisversprechens zwingt Unternehmen, mit den Augen der Bezugsgruppen zu sehen. In seinem Beitrag „Marke als Sinnstifter“ nennt Dominik Brendel, Direktor des Markeninstituts Esch The Brand Consultants“, als gutes Beispiel Airbnb: „Die sagen eben nicht: Wir können für kleines Geld Aufklappsofas in Gästezimmern vermitteln, sondern sie stiften Sinn durch den Community-Gedanken Sie wollen die Welt ein Stück kleiner machen, sodass die Menschen mehr miteinander zu tun haben… Die Marke baut sich nachhaltiger auf und ermöglicht es, ein Geschäftsmodell dahinter zu setzen und zu wachsen.“

Priorisieren von Erlebnisprofilen

Hilfreich ist, Bestandteile von Erlebnissen zu gewichten, denn sie wirken sich unterschiedlich auf die Entscheidung aus. Hilfreich ist hier die Affektbilanz, mit der sich feststellen lässt, welcher Bestandteil den Ausschlag für die Entscheidung geben wird.

Die Priorisierung hat folgende Vorteile:

  • Das Unternehmen wird sich noch besser über sein angestrebtes Erlebnisprofil klar und kann seine Aktivitäten gezielt auf dessen Vermittlung ausrichten.
  • Je nach Mittel und Maßnahmen kann es entscheiden, welche Emotionen es anspricht und in welcher Intensität (zum Beispiel im Internet, im Sponsoring).
  • Priorisieren erleichtert die Dramaturgie von Maßnahmen, wie zum Beispiel einem Event, bei dem das wichtigste Gefühl den Höhepunkt bildet.
  • Das Priorisieren erleichtert die Langfristplanung, indem das Unternehmen Abwechslung schaffen und so das Interesse seiner Bezugsgruppen wach halten kann.

Anforderungen an Erlebnisse: Klarheit und Einzigartigkeit

Das Erlebnisprofil sollte einzigartig sein. Dies gibt dem Unternehmen ein Profil und grenzt es von anderen Unternehmen ab. Je klarer das Erlebnis, desto schneller und gezielter können Bezugsgruppen entscheiden – dies ist wissenschaftlich bewiesen (z.B. Ruge, 1988, Kroeber-Riel, 1996).

Starke Erlebnisse erzeugen innere Bilder, also Gedächtnisbilder (mental Images, imageries). Diese wirken besonders stark auf das Verhalten (Kroeber-Riel 1996; Fichter/Jonas 2008, Dieterle 1992). Zum Beispiel zeigt die Studie Imagery der Zeitschrift GEO im Jahr 2006, dass die Einstellung zu Marken und Unternehmen umso besser ist, je klarer die Vorstellungen sind, die Menschen bei der gedanklichen Verarbeitung entwickeln (Gruner + Jahr 2006). Ein Beispiel für die Verhaltensrelevanz von inneren Bildern zeigt der Blindtest, nach dem mit verbundenen Augen die Testpersonen Pepsi Cola vorziehen, nach dem Abnehmen der Augenbinde jedoch stärker Coca-Cola (Chernatony/McDonald 1992).

Die beiden wichtigsten Voraussetzungen für die Verhaltenswirksamkeit innerer Bilder sind die Klarheit („Vividness“) und die Attraktivität der inneren Bilder („Likability“) (Block 1983; Cui et al. 2007). Die Vividness (Klarheit, Lebendigkeit) gilt als wichtigste und verhaltenswirksamste Dimension innerer Bilder (Kroeber-Riel 1993). Darunter wird das klare und eindeutige Bild in den Köpfen bzw. im Vorstellungsbild der Bezugsgruppen verstanden. Studien zeigen: Je klarer das innere Bild, desto schneller und gezielter handeln Menschen (vgl. die Übersicht bei Kroeber-Riel 1996 und Kroeber-Riel/Esch, 2011). Lebendige innere Bilder sind besonders geeignet, starke Gefühle zu erzeugen. Klare Bilder haften besonders lang im Gedächtnis, sie lassen sich vergleichsweise schwer ändern.

Wie Klarheit entsteht

Folgende Bedingungen müssen vorhanden sein, damit Klarheit entstehen kann:

  • Das Erlebnis sollte sich klar und deutlich von anderen Erlebnissen abgrenzen und zu meinen alltäglichen Erlebnissen passen. Die besten Marken der Welt unterscheiden sich deutlich voneinander und ihren Wettbewerbern.
  • Das Erlebnis ist stimmig, also widerspruchsfrei. Grundlage hierfür ist das Erlebnisversprechen, an dem sich alle an der Unternehmenskommunikation beteiligten ausrichten.

Die Positionierungsfalle

Die zu frühe Konzentration der Unternehmenskommunikation auf ein einziges Gefühl, wie es das Modell der Positionierung fordert, ist viel zu eingeengt: Positionierung ist eine Falle, weil sie den vielfältigen Facetten des Unternehmens nicht gerecht wird. Stattdessen ist der Austausch von Bezugsgruppe und Unternehmen vielfältig und erlebnisreich und spielt sich nicht allein auf einer Position der meist vier Pole des Positionierungskreuzes ab.

Abb. Positionierungskreuz (Quelle: Kroeber-Riel, 1993, S. 46)

Verliert das Unternehmen Facetten des Unternehmens aus den Augen, erleben die Bezugsgruppen Defizite:

  • Fehlt die Balance, erlebt die Bezugsgruppe Unsicherheit,
  • fehlt Stimulanz erlebt die Bezugsgruppe das Unternehmen langeweilig
  • fehlt Dominanz, dann fehlt die Kraft – das Unternehmen wird als unterlegen im Wettbewerb erlebt

Fehlt einem Menschen die Balance, geht er unnötig Risiken ein und hat keine Beständigkeit, fehlt ihm die Stimulanz, ist er langweilig, fehlt ihm die Dominanz, ist er stets unterlegen und wird von anderen dominiert. Die Frage ist also nicht, welches der Gefühle besteht, sondern wie stark. Das Unternehmen sollte im ersten Schritt prüfen, welche Gefühle von Sicherheit/Balance, Stimulanz, Dominanz es bieten kann. Dies kann es für die tägliche Praxis mit den unterschiedlichen Bezugsgruppen flexibel nutzen.

Doch wird das Unternehmen hierdurch nicht beliebig? Austauschbar? Nein, denn es positioniert sich durch ein eigenständiges Konzept in der Unternehmenskommunikation.

Positionierung in der Kommunikation

Unternehmenskommunikation hat zum Ziel, das Unternehmen bei Bezugsgruppen bekannt zu machen und das einzigartig attraktive Vorstellungsbild zu erzeugen (Image). Als „Superdimension“ der Kommunikationswirkung gilt schon seit den 90er Jahren die „Vividness“, zu deutsch „Klarheit“ (Herbst/Scheier, 2004; Herbst 2015). Diese Klarheit entsteht durch die Unterscheidung des Unternehmens zum Wettbewerb. Besonders der Aufbau und die Entwicklung innerer Bilder („Imageries“; Kroeber-Riel/Esch 2011) ist entscheidend für die Kommunikationserfolg.

Um das klare, einzigartige Vorstellungsbild und speziell innere Bilder von Erlebnissen aufzubauen, nutzen Unternehmen komplexe Schemata mit schon gelernten und erfahrenen Erlebnissen.

Schemata als komplexe Wissensbestände

Das Gehirn ist Weltmeister im Energiesparen. Damit es nicht jedes Mal neu lernen muss, greift es auf typisch Erlebtes zurück, sogenannte Schemata. Schemata sind komplexe Wissensbestände und mit Fertigbauteilen vergleichbar. Schemata können blitzschnell ganze Ketten von Inhalten, Bewertungen und Erwartungen auslösen. Tropenschema. Alpenschema. Fussballschema.

Muster bestehen aus Sachverhalten, Sprachliches, Bildhaftes, Erlebtes und allen Sinnen: Beim Gedanken an die Alpenwelt ist Typisches abrufbar, zum Beispiel wie es dort riecht, was zu hören ist und zu riechen wäre. Zum Mittelmeerschema gehören tiefblauer Himmel, Felsenküste, weiße Gebäude und Tempelruinen. Heimische Landschaften bestehen aus blühenden Frühlingswiesen, schattigen Waldlandschaften, klaren Gebirgsquellen, einem leuchtenden Weizenfeld unter strahlend blauem Himmel.

Beispiele für Schemata in der Werbung ist die Wild-West-Romantik von Marlboro, das Alpenschema von Milka und Freundschaft durch Henkel („A brand like a friend“). Auch diese Konzepte zeigen, dass sie aus Einzelerlebnissen bestehen wie die Action durch Rindertreiben und Ruhe am Lagerfeuer. Marlboro muss sich nicht auf den Cowboy als Schlüsselbild, Pferde und Lagerfeuer begrenzen; Das Schema besteht überdies aus Lagerfeuer, Canyon, Indianer, Zelte, Stroh.  Freundschaft steht Pferdestehlen aus Abenteuerlust, aber auch für Blutsbrüderschaft und ewige Bande. Der Mineralölkonzern TOTAL bietet Spaß für die ganze Familie: Dieser besteht aus dem Spiel der Kinder (Stimulanz), dem Wettbewerb um Punktesammeln (Dominanz) und durch den Spaß, mit der ganzen Familie zusammen zu sein (Balance).

Wichtig und vorteilhaft an Schemata ist die Fähigkeit des Gehirns zur Komplettierung. Je weiter das neuronale Netz des Schemas aufgebaut ist, desto einfacher kann es von verschiedenen  Stellen aus und mit immer weniger Anhaltspunkten aktiviert werden – schon ein Reiz genügt, um das gesamte  Netzwerk zu aktivieren wie der Anblick des BMW-Logos. Roth schreibt: „Es genügen zum Teil nur Bruchstücke von aktuellen Sinnesdaten, um in uns ein vollständiges Wahrnehmungsbild zu erzeugen, das dann gar nicht von den Sinnesorganen, sondern aus dem Gedächtnis  stammt“  (Roth 1996, 267). Ein Reiz kann also die gesamte Erlebniswelt in den Köpfen der Bezugsgruppen aktivieren.

Hierin liegt auch Gefahr: Wenn  es nicht gelingt, eindeutige Reize zu vermitteln, die nur jenem Unternehmen zugeordnet werden, kann dies die Erinnerung an andere Unternehmen aktivieren. „Austauschbare Codes aktivieren immer auch die Netzwerke der Wettbewerber oder gar ganz anderer  Marken. In  jedem  Fall ist das Ergebnis  Wirkungsverlust und Verwässerung der eigenen Marke. Markenkommunikation  muss  deshalb  kontraststarke Codes nutzen“ (Scheier/Held 2006, S. 142).

Neue Erfahrungen durch Erlebnisse in der Unternehmenskommunikation

Zu den faszinierenden Phänomenen im Gehirns gehört, dass die Bezugsgruppen Erlebnisse von anderen Menschen und aus der Unternehmenskommunikation als eigene Erfahrungen speichern können – vorausgesetzt, sie erleben die damit verbundenen Gefühle und Körperreaktionen. “…The human brain does not distinguish between reading or hearing a story and experiencing it in real life. In both cases, the same neurological regions are activated.” (Rush, 2014)

Wie ist dies zu erklären? Erlebnisse speichert das Gehirn mit dem Wissen darüber, was geschehen ist (kognitiv), welche Gefühle damit verbunden sind (affektiv) und wie sich das Erlebnis körperlich angefühlt hat (somativ). Erleben Menschen Geschichten und Bilder, dann können sie dies als eigene Erfahrungen speichern. Das ist sehr sinnvoll, denn so können Menschen aus Erfahrungen anderer lernen, ohne diese selbst machen zu müssen, was besonders bei schlechten Erlebnissen hilfreich ist.

Voraussetzung für das Lernen durch Andere ist allerdings, dass Bilder und Geschichten tatsächlich mit den Gefühlen und dem Körper erlebt und entweder als positiv oder negativ gespeichert sind. Je stärker das Erlebnis, desto besser das speichern. Langeweile Geschichten lassen kalt und werden schnell vergessen. Konsequenz für die Unternehmenskommunikation: Gelingt es, starke Erlebnisse zu schaffen, können die Bezugsgruppen diese als eigene Erfahrungen mit dem Unternehmen speichern.

Wie Erlebnisse das Denken, Fühlen und Handeln von Bezugsgruppen ändern, lesen Sie in Beitrag 3 der Serie zu Erlebnissen in der Unternehmenskommunikation

Hier geht es zu Teil 1 der Serie: „Erlebnisse in der Unternehmenskommunikation – Was weiß die Forschung und was nutzt dies der Praxis?“