Global Brand Management zwischen Standardisierung und Differenzierung

Global Brand Management zwischen Standardisierung und Differenzierung (Foto: Herbst)

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Weltweit gleicht sich alles an?

Wer einen Blick in die Zeitung, Zeitschriften, in Magazine und TV-Beiträge wirft, erhält den Eindruck, als sei die Welt mittlerweile ein Dorf mit Einwohnern, die einander sehr ähneln. Unterschiede hätten sich angenähert und jene, die es noch gibt, bestünden auch nicht mehr lange. Die Welt als Dorf? Den Eindruck der Angleichung verstärkt, wenn wir an junge Menschen in China denken, die sich westlich kleiden, westlich essen und westliche Musik hören. Wir in der westlichen Welt essen Sushi, lassen uns in Feng Shui beraten und beschäftigen und gehen in die Peking-Oper.

Fühlen wir auch anders?

Doch wer würde von sich behaupten, dass sich seine Werte, seine Denken, Fühlen und Handeln dem Asiatischen angepasst hätte? Ein tieferer Blick zeigt sehr schnell, dass die Kulturen weltweit immer noch zutiefst lokal geprägt sind. Warum gibt es nationale Ausgaben der Financial Times, der National Geographic und von CNN? Von MTV und sogar der Sesamstraße?

Das Beispiel Nike

In einem Werbespot für Nike-Turnschuhe dribbelte der farbige US-Basketballstar LeBron James einen Cartoon-Kung-Fu-Meister und mehrere Dachen aus. Die chinesischen Behörden für Radio, Film und TV verboten die Werbung, weil sie die nationale Würde verletzt sahen. Empörung auch, weil ein Schwarzer einen Weißen besiegt.

Das Beispiel BMW

Autobauer BMW wollte die in Europa eingesetzte Kampagne „Die treibende Kraft“ nach China exportieren. Die Kampagne floppte. Grund: Die Anzeigen zeigten schwitzende Menschen. Mit ihnen lassen sich Autos für die Oberklasse nur schwer verkaufen. Chinesen gehören zur Menschengruppe mit den wenigsten Duftschweißdrüsen. Sie kennen kaum oder keinen Achselgeruch und sind sehr stolz darauf.

Selbst Hamburger sind unterschiedlich

Selbst bei einem so global scheinenden Produkt wie Hamburger richtet sich die Burgerkette nach lokalen Essgewohnheiten: In Israel haben Hamburger keinen Käse, da in koscheren Restaurants die Trennung von Fleisch und Milch herrscht. In Indien sind sie mit Gemüse zubereitet, er besteht aus Hammelfleisch, weil Rindfleisch bei Hindus verboten ist. In muslimischen Ländern dürfen Restaurants kein Schweinefleisch verwenden – McDonald’s musste sich für Rind- und Schweinegschmack in Pommes Frites entschuldigen. Die Japaner essen den Burger mit Essbesteck und schneiden ihn in kleine Stücke. Andere Speisen dürfen die Japaner aus religiösen Gründen nur mit den Händen essen, wie zum Beispiel Reiskugeln mit rohem Fisch.

McDonald's in Russland

McDonald’s in Russland (Foto: Herbst)

Einzelfälle

Einzelfälle? Oder sind Kulturunterschiede weltweit nach wie vor entscheidend für die Gestaltung der globalen Markenführung? Wenn ja, welche Aufgaben ergeben sich hieraus für das global brand management?

Beispiele Kulturcodes

Kulturcodes beziehen sich auf Werte, Normen und Grundannahmen eines Landes. Sie prägen Danken, Fühlen und Handeln von Menschen. Beispiel Schokolade: Weltweit lassen sich der Schokoladenkonsum unterscheiden, die Geschmackspräferenzen und die Geschenk-Gewohnheiten. In der Software für den islamischen Markt sind Kreuze verboten, im russischen Markt rote Fahnen. Ivana Modena zitiert in ihrem Buch aus dem Jahr 2005: „Globale Märkte und lokale Strukturen“ einen Beitrag aus der ZEIT, wonach „Softwarefirmen mit grenzüberschreitenden Ambitionen heute  für Internationalisierung und Lokalisierung ihrer Programme bis zu 20mal soviel aufwenden müssen wie für die eigentliche Softwareentwicklung.“. Aufgrund solcher Unterschiede ändern Unternehmen schon seit einigen Jahren deutlich ihr Verhalten in der globalen Markenführung: Nach Jahren der erhofften Potenziale durch Standardisierung differenzieren sie zunehmend: So haben Besonderheiten in den Ländermärkten bei Coca Cola dazu geführt, seit 2001 – trotz hoher Kosten – 100 lokale Variationen der Werbespots vorzunehmen. Die Spots entstanden in 14 Ländern und wurden in 200 Ländern eingesetzt. Der VW Golf hieß in den USA einst Rabbit, später wurde er in Golf umgetauft. Als das Auto Rabbit hieß, verkaufte VW 250.000 Stück jährlich, unter dem Namen Golf sanken die Verkaufszahlen auf 30.000 Stück. Aus dem VW Golf wurde in den USA wieder der Rabbit, und die Verkaufszahlen verdoppelten sich innerhalb eines Jahres. Menschen denken, fühlen und handeln also auf der Grundlage von kulturell gelernten Bedeutungen, die meist nicht bewusst sind, so genannten Codes (Rapaille 2006). Codes werden mitunter auch Cues genannt (Laibson 2011). Der international renommierte Kulturforscher Clotaire Rapaille schreibt in seinem Buch „Der Kultur-Code“, der Kultur-Code ist die Bedeutung, die wir einer Sache auf dem Wege über die Kultur, in der wir aufwachsen, unbewusst beimessen – einem Auto, einer bestimmten Art von Essen, einer Beziehung und sogar einem Land.

Branding in Shanghai, China

Branding in Shanghai, China (Photo: Herbst)

Käse und Kulturcodes

Franzosen lieben ihren Käse. Sie lagern ihn unter einer Käseglocke, wo er bei Zimmertemperatur atmen kann und reift. Der Code für Käse in Frankreich lautet Leben. In den USA ist der Käse pasteurisiert, er wird in eine Plastikfolie eingewickelt und im kalten Kühlschrank wie eine Mumie gelagert. Der Code für Käse in den USA lautet Tod. Solche Codes können sich selbst in einem Land unterscheiden, wie das Beispiel der Schweiz zeigt.

Essen und Kulturcodes

Beispiel Essen: In seinem kulturellen Umfeld entwickelt der Mensch eine Vorliebe für bestimmte Geschmacksnoten und die Abneigung gegen andere. Entscheidend sind die Esskultur und das allgemeine Geschmacksmuster einer Regionalküche oder Nationalküche. So lässt sich erklären, dass der Geschmack desselben Lebensmittels in einer Kultur geschätzt und in einer anderen abgelehnt wird. Jenen Geschmack, auf den der Mensch in seiner Kindheit geprägt wurde, wirkt sich auch später besonders sehr stark auf dessen Präferenzen aus; sie kann verbunden sein mit vertrauter sozialer Geborgenheit und die Bindung an eine bestimmte Gruppe. Letztlich lässt sich alles auf die Welt zurückführen, in der wir aufgewachsen sind.

Branding in Shanghai, China

Branding in Shanghai, China (Photo: Herbst)

Was weltweit gleich ist

Freilich, es gibt einige Codes, die sich global nutzen lassen, weil alle Menschen deren Bedeutung verstehen: BMW verglich ein neues Automodell mit Körperteilen von Tieren. O2 nutzt in mehreren Ländern den Sauerstoff als Symbol. Ein Pharmaunternehmen bebilderte das abgelaufene Geschäftsjahr mit Händen, die Strategiebroschüre verdeutlichte weltweit das Handeln durch das Motiv ‚Erde’. Zu den Codes, die kulturübergreifend verstanden werden, gehören:

  • Grundelemente: Wasser, Feuer, Erde
  • Menschen: Hände, Grundemotionen etc.
  • Karikaturen, Zeichnungen, Comic-Figuren
  • Natur
  • Sport

Essenziell für die Wirkung der globalen Markenführung ist, solche Codes aufzudecken und den Umgang mit ihnen intern zu organisieren.

Management von Rückkoppelungen

Fragt man Experten, was globale Markenführung kennzeichnet, nennen Sie deren größere Komplexität, deren höheres Risiko und den erhöhten Informationsbedarf. Jedoch ist auch nationale Markenführung aufwändig, risikoreich und komplex. Was also kennzeichnet die globale Markenführung, was die nationale nicht hat? Antwort: Globale Markenführung muss Rückkoppelungen managen. Was das bedeutet? Grundsätzlich könnte jedes Land seine eigenständige Markenführung gestalten, so wie es die Besonderheiten des Landes erfordern. Aber was geschieht, wenn ein Land etwas plant, das sich auf ein anderes Land oder die Zentrale auswirkt beziehungsweise auswirken könnte? In diesem Fall sollte die Markenführung koordiniert erfolgen; sie sollte inhaltlich, zeitlich und formal widerspruchsfrei ausgerichtet sein, um Gemeinsamkeiten zu nutzen und Widersprüche oder unerwünschte Ausstrahlungen zu vermeiden.

Rückkoppelungen im Internet

Ein Beispiel: In Zeiten des Internet prüfen Nutzer weltweit, wo sie für ein Produkt den besten Preis erhalten; Suchmaschinen und Dienstleister, die Preise vergleichen und den niedrigsten herausfinden, helfen ihnen dabei. Bietet ein Unternehmen seine Produkte im Internet zu unterschiedlichen Preisen je Land an, sollte dies koordiniert erfolgen. Globale Markenführung ist das Management von Rückkoppelungen. Professionelle globale Markenführung ist an organisatorische Voraussetzungen gebunden: Diese betreffen die beteiligten Personen, Rollen und Verantwortlichkeiten, Prozesse, Strukturen, die eingesetzte Informationstechnologie sowie die Kommunikationskultur. Da der Austausch mit Bezugsgruppen in den Ländern die Unternehmenspolitik direkt betrifft, muss die globale Markenführung von der Geschäftsleitung getragen sein und von dieser durch ein eigenes Budget und klare Entscheidungen unterstützt werden.

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Weltweit einzigartiger Post-MBA „Digital Brand Management around the World“