Interne Transformation bedeutet Mitarbeitende zu motivieren und zu befähigen. Warum ist dieses Thema so wichtig? Digitalisierung ist nicht allein durch die Entwicklung neuer Technologien erfolgreich, sondern erst durch deren Anwendung durch die Mitarbeitenden– erst durch deren Umsetzung wird sie “lebendig”.

Hohe Anforderungen an Mitarbeitende, denn Digitalisierung ist schnell, komplex und tiefgreifend

Viele Unternehmer meinen immer noch, digitale Transformation bedeute die Umstellung auf neue IT oder gar nur die Einführung von Social Media im Unternehmen. Jedoch ist digitale. Transformation viel weitreichender: Was in den 70er Jahren mit Computer und Emails begann, umfasst heute selbstfahrende Autos, intelligente Kühlschränke und 3D-Drucker, die sogar Autos ausdrucken – die Digitalisierung in Wirtschaft und Gesellschaft schreitet im Schnellspurt voran.

Die rasant, weil exponentiell fortschreitende Digitalisierung verändert Unternehmen alle Branchen und Größen tiefgreifend und nachhaltig: Völlig neue Geschäftsmodelle entstehen, neue Produkte und Leistungen, neue Kundenbeziehungen. Das Ziel: Neue, bessere und einzigartige Kundenerlebnisse.

Digitalisierung ist somit die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen durch neue Technologien, um die Kundenerlebnisse an jedem Berührungspunkt (Touchpoint) mit dem Unternehmen zu verbessern.

Bausteine des Berliner Management Modells für die Digitalisierung (Quelle: Georg Adlmaier-Herbst)

Viele Unternehmen wollen und müssen diese Entwicklungen für ihren künftigen Geschäftserfolg nutzen. Dies erfordert große Anstrengungen, denn die Konsequenzen sind weitreichend: 52 Prozent der CEOs weltweit sagen, dass die Digitalisierung die eigene Industrie komplett oder signifikant transformieren wird, so das Ergebnis der weltweiten Studie Accenture 2014. Branchen und Unternehmen sind unterschiedlich stark betroffen, aber letztlich sind alle betroffen, weiß die Boston Consulting Group.

Alle Arbeitsplätze von Digitalisierung betroffen

Im Unternehmen sind alle Funktionen von Digitalisierung betroffen – von der Forschung und Entwicklung über Produktion und Marketing, Personalabteilung und Verwaltung. Beispiele sind heute schon die elektronische Rechnungslegung und die interne Kommunikation über das Intranet. Auswirkungen ergeben sich damit für das Gesamtunternehmen, Funktionen/Projekte sowie auf jede und jeden einzelnen Mitarbeitenden.

Immer mehr KMUs etablieren neue Strukturen und Prozesse, neue Rollen und Verantwortlichkeiten, neue Formen der Zusammenarbeit, neue Führungs- und Motivationssysteme. Neue Qualifikationen sind erforderlich – lebenslanges Lernen wird die Regel sein. Der Wandel beginnt schon im Management, wie folgende Beispiele zeigen:

  • Konsequentes Ausrichten am Kunden als Haltung: Manager müssen Kunden noch besser verstehen und auf ihre Wünsche und Bedürfnisse schneller reagieren als die Konkurrenz.
  • Radikales Denken:Völlig neue Geschäftsmodelle, wie die Beispiele von AirBnB und Uber zeigen. Erfolgreiche Manager müssen daher radikal und am besten drei oder fünf Schritte voraus denken. Sie zerstören bestehende Geschäftsmodelle und ersetzen sie durch völlig neue wie Plattformbetreiber Amazon.
  • Führung junger Mitarbeiter:Wichtig ist auch das Wissen, wie junge Mitarbeiter ticken, die mit dem Internet und Startups aufgewachsen sind, was sie motiviert und wie sie im Unternehmen gehalten werden können; starre Arbeitsmodelle, Anwesenheitspflicht in Büro und Hierarchiedenken werden diese wertvollen Mitarbeiter dagegen wahrscheinlich schnell wieder aus dem Unternehmen treiben.
  • Digitales Wissen in eigene Produkte umwandeln:Wer seine Mitarbeiter nicht in einer anregenden, kreativen Innovationskultur motivieren kann, neuartige Produkte zu entwickeln, kommt nicht weit.
  • Neue Führungskonzepte: Das klassische Kommando-und-Kontrolle-Modell verschiebt sich hin zu stärkerer Einbeziehung und Beteiligung der Mitarbeitenden. Kontrolle erfolgt, ob die Ziele erreicht sind und ob es Abweichungen gibt.
  • Neue Kommunikationskompetenz:Durch Social Media brauchen alle Beteiligten neue Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit digitaler Kommunikation.

Beispiel: Veränderungen der Arbeitsgestaltung: Jäger (2015) nennt als wichtige Beispiele, wie Mitarbeiter künftig zusammenarbeiten:

  • Kollaboratives Arbeiten
  • Selbstorganisation Eigenverantwortung
  • flexible Arbeitszeiten
  • flexibler Arbeitsort
  • mobiles Arbeiten
  • Maschinen als Kollegen
  • Multi Space Office

Digitalisierung erfordert für alle Manager und alle Mitarbeitenden die Bereitschaft, dass sie die Digitalisierung wollen sowie das Können, also die Befähigung durch neue Fachkompetenzen, neue Methoden- und Sozialkompetenzen. Wollen sie dies? Können Sie dies?

Die Interne Erneuerung ist der Prozess, die Bereitschaft und Fähigkeiten der Mitarbeitenden für die Digitalisierung herzustellen und dauerhaft zu stabilisieren.

Wollen: Bereitschaft (Motivation) für die Digitalisierung

Die Bereitschaft zur Veränderung, zählt zu den Erfolgsfaktoren der Digitalisierung: In einem KMU, das seinen Mitarbeitern Ängste und Unsicherheiten nicht nehmen kann, ist ein digitale Wandel zum Scheitern verurteilt. Wie schwierig dies ist, zeigt die weltweite Studie der Beratungsgesellschaft Capgemini, nach der 62 Prozent der Befragten die Unternehmenskultur als eines der größten Hindernisse auf dem Weg zu einer digitalen Organisation sehen. Obwohl neue Programme und Initiativen zur Digitalisierung vernünftig und notwendig erscheinen, stößt ihre Umsetzung in den Unternehmensalltag oft auf erheblichen Widerstand bei Managern und Mitarbeitern: Schon heute beklagen 52 Prozent der deutschen Industrieunternehmen fehlende digitale Kultur – Kultur und fehlendes Engagement des Top-Managements seien Hauptgründe, wenn Digitalisierung nicht klappt. Welche wichtigen Voraussetzungen sind zu schaffen?

Wie Motivation entsteht

Die richtige Haltung ist entscheidend

Herkömmliches Management setzt vor allem auf Ergebnis- und Handlungsziele wie „fünf Prozent Umsatz steigern“ oder „drei Innovationen pro Jahr entwickeln“ und die hierfür erforderlichen Handlungsziele (zum Beispiel konkrete Gewinnziele durch realisierte Innovationen). Kaum ein Mitarbeitergespräch ohne SMART-Zielvereinbarung, also nach der Regel spezifisch, messbar, anspruchsvoll, realistisch, mit Termin. SMARTE Ziele sind sinnvoll, wenn Motivation schon vorhanden ist und es sich um ganz einfache, klar strukturierte Aufgaben handelt, wie zum Beispiel „mache täglich fünf Neukundenanrufe“. Wenn aber das Ziel im Verkauf lautet: „Begrüße jeden Kunden mit einem Lächeln!“, dann zeigt sich, dass Kundenorientierung nicht auf der Verhaltensebene funktioniert, weil dies oft aufgesetzt wirkt. Stattdessen sind Haltungs- oder Einstellungsziele erforderlich, die sich ganzheitlich auf Denken, Fühlen und Handeln der Mitarbeitenden auswirkt. Haltungsziele für die Digitalisierung sind zum Beispiel „Alles ist möglich“, weil es kaum noch feste Pläne oder gar ein klares Zielbild gibt, auf das das KMU zusteuert.

Studien zeigen, dass die Leistung unter Haltungszielen ebenso gut ist wie unter SMART-Zielen; jedoch erfolgt die Leistung mit mehr Motivation. Haltungsziele lassen sich mit Methoden wir dem Zürcher Ressourcen Modell (ZRM) entwickeln (www.zrm.ch). Im Frühjahr 2018 erscheint im Hogrefe-Verlag mein Buch zur Haltungsänderung in der Digitalisierung (gemeinsam mit Maja Storch, Johannes Storch und Anke Breiter).

An die Ziele von Menschen anknüpfen

Wer Menschen für Veränderungen gewinnen will, sollte die grundsätzlichen Beweggründe (Motive bzw. Ziele) von Menschen kennen: Warum tun sie etwas? Warum meiden sie etwas? Die Motivationspsychologie kennt drei Beweggründe (Motive) von Menschen, die gut erforscht sind: 1. Leistungsmotiv: Herausforderungen meistern, 2. Bindungsmotiv: Soziale Kontakte knüpfen und pflegen, Machtmotiv: Andere Menschen beeinflussen und beindrucken.

  • Leistungsmotiv: Leistungsmotivierte stellen sich Herausforderungen, bei denen sie sich bewähren oder aber versagen können. Anreize sind selbstständiges Lösen schwieriger Aufgaben. Dies löst Stolz und Zufriedenheit aus. Der Leistungstyp meidet Beschämung und Niedergeschlagenheit durch Misserfolg. Leistungsmotivierte sind für die Digitalisierung zu begeistern, indem sie Aufgaben meistern und etwas besonders gut machen können, sich selbst übertreffen und im Wettbewerb mit anderen beweisen. Leistungsmotivierte steigen in der Hierarchie nur selten weit auf, denn sie interessieren sich mehr für Inhalte als für Macht
  • Bindungsmotiv: Das Bindungsmotiv steht für das fundamentale Bedürfnis nach sozialen Kontakten. neue Bekanntschaften, Freundschaften am Arbeitsplatz. Der Bindungstyp sucht Nähe und Beziehungen am Arbeitsplatz, er bewertet andere Menschen stark durch die Kategorien Sympathie und Antipathie. Bindungstypen lassen sich für die Digitalisierung motivieren durch den Aufbau, Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung von Bezogenheit, Nähe, persönlicher Begegnung und freundschaftlichen Beziehungen zu anderen Menschen am Arbeitsplatz.
  • Machtmotiv: Der Machttyp liebt es, etwas zu bewegen. Einfluss und die Durchsetzung eigener Ideen und Werte sind für ihn wichtig. Er sucht aktiv nach der Übernahme von Führungsverantwortung, möchte andere verändern und die Richtung in Gruppen vorgeben. Der Machttyp lässt sich für die Digitalisierung motivieren durch Tätigkeiten, an die er mit viel Energie herangehen kann, Durchsetzungskraft, Beharrlichkeit auch bei Widrigkeiten.

Können: Befähigung zur Digitalisierung

Siemens-Chef Joe Kaeser investiert kräftig in digitale Weiterbildung. Der WirtschaftsWoche vom 21.4.2017 sagte er: „Ein Punkt beschäftigt mich in der Tat: Wenn wir es nicht hinbekommen sollten, dass das digitale Zeitalter inclusive ist, dann wird die vierte industrielle Revolution stecken bleiben.“ Folgende Aspekte sollten Sie beim Ermitteln der Befähigung (Können) beachten:

  • Beteiligte: Wer ist direkt und indirekt in die Digitalisierung einbezogen? Welche (digitale) Ausbildung haben diese Menschen? Welche Ausbildung brauchen künftige Mitarbeitende? Welche Weiterbildung bieten Sie an, um die Mitarbeitenden für die Digitalisierung zu befähigen?
  • Rollen und Verantwortlichkeiten: Welche Rollen und Verantwortlichkeiten erfordert die Umsetzung der Digitalisierungsstrategie? Weniger Hierarchie? Wer ist Initiator von Prozessen? Wer Treiber? Wer sind die Unterstützer?
  • Prozesse: Welche Prozesse erfordert die Digitalisierung? Prozesse für interdisziplinäres Zusammenarbeiten?
  • Strukturen: In welchen Strukturen arbeiten Manager und Mitarbeitende künftig zusammen? Netzwerke lösen hier starre Hierarchien und Abteilung ab, die wie Festungen abgekanzelt arbeiten. Mitarbeiter aus unterschiedlichen Hierarchiestufen arbeiten im Team und geben sich gegenseitiges Feedback. Idealerweise gibt es nicht einen führenden Funktionsbereich, sondern alle Bereiche arbeiten gemeinsam an abgestimmten Konzeptions- und Umsetzungsprojekten.
  • IT: Kann die derzeitige IT die Digitalisierung optimal unterstützen, zum Beispiel durch Enterprise 2.0, neue Tools der Zusammenarbeit wie synchrone, zeitgleiche Kommunikation, Tools zur Weiterbildung des Unternehmens?
  • Kultur: Welche Kultur ist erforderlich, um die Potenziale der Digitalisierung optimal zu nutzen? Wichtig werden hier die Zusammenarbeit, das kreative Denken und die Fehlertoleranz.

Checkliste

Können Sie Ihre Digitalisierungsstrategie mit den vorhandenen Ressourcen in Ihrem Unternehmen umsetzen, also vor allem:

Bereitschaft

  • Bereitschaft (Motivation) für die Digitalisierung
  • Kultur von Unternehmen, Organisationseinheiten, Teams, Mitarbeitenden

Befähigung

  • Ausbildung der Beteiligten
  • Rollen und Verantwortlichkeiten
  • Prozesse
  • Strukturen
  • IT

Ergebnis dieser Prüfung sind jene Dimensionen, die eine interne Erneuerung brauchen.

Fazit und Ausblick

Die Umsetzung der Digitalisierung im KMU ist wesentlich an die Bereitschaft und die Fähigkeit der Mitarbeitenden gebunden – sie entscheiden über den Erfolg der Digitalisierungsstrategie. Das Herstellen der Bereitschaft dient dem Freisetzen von Handlungsenergie (Wollen), die Befähigung schafft Qualifikation der Mitarbeitenden sowie angemessene Rollen und Verantwortlichkeiten, Prozesse, Strukturen und IT. Hierbei gibt es eine klare Reihenfolge des Vorgehens: Erst müssen die Mitarbeitenden bereit sein für die Digitalisierung, dann werden sie auch ihrer Befähigung zustimmen. In der nächsten Folge werden wir die Umsetzung der Massnahmen erläutern und die Erfolgskontrolle skizzieren.

Porträt

Prof. Dr. D. Georg Adlmaier-Herbst, Dozent, Berater

Prof. Dr. D. Georg Adlmaier-Herbst ist Academic Head bei www.karrieretutor.de, einem Startup für Online-Weiterbildung in der Digitalisierung. Er ist Honorarprofessor und Scientific Director der Forschungsstelle „Berliner Management Modell für die Digitalisierung (BMM )“ am Berlin Career College der Universität der Künste Berlin. Er ist Gastprofessor für „eCommerce in China“ an der Jiao-Tong-Universität in Shanghai (China), Hauptdozent im Executive MBA HSG für Unternehmenstransformation im Digitalen Zeitalter an der Universität St. Gallen (Schweiz), Dozent „Digital Leadership“, CAS Digital Innovation & Business Transformation, University of St. Gallen (Schweiz), Dozent im „CAS Strategic Communication“ an der Hochschule Luzern (Schweiz) und Gastprofessor an der Lettischen Kulturakademie in Riga (Lettland). Herbst ist außerdem weltweit als Berater für Unternehmen, Organisationen und Personen tätig. 2011 wurde er von der Zeitschrift „Unikum Beruf“ zum „Professor des Jahres“ gewählt. Er ist Mitglied im Rat der Internetweisen. Adlmaier-Herbst hat 20 Bücher geschrieben.

Prof. Dr. Dr. Thomas Schildhauer

Dozent, Internetforscher

Prof. Dr. Dr. Schildhauer – Informatiker, Marketingexperte und Internetforscher – ist Inhaber der Universitätsprofessur Electronic Business mit Schwerpunkt Marketing an der Universität der Künste Berlin. Er gründete 1999 und leitet seitdem als Direktor das Institute of Electronic Business e. V. (IEB); er hat zudem die Verantwortung für das Berlin Career College im Zentralinstitut für Weiterbildung (ZIW), das die Weiterbildungsangebote der Universität der Künste Berlin bündelt. In diesen Funktionen verantwortet er mehrere Masterstudiengänge. Er lehrt ausserdem als Dozent im «Master Business Innovation» an der Universität St. Gallen. Als Direktor des Alexander von Humboldt Instituts für Internet und Gesellschaft gGmbH forscht Schildhauer transdisziplinär, insbesondere über das Themenfeld «Internet enabled innovation».