Dieser Text darf zitiert werden unter Angabe der Quelle.
Vorbemerkungen
Die aktuellen Erkenntnisse der Neurowissenschaften verändern derzeit die Sicht auf die interne Kommunikation in Unternehmen grundlegend. Hier nur zwei Beispiele: Zu den Vorstellungen gehörte bislang, das Gehirn der Mitarbeitenden sei eine Festplatte, auf die sich Informationen der Geschäftsleitung aufspielen und bei Bedarf abrufen lassen; außerdem reiche es aus, Meinungen und Bewertungen der Geschäftsleitung lediglich weiterzureichen und die Mitarbeitenden setzten diese dann ohne großes eigenes Verarbeiten und Entscheiden in eigenes Handeln um. Stattdessen entdeckt die moderne Neurowissenschaften das Gehirn der Mitarbeitenden als dynamisches, selbst organisierendes System, das Informationen aktiv und sehr selektiv auswählt und diese in einem hochkomplexen Prozess verarbeitet und bewertet. Eine andere Vorstellung war, dass die beiden Gehirnhälften getrennt voneinander funktionieren – eine sei für den Verstand, die andere für unser Fühlen zuständig. Stattdessen zeigt sich in wissenschaftlichen Studien der Neurowissenschaften, dass beide Hälften eine Einheit bilden und keine Gegensätze.
Dieser Beitrag will auf die modernen Neurowissenschaften aufmerksam machen und an ausgewählten Beispielen aufzeigen, wie deren Erkenntnisse auch die interne Kommunikation bereichern können. Diese Erkenntnisse haben meine Sicht auf die interne Kommunikation und meine praktische Beratungstätigkeit für Unternehmen stark beeinflusst. Ich hoffe, dass dieser Beitrag für die Lesenden den Anstoß gibt, sich weiterführender mit diesem Thema zu beschäftigen. Meine Überzeugung: Die Neurowissenschaften werden die interne Kommunikation verändern.
1. Menschen haben ein soziales Gehirn
Egoismus, Ellenbogendenken, Eigenbrötelei – die Zeitungen sind voller Berichte, die den Eindruck erzeugen, als ob Menschen im Arbeitsleben vor allem Einzelkämpfer sind, die nur an sich denken, nur auf die Optimierung ihres eigenen Vorteils im Rahmen einer rationalen Kosten-Nutzen-Abwägung aus sind. Allen Unkenrufen zum Trotz: Grundsätzlich ist der Mensch ein soziales Wesen. Unser Gehirn ist auf gelingende Beziehungen ausgelegt, auch im Arbeitsleben.
Unser soziales Gehirn zeigt sich zum Beispiel darin, dass wir über spezielle Hirnfunktionen verfügen, die Gesichter von Menschen zu erkennen und zu bewerten. Mitarbeitende können in Sekundenbruchteilen die Gesichter von Führungskräften verarbeiten und bewerten. Unser soziales Gehirn zeigt sich auch darin, dass Nervenbotenstoffe und Hormone dafür sorgen, dass wir Bindungen suchen. Gelingende Beziehungen belohnt unser Gehirn mit dem schnellen Ausstoß von Dopamin, ein körpereigenes Opioid, das gute Gefühle verursacht. Dies erklärt, warum zwischenmenschliche Zuwendung erträglicher macht; soziale Unterstützung am Arbeitsplatz kann die psychische und körperliche Gesundheit stärken. Ein weiteres Beispiel für das soziale Gehirn: Möchten Sie 70.000 oder 80.000 Euro verdienen? „Natürlich 80.000 Euro!“, werden Sie sagen. Aber stellen Sie sich vor, Sie verdienen 70.000 Euro und alle anderen nur 50.000 Euro. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie würden 80.000 Euro verdienen, aber alle anderen 100.000 Euro. Würden Sie immer noch, ohne zu zögern, die 70.000 Euro wählen? Die beiden Hirnforscher Gerald M. Edelmann und Giulio Tononi betonen ausdrücklich, „…dass das Gehirn allein zur Entstehung von Bewusstsein nicht ausreicht, denn wir sind davon überzeugt, dass die höheren Hirnfunktionen Interaktionen sowohl mit der Welt als auch mit anderen Menschen unabdingbar voraussetzen.“
Im Arbeitsleben formen Menschen Gruppen, deren Mitglieder sich stark ähneln und gegen andere abgrenzen. Nehmen wir Manager: Untereinander reden sie in einer eigenen Sprache mit Begriffen wie Rentabilität, Deckungsbeitrag, Shareholder-Value, die kaum ein Mitarbeitender versteht. Manche Begriffe verwenden sie, obwohl jeder etwas anderes darunter versteht, wie die Begriffe ‚Innovation’, ‚Effizienz’ und ‚Effektivität’ zeigen – Hauptsache ist, sie verwenden in der Gruppe gleiche Signale und zeigen hierdurch ihre Zusammengehörigkeit. Sie tragen fast allesamt schwarze oder blaue Anzüge mit Krawatte, eine Fliege fällt da schon auf. Manager führen gleichzeitig neue Managementmethoden ein, bis eine neue kommt. Sie kopieren ihre Wettbewerber, um keine Fehler zu machen. Sie beschäftigen die gleichen Unternehmensberater, die ein Gutteil ihres Geldes dadurch verdienen, dass sie Erfahrungen aus einem Unternehmen ins nächste tragen. In ihrer Freizeit organisieren sich im Lions Club oder bei Rotary.
Isolation macht krank
Wie sich Beziehungen und gelungene Kommunikation im Arbeitsleben auswirken, können wir daran sehen, dass wir krank werden, wenn sie fehlen: Sind wir in unserer Arbeitsgruppe isoliert, werden wir krank – häufig eingesetzt beim Mobbing. Wenn die Kommunikation mit Kollegen nicht stimmt und wir uns ausgegrenzt fühlen, sind wir nervös, unsicher, depressiv und ängstlich. Soziale Ausgrenzung aktiviert sogar unser Schmerzsystem im Gehirn – dies haben Naomi Eisenberger und ihre Kollegen in einem Experiment 2003 herausgefunden: Spielten sich zwei Spieler die Bälle aus nicht erkennbaren Gründen nur noch gegenseitig zu und schlossen die Versuchsperson vom Spiel aus, zeigte die Aufnahme des Gehirns aktivierten Schmerzzentren. Gute Kommunikation steigert das Wohlbefinden: Von der Güte der Mitarbeiterkommunikation hängt das persönliche Wohlbefinden ab. Mitarbeiter, die mit der Kommunikation unzufrieden sind, sind auch unzufriedener mit dem Arbeitsplatz und sogar mit dem Unternehmen (vgl. Herbst 1999).
Nervenzellen fühlen andere Menschen
Zu den häufigsten Forderungen an Führungskräfte gehört, Einfühlung, auch Empathie genannt, mit ihren Mitarbeitern zu zeigen und ihre Kommunikation hierauf auszurichten. Empathie wird als Fähigkeit bezeichnet, sich in den anderen hineinzuversetzen – dessen Gedanken, Gefühle und Ansichten zu erkennen und hieraus den anderen zu interpretieren. Einfühlung und damit Verstehen ist essenziell für das Entstehen und Entwickeln von Beziehungen und gelungene Kommunikation am Arbeitsplatz. Wenn ein Vorgesetzter gut zuhören kann, wird er von seinen Mitarbeitern eher als Gesprächspartner respektiert. Umgekehrt gilt dies selbstverständlich auch für die Mitarbeiter. Mangelnde Einfühlung zeigen zum Beispiel Führungskräfte, die ihre eigenen Interessen durch ihre Macht, ihren Status und die ihnen offiziell verliehene Führungsrolle durchsetzen: Sie nutzen Befehle und sanktionieren deren Ausführung mit den ihnen verfügbaren Belohnungen und Bestrafungen, statt sich in ihre Mitarbeiter einzufühlen, sie zu verstehen, ihnen zu erklären und sie von der gewünschten Handlung zu überzeugen.
Das Gehirn spiegelt den anderen
Zu den spektakulärsten Entdeckungen der letzten Jahre gehören jene Nervenzellen, die dafür sorgen, dass der Mensch das Erleben anderer Menschen spiegeln kann ― diese Nervenzellen heißen deshalb auch Spiegelneurone. Sie sind die neurobiologischen Grundlagen dafür, dass wir die Gefühle eines anderen Menschen erkennen, aufnehmen und hierauf reagieren können. Durch die Spiegelneuronen können die Beschäftigten die Gefühle des Firmenchefs mit-fühlen, dessen Begeisterung und Überzeugungen, aber auch dessen Zweifel. Spricht der Firmenchef von Bedauern, wenn er Mitarbeiter entlassen muss, dann können sie spiegeln, ob er dies auch tatsächlich fühlt. Fazit: Die Mitarbeiter können die Glaubwürdigkeit der internen Kommunikation fühlen und erleben.
Die Spiegelsysteme sind auch die neurologische Erklärung dafür, dass sich Mitarbeitende an anderen orientieren und hierdurch Sicherheit erlangen können: Die Mitarbeitenden beobachten Kollegen und Führungskräfte und prüfen, ob sie dies imitieren sollten. Die geplante Handlung unseres Gegenübers vollziehen wir offenbar, indem wir die beobachtete Aktion zunächst innerlich nachvollziehen. Wenn wir Menschen zuschauen, sind genau jene Netzwerke aktiv, als würden wir selbst die Handlung ausführen. Dies geschieht zeitgleich, unwillkürlich und ohne unser Nachdenken. Es reicht sogar schon aus, uns zu sagen, dass wir uns die Handlung vorstellen sollen, damit unsere Handlungsneuronen aktiv sind. Am stärksten feuern sie, wenn wir eine beobachtete Handlung zeitgleich nachahmen sollen. Hierin liegt neurologisch die Erklärung für die starke Wirkung der oft geforderten Leitbildbildfunktion von Führungskräften: Leben sie Verhalten dauerhaft vor und zeigen, dass ihnen dies Wohlbefinden bereitet, dann sind wesentliche Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Mitarbeiter dieses Verhalten lernen und beibehalten.
Die Mitarbeitenden nehmen bei beobachteten Handlungen vorweg, wie sie sich fühlen werden, wenn sie eine Handlung ausführen (Damasio 1994). Handlungsneurone kodieren die Programme für das operative Vorgehen und für das Ziel einer Handlung. Die Nervenzellen für die Vorstellung von Empfindungen ergänzen dies durch Informationen darüber, wie sich die geplante Handlung für den handelnden Körper anfühlen würde. Erst die Kombination des handelnden und des empfindenden Systems ergibt die neuronale Basis für die Vorstellung, Planung und Ausführung von Aktionen (Bauer 2003). Weil das Gehirn sehr sozial ist, prüft es auch, wie der Mitarbeitende auf andere wirken würde, wenn er die Handlung ausführt. Die interne Kommunikation kann dies nutzen, indem sie Bilder zeigt, die genau diese Gefühle transportieren. Wie wichtig dies ist, zeigt Kapitel 2.2.
Fazit aus diesem Kapitel: Wir reagieren in hohem Maße auf das Verhalten anderer Menschen unbewusst; unser Verhalten wird stark durch Impulse von außen bestimmt. Außerdem hat sich gezeigt, dass viele Prozesse in Beziehungen und in der Kommunikation außerhalb dessen ablaufen, was uns bewusst ist. Die Frage lautet daher, welche Rolle das Unbewusste in der internen Kommunikation spielt und welche Konsequenzen dies für die interne Kommunikation hat.
2. Wirkprinzipien der internen Kommunikation
2.1. Interne Kommunikation wirkt überwiegend unbewusst
Im Mittelpunkt der internen Kommunikation steht Verständigung in Dialogen zwischen der Unternehmensleitung und den internen Bezugsgruppen, wie Führungskräfte, Mitarbeiter, Auszubildende und Pensionäre. Diese Dialoge werden vor allem aus der Sicht der bewussten Wahrnehmung diskutiert. Jedoch weisen die Neurowissenschaften darauf hin, dass wir die meisten Informationen unbewusst verarbeiten, nämlich 95 Prozent (z.B. Zaltman, 2003). Nur der geringste Teil dringt ins Bewusstsein. Warum arbeitet unser Gehirn so? Hierfür gibt es vor allem drei Gründe:
- Bewusstsein kostet den Körper viel Energie: Unser Gehirn nimmt zwar nur etwa 2 Prozent unserer Körpermasse ein, verbraucht aber bei intensivem Denken bis zu 20 Prozent Körperenergie – wenn es unbewusst arbeitet, verbraucht es nur noch 5 Prozent. Da wir zum Fortpflanzen und Überleben auf Energie angewiesen ist, sparen wir Energie wo nur möglich. Bewusstsein sei daher für das Gehirn ein Zustand, der tunlichst zu vermeiden und nur im Notfall einzusetzen ist, sagt Hirnforscher Gerhard Roth (2000).
- Reaktionen laufen wesentlich schneller ab: Wir können schnellstens reagieren, wenn wir eingehende Reize direkt in Handeln umsetzen, statt sie bewusst zu prüfen. Fährt ein Lastwagen auf uns zu, springen wir spontan zur Seite, statt die Situation gründlich zu analysieren, Handlungsoptionen zu entwickeln, diese abzuwägen und dann zu entscheiden.
- Unbewusstes ruft leicht und schnell bewertete Erfahrungen ab: Alle Erlebnisse speichern wir danach ab, ob sie gut oder schlecht für uns waren. Sollen wir uns entscheiden, können wir auf dieses Wissen zurückgreifen. Warum sollte unser Gehirn nachdenken, wenn es auf bewährte Lösungen schnell und einfach zugreifen kann?
Timothy Wilson (2007) vergleicht unser Bewusstsein, Forscher sprechen auch vom Expliziten, mit einem winzigen Schneeball auf der Spitze des Eisbergs. Die meisten Prozesse kann es an unser Unbewusstes delegieren, Forscher sprechen vom Impliziten. Sie können sich dies ähnlich dem Autopiloten in einem Flugzeug vorstellen, das fast ohne Pilot fliegen kann. Die enorme Leistung des Unbewussten können Sie anhand folgender Zahlen erkennen: Bewusst kann unser Gehirn etwa 40-50 Bit Informationen verarbeiten, unbewusst verarbeiten wir 11.000.000 Bit (Scheier/Held, 2007).
Wie können Sie sich die Arbeit des Impliziten vorstellen? Zum Energiesparen arbeitet unser Gehirn mit Prinzipien, mit denen es sich seine Arbeit erleichtert: Zum Beispiel trennt unser Gehirn jene Aktivitäten, die bewusst ablaufen, Zeit und Energie kosten, von jenen Aktivitäten, die unbewusst ablaufen, schnell sind und wenig Energie verbrauchen. Durch diese Trennung kann unser Gehirn viele Arbeitsvorgänge parallel ausführen.
Unser Gehirn ist ständig aktiv und verarbeitet riesige Datenmengen. Selbst wenn wir hellwach sind, ist uns nur ein winziger Bruchteil dessen bewusst, was wir denken. Denn das Denken ist in erster Linie ein unbewusster Prozess, der hauptsächlich darin besteht, zu entscheiden, welche eingehenden Informationen wichtig sind und welche nicht. Das implizite System entscheidet, übernimmt das Steuer im Kopf, wenn Menschen unter Zeitdruck stehen, mit Informationen überlastet, wenig interessiert und unsicher hinsichtlich einer Entscheidung sind, zum Beispiel weil sich Unternehmen stark ähneln oder die Entscheidung sehr komplex ist und damit die begrenzten Kapazitäten des expliziten Systems nicht ausreichen (vgl. Scheier/Held, 2007).
Wie stark uns unbewusste Bewertungen und Entscheidungen im Arbeitsleben beeinflussen, zeigt sich zum Beispiel darin, dass das bloße Erscheinen einer Person auf dem Podium starke Gefühle in uns auslösen kann, ohne dass diese Person auch nur ein Wort gesprochen hätte. Diese Reaktion kann so stark sein, dass sie Entscheidungen weit stärker beeinflusst als uns bewusst ist und wir uns zugestehen wollen, weil wir unsere Entscheidungen – unserem Selbstverständnis gemäß – kritisch treffen (siehe ausführlich Herbst 2008a zur unbewussten Wirkung von Menschen im Arbeitsleben).
Steht der Mitarbeitende vor einer Entscheidung, zum Beispiel, ob dieser einen Unternehmensprozess unterstützt oder nicht, muss er nicht lange überlegen und wertvolle Energie investieren; stattdessen ruft er Erfahrungen und die damit gespeicherten Gefühle auf, um zu einer ersten, spontanen Einschätzung zu gelangen (siehe Kap. 2.3).
Wie das Unbewusste arbeitet, zeigt das Beispiel der Krise, zum Beispiel einem angekündigten Stellenabbau, der auch sie betreffen kann: Fühlen sich Menschen bedroht, aktiviert das Gehirn sein Stresssystem und wirft die alten, einfachen Notfallprogramme an: Angriff, Flucht, Erstarrung. In der wahrgenommenen Gefahr verringert Ihr Gehirn die Informationsmenge, die es zu verarbeiten hat. Das Gehirn will der Gefahr entkommen und hält sich möglichst an die einfachsten Muster wie Flucht („Ich geh sofort woanders hin“), Konfrontation oder Verleugnung („Mich wird es schon nicht treffen“). Schon minimale Signale können ausreichen, um solche unbewusste Verhaltensprogramme in Gang zu setzen. Dieser gesamte Prozess verläuft an unserem Bewusstsein vorbei – vom Wahrnehmen über das Entschlüsseln der Bedeutung bis hin zum Aktivieren unseres Verhaltens. Konsequenz für die interne Kommunikation ist, dass sie Menschen, die in einer Krise oder einem tief greifenden Veränderungsprozess im Unternehmen und sehr ängstlich und unsicher sind, vor allem in einfühlsamer persönlicher Kommunikation beruhigen und implizit ansprechen sollte, zum Beispiel durch Bilder und Geschichten (siehe Kap. 4).
Konsequenzen für die interne Kommunikation
Die interne Kommunikation sollte demnach unbewussten Prozessen künftig deutlich mehr Aufmerksamkeit schenken, weil sie es sind, die maßgeblich an der Auswahl, Interpretation und Bewertung von Informationen beteiligt sind und letztlich auch über das Verhalten der Mitarbeitenden entscheiden. Diese Prozesse sind den Mitarbeitenden bewusst nicht zugänglich. Würden wir eine Person nach diesen Prozessen fragen, könnte sie uns keine Auskunft darüber geben – sie hätte zwar immer eine Antwort parat, doch würde diese nicht den tatsächlichen Vorgängen im Unbewusstsein entsprechen. Was die Person bewusst abrufen könnte, wären zum Beispiel Informationen über das Unternehmen, wie Umsatzzahlen und Produktnamen; sie könnte uns auch sagen, ob sie das Unternehmen sympathisch findet oder nicht, weil ihr dies bewusst zugänglich ist.
Eine hervorragende Möglichkeit, mit Informationen das Unbewusste anzusprechen sind Geschichten (Storytelling; siehe Kap. 4.1). Hirnexperte Werner Fuchs schreibt (2006): „Nüchtern betrachtet ist unser Gehirn ein Datenverarbeitungssystem. Ein System, das Effektivität mehr belohnt als Vollkommenheit. Und obwohl es mit dem knappen Gut Energie sehr haushälterisch umgeht, beansprucht es etwa zwanzig Prozent des vorhandenen Sauerstoffs, was etwa dem Zehnfachen seines Körpervolumens entspricht. Dabei verbrennt die Großhirnrinde achtmal mehr Energie als die übrigen Teile des Gehirns. Die effizienteste Form der Datenverarbeitung zu wählen, ist daher unabdingbare Notwendigkeit, um vielfältige und komplexe Aufgaben meistern zu können. Und es gibt nun mal keine effizientere Methode als das Verpacken riesiger Datenmengen in eine Geschichte.“
Für die Erfolgskontrolle der internen Kommunikation hat dies zur Konsequenz, andere Methoden und Instrumenten wie bisher zu nutzen, um die Prozesse der Aufnahme, Verarbeitung und emotionalen Bewertung aufzudecken. Hierzu gehören reaktionszeitbasierte Methoden und Instrumente, bei denen die Befragten spontan antworten müssen, bevor sich der Verstand einschaltet (vgl. Herbst 2008).
2.2. Interne Kommunikation spricht Gefühlswelt an
Immer noch gehen viele Menschen davon aus, dass Gefühl und Verstand streng getrennt sind. Diesem Gegensatz entspricht die Vorstellung, dass die linke Hirnhälfte für das Denken zuständig sei, die rechte für das Fühlen. Diese strenge Trennung gibt es so nicht – tatsächlich bilden beide Systeme eine Einheit. Besonders im Wirtschaftsleben gilt die Devise, Entscheidungen streng rational zu treffen und mit triftigen Argumenten zu begründen: „Durchdenken Sie das noch einmal!“, „Haben Sie die Zahlen gründlich geprüft?“. Die Schweizer Psychologin Maja Storch (2005: 14) schreibt: „Gute Entscheidungen fallen emotions- und leidenschaftslos: Diese Vorstellung hat sich in unserem Alltagsverständnis so sehr festgesetzt, dass sie oftmals gar nicht mehr hinterfragt wird. Für viele Menschen aus dem Management zum Beispiel ist sie so selbstverständlich wie die Tatsache, dass sie Luft zum Atmen brauchen. Sie versuchen, ihre Gefühle in den Griff zu kriegen und üben sich im Pokerface. … Das Ideal, das viele Führungskräfte anstreben, ist der so genannte homo oeconomicus, ein Mensch, der sich in seinen Entscheidungen wie eine Rechenmaschine verhält.“ Doch schon ein kurzer Blick hinter die rationale Fassade offenbart ein völlig anderes Bild: Tatsächlich investieren Manager Jahre in ihre Ausbildung, lernen hart und lassen sich von der Erwartung antreiben, noch mehr Macht und Kontrolle auszuüben. Sie haben ein gutes Gefühl dabei. Neuropsychologe Häusel schreibt: „Logik, Präzision, Funktionalität, Effizienz und Leistung … Der Wunsch, der hinter dieser Art der Rationalität steckt, nämlich unsere Welt, unsere Umgebung, aber auch Produkte beherrschbar und berechenbar zu machen, ist demnach zutiefst emotional! … ›Rationalität‹ kann nicht das Gegenteil von Emotionalität sein.“ (Häusel, 2004: 58).
Die interne Kommunikation ist in den meisten Unternehmen vor allem darauf gerichtet, Informationen zu vermitteln („Informieren Sie ‚mal die Mitarbeiter darüber!“). Was die meisten Verantwortlichen nicht beachten ist, dass unser Gehirn diese Informationen danach bewertet, was die Informationen für die Mitarbeitenden bedeuten. Diese Bewertung übernimmt das limbische System, der Sitz der emotionalen Intelligenz. Das limbische System besteht aus einem Netzwerk von Bahnen und Kerngebieten in der Tiefe unseres Gehirns, zu denen neben der Amygdala (Mandelkern) noch andere Zellgruppen im Zwischenhirn gehören, die wiederum mit Teilen der Großhirnrinde verbunden sind. Die Kommunikation zwischen den einzelnen Teilen des Belohnungssystems läuft über den Botenstoff Dopamin, einen der so genannten Neurotransmitter, die Signale zwischen den Nervenzellen übermitteln. Die Ausschüttung des Glücksboten Dopamin nehmen wir als positives Gefühl wahr, das uns zum Handeln bringen kann. Im limbischen System sitzen auch die Wünsche, Motive und Emotionen des Menschen. Die allgemeine Funktion des limbischen Systems besteht darin, das zu bewerten, was das Gehirn tut (Roth, 1996: 209). Das Wirken des limbischen Systems erleben die Mitarbeitenden als begleitende Gefühle, die sie entweder vor bestimmten Handlungen warnen oder deren Handlungsplanung in eine bestimmte Richtung lenken.
Viele aktuelle Forschungsergebnisse bestätigen, dass Entscheidungen vor allem emotional fallen (Damasio, 2003, 2004; Roth, 1996, 2000, 2001, 2008). Dass Emotionen sogar Voraussetzung für rationale Entscheidungen sind, belegen die Arbeiten des weltbekannten Neurologen Antonio Damasio: Einige Patienten, die auf Grund von geschädigten Hirnregionen ihre Emotionalität eingebüßt hatten, verloren gleichzeitig ihre Fähigkeit, rationale Entscheidungen zu treffen. Fazit: Emotionen sind notwendige Grundlage für vernünftiges Handeln. Sein Fazit: Wer nicht fühlt, kann auch nicht vernünftig entscheiden oder handeln (Roth, 1996). Emotionen sind keine Störungen des vernünftigen Denkens, sondern Überlebenshilfe (Storch, 2005).
Wie arbeitet das limbische System? Das limbische System bewertet alle in das Gehirn der Mitarbeitenden einströmenden Informationen, wie emotional bedeutend diese für sie – ähnlich einer die Eingänge sortierenden Bibliothekarin. Haften bleibt im Gedächtnis, was das limbische System positiv oder negativ anrührt. Alles andere rauscht durch deren Gehirn hindurch. Besonders schnell sprechen das limbische System Geschichten, Bilder und emotionale Worte wie „Sicherheit“ und „Erfolg“ an. Langweilige und unbedeutende Informationen aktivieren das limbische System nur wenig. Ergebnis: An Informationen, die keine Gefühle ansprechen, erinnern sich die Mitarbeitenden kaum. Beispiele sind Begriffe wie „Rentabilität“ und „Deckungsbeitrag“, die, wenn überhaupt, nur eine begrenzte Zahl von Führungskräften anspricht.
Gefühle sind Lernturbo
Je stärker die Mitarbeitenden eine Information anspricht, weil sie emotional bedeutend für sie ist, desto besser lernen sie diese Informationen. Gefühle werfen einen »Lernturbo« an, sagt Hirnforscher Manfred Spitzer (2002). Natürlich lernen die Mitarbeitenden auch durch schlechte Erfahrungen, wie jeder weiß, der eine sehr unangenehme Begegnung mit seinem Vorgesetzten hatte. Dies sollte die interne Kommunikation unbedingt berücksichtigen.
Welche Informationen in den Langzeitspeicher der Mitarbeitenden gelangen und wie sie diese Erinnerungen abrufen, hängt demnach stark davon ab, welchen emotionalen Wert ihnen deren limbisches System beimisst. Dies ist auch für das lebenslange Lernen wichtig: Sowohl Erlebnisse als auch Fakten müssen die Mitarbeitenden im limbischen System verarbeiten, bevor sie sich an diese erinnern können – das limbisches System sorgt also für die Gedächtnisbildung. Dies bestätigt die moderne Forschung, die das Modell von einem Gedächtnis verändert hat, das lediglich Bilder oder Protokolle von Ereignissen ablegt und auf Anfrage hervorholt. Stattdessen verfügen Menschen über ein emotionales Filterprogramm, mit dem wir aus dem Strom der Erlebnisse fischen. Dieses Programm ist nicht starr, sondern es wird auf Grundlage unserer Erlebnisse laufend überarbeitet. Ebenso können wir Erinnerungen neu bewerten und somit ändern.
Die interne Kommunikation richtet sich bisher noch zu wenig an der Gefühlswelt ihrer Bezugsgruppen aus. Fakten stehen im Vordergrund, zum Beispiel im Intranet. Wenn es der internen Kommunikation um das Herstellen und Festigen von Beziehungen geht (was sie sogar im Namen trägt) und diese sind auch immer emotional, weil sich Menschen gut fühlen möchten, zum Beispiel sicher und geborgen, angeregt oder gestärkt. Auf die Bedeutung von Emotionen für die Kommunikation weist auch Thomas Knieper hin: „Auch wenn man Botschaften hundertmal wiederholt, werden sie nicht beachtet, sofern sie nicht in der Lage sind, einen emotionalen Eindruck zu hinterlassen. Dies gilt für alle Vorschriften, Hinweise, Lustquellen, Nachrichten – sie werden so lange ohne Wirkung bleiben, solange sie nicht gleichzeitig mit einem ›affektiven Stempel‹ oder ›Imprint‹ versehen werden.“ (Knieper, 2001: 119).
Diese Erkenntnisse haben für die interne Kommunikation zwei Konsequenzen: Die erste ist, dass die interne Kommunikation die Fakten stets in ihrer emotionalen Bedeutung für die Mitarbeitenden darstellen sollten: Wie also ist die neue Qualitätsoffensive emotional zu bewerten? Welches gute Gefühl geht vom neuesten Produkt aus: Faszination? Stärke? Sicherheit? Typische Aussagen wie: „Wir sind ein international tätiges Unternehmen“, sind aus Sicht des Gehirns der Mitarbeitenden meist ziemlich bedeutungslos, denn es bleibt offen, was dies für deren Gefühlswelt bedeutet: Bringt es ihnen Sicherheit und Fürsorge, weil das Unternehmen weltweit vertreten ist? Können sie hierdurch Neues entdecken, weil das Unternehmen diese weltweit sucht und für die Bezugsgruppen auswählt? Oder macht sie dies stärker und leistungsfähiger, weil das Unternehmen Experten in Kompetenzzentren zusammenfasst, um die Leistung seiner Kunden zu steigern? Essenziell für die interne Kommunikation ist daher, zuerst jene bedeutenden Gefühle aufzudecken und zu berücksichtigen, die aus Sicht der internen Bezugsgruppen mit dem Unternehmen und seinen Leistungen verbunden sind, damit diese die Botschaften aufnehmen, verarbeiten und speichern.
Die zweite Konsequenz ist, dass die interne Kommunikation ein eigenständiges, langfristiges Erlebnisprofil aus einzigartigen positiven Gefühlen aufbaut, die die internen Bezugsgruppen mit dem Unternehmen verbinden, um deren limbisches System anzuregen. Storytelling ist hierfür hervorragend geeignet. Hierzu gibt das Unternehmen ein emotionales Belohnungsversprechen ab, das es aufgrund seiner besonderen Fähigkeiten einzigartig erbringt (vgl. Herbst 2008). Dieses Versprechen kann darin bestehen, dass das Unternehmen beiträgt, das Bedürfnis nach Sicherheit, Bindung und Fürsorge zu befriedigen, nach Anregung und Wandel oder nach Status und Überlegenheit. Wer jetzt einwendet, das Belohnungsversprechen sei nur für Konsumgüterhersteller möglich, der irrt: Selbst ein Maschinenbauer kann auf höchst emotionale Werte wie Präzision und Perfektion setzen.
Verstand rechtfertigt Entscheidungen
Der Verstand ist für Entscheidungen natürlich auch wichtig, aber anders, als bislang gedacht: Es scheint oft so, als ob wir eine Entscheidung, die wir aus unserem Gefühl heraus getroffen haben, im Nachhinein mit Sachargumenten rechtfertigen. Hirnforscher Gerhard Roth vergleicht das Ich mit einem Regierungssprecher, der Entscheidungen interpretieren und legitimieren muss, deren Gründe und Hintergründe er gar nicht kennt und an deren Zustandekommen er zudem nicht beteiligt war (Roth, 2001: 370). Das Rechtfertigen von Entscheidungen ist laut Neuromarketingexperte Fuchs (2006) sogar die wesentliche Funktion der Sprache. Es sei ein Missverständnis, dass Sprache dem Austausch von Wissen und der Vermittlung von Einsichten diene. „Doch dem ist nicht so. Sprache dient in erster Linie der Legitimation des überwiegend unbewusst gesteuerten Verhaltens vor uns selbst und vor anderen. Was wir das bewusste Ich nennen, muss sich permanent bestätigen.“
Doch selbst für den Verstand spielen Emotionen eine wichtige Rolle: Vor allem der vordere Teil des Gehirns scheint Wege und Wahrscheinlichkeiten zu berechnen, wie wir möglichst viel Wohlbefinden mit möglichst geringem Aufwand erzielen können. Hieraus entsteht ein Handlungsplan, den unser Gehirn in Handeln umsetzt (Häusel, 2004). Verstand und Emotionen sind demnach eng verknüpft. Beide Auswertungssysteme sind jedoch unterschiedlich spezialisiert: Prüft der Verstand eine Handlung kritisch, dauert dies länger als dies unbewusst erfolgt, aber die Ergebnisse sind präzise und detailliert. Emotionale Bewertungen erfolgen schnell, aber die Ergebnisse sind diffus und detailarm. Der Mensch hat ein ungutes Gefühl, kann sich dies aber nicht erklären, weil die Prozesse zur Entstehung meist unbewusst sind. Der Mensch erhält eine erste Orientierung, bevor sich der Verstand zuschaltet und die Situation genauer unter die Lupe nimmt. Der Verstand ist auch dann wichtig, wenn noch keine Erfahrungen gespeichert sind, die der Mensch für eine Entscheidung heranziehen kann. Bieten Sie neuartige Leistungen auf einem Markt, zu denen es dort noch keine Erfahrungen gibt, sollten Sie auch Informationen für den Verstand anbieten.
2.3. Belohnungen durch interne Kommunikation
Interne Kommunikation kann Gefühle in den Bezugsgruppen auslösen, so dass diese im Sinn des Unternehmens entscheiden und handeln. Werfen wir einen Blick in jene beiden Systeme, die hierbei grundsätzlich angesprochen sind; danach lernen Sie die Grundmotive des Menschen kennen, also jene Handlungsantriebe, die ihn durch sein Leben leiten und auf deren Grundlage Entscheidungen und Handlungen zustande kommen.
Das Angstsystem und das Belohnungssystem
Menschen handeln auf der Grundlage von zwei grundlegenden Systemen: dem Angstsystem und dem Belohnungssystem. Das Angst- und Fluchtsystem entscheidet, was wir meiden; hierdurch sollen wir Gefahren entgehen. Das Belohnungssystem entscheidet, was wir suchen; dies soll unser Wohlergehen steigern. Gefahren meiden und Wohlbefinden suchen, ist Leitmotto unseres Gehirns. Beide Systeme sind nicht gleichwertig, denn es ist für das Überleben wichtiger, Gefahren zu meiden statt sich um das Wohlergehen zu kümmern.
Das Angst- und Fluchtsystem ist sehr alt und bei Gefahren aktiv. Der Mensch soll schnell reagieren, um der Gefahr zu entkommen. Dies erfolgt unbewusst, weil der Verstand eine zu lange Zeit brauchen würde und die Ergebnisse seiner Arbeit zu detailgenau wären als in der Situation erforderlich. Angst ist also ein schlechter Lehrmeister für alles, was wir tun sollen. Für das, was wir tun sollen, haben wir ein anderes System: Unser Belohnungssystem. Das Belohnungssystem soll das Handeln steuern, indem es den Menschen mit guten Gefühlen belohnt, wenn dieser so handelt, wie es ihm gut tut. Das Belohnungssystem ist Teil unseres limbischen Systems, dem Sitz unserer emotionalen Intelligenz (siehe Kap. 2.2). Das Belohnungssystem sorgt dafür, dass wir Vorfreude empfinden, wenn wir an die Begegnungen mit Menschen im Unternehmen oder eine befriedigende Tätigkeit denken. Besonders aktiv ist es, wenn diese Begegnung unsere Erwartungen übertrifft. Umgekehrt fällt die Erregung ab, wenn die erwartete Belohnung ausbleibt, zum Beispiel wenn ein Unternehmen unsere Erwartungen enttäuscht – wenn es etwa Unterstützung oder Informationen versagt, um die wir gebeten haben. Was lernen wir hieraus? Unser Gehirn ist gebaut zum Lernen. Glück ist der Mechanismus, über denen wir lernen, was gut und wichtig für uns ist. Wir lernen also nicht, um glücklich zu sein, sondern wir sind glücklich, damit wir lernen.
Fazit für die interne Kommunikation: Das Belohnungssystem entscheidet, was die Mitarbeitenden suchen. Die interne Kommunikation sollte daher das Belohnungssystem ansprechen. Sind die Erwartungen der Mitarbeitenden übertroffen, zum Beispiel durch unerwartet positive Kommunikation, lernen diese besonders gut und handeln auch positiver: Das Belohnungssystem und das Bewegungssystem liegen übrigens im Gehirn dicht beieinander.
Bedeutung von Erfahrungen
Wesentliche Hilfe beim Vermeiden von Gefahren und dem Suchen von Belohnungen leisten Erfahrungen und Erwartungen: Mit unseren Erfahrungen speichern wir, ob eine Handlung uns gut getan hat. Mit den Erwartungen schätzen wir ab, ob uns eine geplante Handlung gut tun wird. „Das Muster der Gedanken besteht also aus Erinnertem und Gefühltem, in Verbindung mit eingehenden Informationen, die im Netz der Muster miteinander verknüpft werden, um zu entscheiden, was ist, was sein soll oder was sein wird.“ (Schwarz, 2006: 123).
Erfahrungen sind deshalb wichtig, weil die Mitarbeitenden alle wichtigen Erfahrungen gemeinsam mit einer Bewertung in seinem Gedächtnis ablegen, ob diese Erfahrung positiv oder negativ für sie war: War die Begegnung mit einem Unternehmen angenehm oder unangenehm? Ist die interne Kommunikation für sie befriedigend verlaufen? Stehen diese Menschen vor einer Entscheidung, rufen deren Gehirne diese gespeicherten Erinnerungen ab – dies hilft bei einer Entscheidung für das Handeln schnell und zuverlässig.
Mehr noch: Gemeinsam mit unseren Erfahrungen und deren emotionalen Bewertungen legen wir auch ein Körpergefühl ab – unser emotionales Erfahrungsgedächtnis entsteht, wie es der Hirnforscher Gerhard Roth genannt hat (2000, 2001, 2008). Unser emotionales Erfahrungsgedächtnis ist ein Zusammenschluss von mehreren Teilgebieten unterhalb der Großhirnrinde, die für unsere Entscheidungen wesentlich sind. Es speichert Gefühle und Köperempfindungen. Das emotionale Erfahrungsgedächtnis entsteht schon im Mutterleib und begleitet uns unser gesamtes Leben lang. Sie können davon ausgehen, dass das Gehirn der Mitarbeitenden ein emotionales Einnahmen- und Ausgabenbuch führt (vgl. Storch, 2005). Auf der Habenseite schlagen die positiven Erfahrungen zu Buche, auf der Soll-Seite die negativen Erlebnisse. Sie entscheiden sich für oder gegen ein Unternehmen und wissen nicht, dass die Entscheidung schon längst unbewusst gefallen ist. Emotionen können uns also vor Handlungen warnen und unser Handeln ausrichten.
Wie plant das Gehirn Handlungen auf der Grundlage des emotionalen Erfahrungsgedächtnisses? Sollen die Mitarbeitenden etwas entscheiden, erzeugen deren Gehirne Vorstellungsbilder, die wie innere Filme ablaufen. Diese inneren Filme laufen fast gleichzeitig ab und sie sind uns meist unbewusst. Die inneren Filme vergleicht das Gehirn mit ähnlichen Situationen aus dem Erfahrungsschatz, den das emotionale Erfahrungsgedächtnis gesammelt hat. Findet es eine vergleichbare Situation, löst es blitzschnell und automatisch die damit verbundene Bewertung aus. Das Ziel: Gute Erfahrungen wiederholen sie, schlechte meiden sie. Beispiel Wissensmanagement – eigentlich ein nützliches und überzeugendes Konzept. Die Praxis zeigt aber, dass die Beschäftigten die Idee oft nicht unterstützen. Woran kann das liegen? Ein Grund ist, dass sich die Mitarbeiter vorstellen, was passiert, wenn sie ihr Wissen weitergeben. Als Folge befürchten sie Machtverlust, Bedeutungsverlust, Austauschbarkeit. Konsequenz: Ihr Gehirn entscheidet, das Wissen nicht weiterzugeben. Wichtig ist daher für die interne Kommunikation, die Erfahrungen der Bezugsgruppen zu beachten, zum Beispiel im Umgang mit Unternehmen und dessen Führungskräften. Immer wieder gibt es neue Manager in einem Unternehmen, die beschließen, Vergangenes ab sofort zu vergessen. Welche Ignoranz der Arbeit unseres Gehirns!
Neue Informationen versuchen die Mitarbeitenden in die vorhandenen Erfahrungen einzuordnen (Damasio, 2004). Wenige Informationen können ausreichen, eine erste Bewertung vorzunehmen, schnell, unkontrolliert und unbewusst. Was geschieht, wenn die Mitarbeitenden noch keine Erfahrungen gemacht haben, die sie für ihre Bewertung heranziehen können? Hier kommt deren emotionales Erfahrungsgedächtnis an seine Grenze: In neuen Situationen kann es ähnliche Erfahrungen suchen, indem es verallgemeinert und auf Muster zurückgreift: „Alle Führungskräfte sind autoritär und informieren schlecht“. Das Problem ist, wenn das verallgemeinerte Muster nicht passt. Das Unternehmen sollte daher die Bewertung durch seine Bezugsgruppen sehr aufmerksam verfolgen und in der internen Kommunikation berücksichtigen.
Erwartungen spekulieren über mögliche Gewinne
Eng verbunden mit den Erfahrungen sind die Erwartungen, denn die Erfahrungen dienen dazu, Erwartungen vorherzusagen, auf deren Grundlage wir entscheiden. Hierbei nimmt unser Gehirn die Wirkung seines Handelns vorweg und fragt, wie es sich fühlen würde, wenn es in einer bestimmten Weise handelte (Damasio, 1994, 2004): Wie werde ich mich fühlen, wenn ich das neue Innovationsprogramm meines Unternehmens unterstütze? Da wir ein soziales Gehirn haben (siehe Kap. 1), fragt es sich auch, wie wir auf andere wirken würden, wenn wir handeln.
Das Gehirn prüft also auf der Grundlage von Erfahrungen alle eingehenden Informationen daraufhin, welche Konsequenzen sie haben, also was der Mitarbeiter erwarten kann. Damasio schreibt, dass diese Vorstellungen keinen zusammenhängenden Film bilden, sondern nur Schlüsselbilder dieser Szenen aufblitzen lassen. Wir sehen Schlüsselelemente in großen Umrissen und gleichzeitig, ohne Einzelheiten erkennen zu können. In dieser Situation greift das Gehirn blitzschnell auf Erfahrungen zurück, wenn diese vorhanden sind. Weisen diese Erfahrungen samt der damit gespeicherten Körperzustände darauf hin, dass eine geplante Handlung unangenehme Folgen für uns haben könnte, werden wir die Handlung vermeiden. Wir können auf diesen Speicher schnell zugreifen und müssen nicht lange überlegen, wenn entsprechende positive Erfahrungen vorliegen. Von all dem bekommen sie fast nichts mit.
Konsequenz für die interne Kommunikation: Sie sollte – unter Berücksichtigung der Erfahrungen der Bezugsgruppen – klare Erwartungen an eine einzigartige Belohnung erzeugen: Was kann die Bezugsgruppe vom künftigen Handeln erwarten. Aber auch: Was kann sie nicht erwarten. Das Unternehmen sollte in seiner internen Kommunikation verdeutlichen, dass es dies nicht kann oder will und es sollte dies begründen. Sie sollten den internen Bezugsgruppen ein klares Vorstellungsbild davon ermöglichen, was diese von einer Information, zum Beispiel einer Entscheidung, zu erwarten haben und welche Emotionen damit verbunden sein werden. Dies kann darüber entscheiden, ob eine Bezugsgruppe ein Anliegen Ihres Unternehmens unterstützt oder nicht.
Was belohnend sein kann
Die Mitarbeitenden bewerten Informationen über ihr Unternehmen anhand der Bedeutung, die diese Informationen für ihr Wohlbefinden haben. „Dabei gilt für alle Lebewesen, dass nur solche Informationen aufgenommen werden, die für den Organismus bedeutsam sind. Die Sinnessysteme, die Informationen aufnehmen, sind also bereits Filter im Hinblick auf bedeutsame Informationen. Es findet bereits eine … informatorische ‚Müllbeseitigung‘ statt. Es wird nur das zur Kenntnis genommen, was wichtig ist oder was wichtig sein könnte.“ (Pöppel, 2008: 46) Die Frage für die interne Kommunikation lautet daher, welche Bedeutung die Informationen für die internen Bezugsgruppen haben und welche belohnenden Gefühle sie auslösen können, die deren Handeln steuert? Welches sind also die Gefühle, die letztlich auch über die Unterstützung Ihrer internen Bezugsgruppen entscheiden?
Von Norbert Bischof (1989) stammt das Zürcher Modell der sozialen Motivation. Der Psychologe nennt drei Grundmotive, die Menschen auf aller Welt durchs Leben leiten: Sicherheit, Erregung, Autonomie:
- Sicherheit: Der Mensch trägt das Bedürfnis nach Beständigkeit, Stabilität, Sicherheit und Ausgleich in sich. Er sehnt sich nach Bindung und Fürsorge, Heimat und Tradition. Dieses Motiv ist angesprochenen, wenn es um den Wunsch der Mitarbeiter nach einem sicheren Arbeitsplatz geht oder der Wunsch nach gutem Betriebsklima und gelungener Zusammenarbeit der Mitarbeitenden.
- Erregung: Der Mensch sucht neue Reize, er will einzigartig sein, aus dem Gewohnten ausbrechen und aktiv sein. Aus diesem Motiv heraus suchen Mitarbeiter neue Aufgaben und sie wollen Dinge anders tun als bisher.
- Autonomie: Der Mensch will nach oben streben, Leistung zeigen, Erfolg und Überlegenheit genießen, sich gegen andere durchsetzen, sein Territorium erweitern. Die interne Kommunikation kann dieses Motiv ansprechen durch die Erwartung an höhere Leistung durch eine neue Maschine oder Karrieremöglichkeiten durch den Zukauf eines anderen Unternehmens.
Die individuelle Stärke der 3 Grundmotive entscheidet letztlich auch über den Beruf, den ein Mensch sucht: Künstler sind stärker vom Erregungsmotiv gesteuert, Controller von Autonomie und Kontrolle, Krankenpfleger vom Sicherheitsmotiv. Die Motive bestimmen auch, wie Menschen denken: Sind sie eher ängstlich, suchen sie Sicherheit, sehen genauer hin und beachten Details. Streben sie nach Autonomie und Überlegenheit wenden sie stärker Regeln an und wollen regeln. Das Erregungsmotiv erweitert den Handlungsspielraum durch ungewöhnliches und kreatives Denken.
Jedes Motivsystem hat eine positive und eine negative Seite, die gute suchen wir, die schlechte meiden wir – Sie haben in diesem Kapitel bereits das Angst- und Fluchtsystem sowie das Belohnungssystem kennen gelernt. So steuert uns das limbische System durchs Leben. Wir meiden Angst und Unsicherheit und suchen stattdessen Sicherheit und Geborgenheit. Wir meiden Niederlagen, Ärger, Wut und Unzufriedenheit und suchen stattdessen Überlegenheit, Siegesgefühl, Lob. Statt Langeweile suchen wir Genuss, Prickeln, Spaß, Spannung und Abwechslung.
Ein Beispiel, wie unterschiedliche Motive zu Herausforderungen für die interne Kommunikation werden: Ein Unternehmen will seine Position auf den internationalen Märkten durch schnelle und tief greifende Veränderungen ausbauen und sich schnell ausdehnen (Autonomie); jedoch suchen die Mitarbeiter im Heimatland Sicherheit, Veränderungen lösen Unsicherheit und Angst aus – zumindest drastische und schnelle. Die meisten Mitarbeiter sind deshalb nur dann für den Wandel zum internationalen Unternehmen zu gewinnen, wenn sie erst einmal erfahren, was ihnen bleibt, was ihnen auch weiterhin Halt und Orientierung gibt. Erst wenn die Mitarbeiter abschätzen können, auf was sie künftig bauen können, sind sie bereit, sich mit den Veränderungen und ihren Konsequenzen zu beschäftigen.
Eine Information kann für jede interne Bezugsgruppe eine andere Bedeutung haben: Für Führungskräfte eine andere wie für Auszubildende. Und auch innerhalb einer einzigen Bezugsgruppe kann eine Information unterschiedlich bedeutend sein, wie im Fall der Restrukturierung eines Unternehmens, die der eine Mitarbeiter als bedrohlich erlebt, der andere hingegen sieht darin seine Karrierechance. Als Aufgabe in einem Kommunikationskonzept zu formulieren: „Den Mitarbeitern die Chancen des Wandels aufzeigen“, ist zu undifferenziert, weil es die unterschiedlichen Motive und Emotionen nicht berücksichtigt: Ein Teil der Mitarbeitenden wird den Wandel nicht als Chance, sondern als Bedrohung mit dem damit verbundenen Gefühl von Angst empfinden. Deutlich wird auch, warum eine einzige Broschüre nur sehr schwer die gesamte Belegschaft mit den unterschiedlichen Motiven erreichen kann, auch wenn dies in der Praxis immer wieder versucht wird: Ihr wird es in der Regel nicht gelingen, die Bedeutung jeder Information darzustellen.
3. Interne Kommunikation am Beispiel des Wandels
Wandel ist Thema in allen Unternehmen. Die Gründe hierfür sind unter anderem der zunehmende Wettbewerb in allen Branchen, die Angleichung von Produkten sowie das nachlassende Interesse der Konsumenten. Der Wettbewerbsdruck wird in den kommenden Jahren weiter steigen. Die Unternehmen reagieren hierauf, indem sie komplexer, internationaler und schneller werden. Sie ändern sich deutlich schneller als früher. So notwendig der Wandel der Unternehmen einerseits ist: Aus Sicht der Mitarbeitenden ist dieser jedoch auch mit zahlreichen gravierenden Herausforderungen verbinden: Diese brauchen ein klares Vorstellungsbild davon, wofür ihr eigenes Unternehmen eigentlich noch steht und wie es künftig erfolgreich sein will (vgl. Herbst 2004, 2008). Durch den Wandel geht Sicherheit verloren. Wichtig für die interne Kommunikation ist daher, zu sagen, was bleibt und damit Halt und Orientierung gibt und was sich ändert.
Veränderungen in Unternehmen stellen besonders hohe Anforderungen an die interne Kommunikation, denn die Veränderungen können tief greifende Auswirkungen für alle Beteiligten haben (Mohr 2002). Welche Erkenntnisse liegen aus der Hirnforschung über Veränderungen vor?
Veränderungen kosten das Gehirn massiv Energie
Das oberste Prinzip im Gehirn lautet, möglichst wenig Energie zu verbrauchen (siehe Kap. 2.1). Grob gesagt, prüft unser Unbewusstes bei neuen Informationen bestehende Routinen und Schubladen, ob wir unser Verhalten wie bisher fortsetzen können. Außerdem prüft es, ob sich unser Bewusstsein und unser Verstand zuschalten müssen („Konflikt-Monitoring“). Schaltet sich das Bewusstsein und der Verstand zu, werden wir kritisch: „Das bringt doch sowieso nichts!“, „Das ist doch alter Wein in neuen Schläuchen!“ sind typische Aussagen. Am Ende entscheidet der Autopilot Trifft 95 Prozent unserer Entscheidungen. Kommunikation mit Beschäftigten meist über den Piloten: Informieren, mit Argumenten überzeugen. Aber: Nur wenn Autopilot überzeugt ist, kann nachhaltige Veränderung entstehen.
Das Gehirn prüft Veränderungen auf Gefahren oder Wohlbefinden.
Kap. 2.3 hat gezeigt, dass Menschen grundsätzlich durch zwei Systeme durch Leben steuern: Das Angst- und Fluchtsystem sowie das Belohnungssystem. Aus schlechten Erfahrungen lernen wir besser als aus guten, weil es für unser Überleben wichtiger ist, Gefahren zu meiden als uns wohl zu fühlen. Verbinden wir mit dem Wandel das Gefühl der Angst, wollen wir weitere negative Gefühle vermeiden und versuchen, ihm möglichst aus dem Weg zu gehen. Damit nicht genug: Angesichts der erlebten Angst fällt es den Mitarbeitenden schwer, Aufgaben kreativ zu lösen. Der Grund ist, dass sich in Gefahren alles darauf konzentriert, den Quellen der Angst zu entkommen – das Denken ist dann stark eingeengt, kreatives und freies Denken sind stark behindern, da das Gehirn sich möglichst an die simpelsten, irgendwie funktionierenden Schema hält (Spitzer 2002). Mögliche Reaktionen auf vorweggenommene Gefahren durch den Wandel sind:
- Flucht: Die besten gehen als Erstes, Krankmachen
- Angriff: Aggressionen, Mobbing
- Tot stellen: Innere Kündigung, Dienst nach Vorschrift
- Falls nicht möglich: „Schutzhemmung“, z.B. durch Selbstangriff (Depressionen) oder Ignoranz/Abstumpfung
Die Herausforderung in der internen Kommunikation liegt darin, bei Angst die Beschäftigten zu beruhigen und ihnen dann die Belohnung durch den Wandel aufzuzeigen. Da sich dies stark in der Belegschaft unterscheiden, sollte der Schwerpunkt auf die persönliche Kommunikation durch die Führungskräfte gelegt werden.
Informationen werden unterschiedlich emotional bewertet
Sehr oft geht es in der internen Kommunikation um einseitige Kommunikation. Der Geschäftsführer informiert über den Wandel und fügt hinzu: „Wandel ist gut“. Diesem Vorgehen liegt die Annahme zugrunde, der Mitarbeiter werde die Informationen des Firmenchefs verstehen und die Argumente schlicht übernehmen. Dagegen weist die moderne Hirnforschung darauf hin, dass die Aufnahme, Verarbeitung, Bewertung und Speichern von Informationen ein subjektiver, höchst dynamischer und komplexer Prozess ist. Was bedeutet dies aus Sicht der Mitarbeitenden? Diese prüfen auf Grundlage ihrer bisherigen Erfahrungen (z.B. mit dem Unternehmen, mit Wandel, mit der Führungskraft) sowie anhand von Erwartungen, welche Konsequenzen der Wandel für sie hat (siehe Kap. 2.3): „Werde ich auch morgen noch meine Arbeit gut erledigen können?“, „Wird mein Arbeitsplatz sicher bleiben?“. Das Ergebnis dieser subjektiven, stark emotionalen Bewertung aus Sicht der betroffenen Mitarbeitenden lautet dann oft genug: „Wandel ist bedrohlich!“. Zum Beispiel stimmten nur 16 Prozent der Mitarbeitenden in der Studie von Thomson/Hecker (2000) der Aussage voll und ganz zu: „Ich glaube an die Vision meines Unternehmens für die Zukunft“.
Fazit für die interne Kommunikation
Wichtig für die interne Kommunikation wäre daher, die Prozesse der Aufnahme von Informationen, das Deuten, Interpretieren und Bewerten durch die Betroffenen zu berücksichtigen, um durch Informationen, Argumente und auch Gefühle (z.B. Beruhigung) die Beschäftigten für den Wandel zu gewinnen. Schauen wir uns hierzu die Prozesse der Entscheidungsfindung an (vgl. Pöppel, 2008, 36):
1. Das Gehirn bestimmt die Sachverhalte und vergleicht die damit gegebenen Kategorien miteinander: Was bedeutet der Wandel; Was geschieht, wenn es keinen Wandel gibt?
2. Das Ergebnis ist die Wahl zwischen Alternativen
3. Wahl ist die Grundlage für Entscheidung
- Entscheidung ist Grundlage der Handlung
- Handlung kann im nächsten Zyklus neue mentale Kategorie erzeugen
Welche Aufgaben lassen sich hieraus für die interne Kommunikation ableiten, wenn diese die Beteiligten für den Wandel gewinnen will? Erstens, die Beteiligten brauchen ein klares Vorstellungsbild davon, warum es den Wandel gibt und welche Bedeutung dieser für sie hat im Vergleich zur Fortsetzung des bisherigen Vorgehens. Zweitens, sollte die interne Kommunikation unterschiedliche Kategorien aus dem jetzigen Zustand und dem künftigen Vorgehen bilden, damit die internen Bezugsgruppen schneller und gezielter entscheiden können: Warum ist die Veränderung belohnender als die Stagnation?
4. Weitere Empfehlungen für gehirngerechte interner Kommunikation
4.1. Geschichten sprechen das Gehirn an
In ihrer internen Kommunikation versuchen Unternehmen ihren internen Bezugsgruppen ein klares, einzigartiges Vorstellungsbild von ihrem Unternehmen zu ermöglichen. Diese Bezugsgruppen wissen dann, wofür das Unternehmen steht, was sie von ihm erwarten können und was nicht. Dieses Vorstellungsbild führt dazu, dass sich diese Bezugsgruppen positiver gegenüber dem Unternehmen verhalten als ohne dieses Vorstellungsbild. Storytelling kann hervorragend dazu beitragen, das klare Vorstellungsbild vom Unternehmen langfristig zu entwickeln.
Geschichten in der internen Kommunikation wirken auf die Mitarbeitenden besonders stark, weil diese an die Grundprinzipien des Gehirns anknüpft, an dessen Aufnahme, Verarbeitung und Speicherung. Storytelling ist gehirngerechte Kommunikation (vgl. Herbst 2008). Neuroexperte Werner Fuchs (2006): „Es gehört zu den Geniestreichen der Evolution, Informationen in Form von Geschichten zu verarbeiten, zu speichern und zu weiterzugeben. Denn nur so schafft es unser Gehirn mit seinen über 100 Milliarden Nervenzellen Muster zu knüpfen, mit denen sich Voraussagen treffen lassen und die damit der Fortpflanzung, Anpassung und dem Überleben dienen.“
Gehirngerecht sind Geschichten deshalb, weil sie bildhaft, bewegungsnah und anschaulich sind. Sie haben nicht das Ziel, möglichst viele Informationen über das Unternehmen zu vermitteln, sondern Schlüsselinformationen, anhand derer die Mitarbeitenden entscheiden können, ob sie das Unternehmen durch ihr Handeln unterstützen oder nicht. „Geschichten sind offenbar eine höchst ökonomische Art, mit der Komplexität der Welt umzugehen. Sie setzen unterschiedliche Akteure in einer spannenden, die Emotionen … fesselnden und daher gut merkbaren Form zueinander in Beziehungen … Sie integrieren in einzigartiger Weise kognitive und emotionale Schemata und werden so zu einem der wichtigsten Interpretationsrahmen, die wir als Menschen zur Deutung unserer Erfahrungen verwenden. (Simon, 2004: 179). Über die reinen Fakten hinaus erzählen sie den internen Bezugsgruppen, was im Unternehmen wichtig ist, was das Denken und Handeln in ihm leitet und wie es eine einzigartige Belohnung bietet.
Wie wichtig Geschichten für das Gehirn sind, zeigt sich darin, dass der Mensch eigene neuronale Netzwerke hat, die sich um das Speichern von Geschichten kümmern – Gedächtnisforscher sprechen vom episodischen Gedächtnis. In diesem Gedächtnissystem legen Menschen ihre eigenen Lebenserfahrungen ab, wie Erinnerungen an die Kindheit und den ersten Arbeitstag; daher nennen einige Wissenschaftler dieses Gedächtnissystem biografisches Gedächtnis. Dieses Gedächtnissystem verfügt über enorme Kapazitäten, weil es für den Menschen sehr wichtig ist, auf dieses Wissen zuzugreifen.
Veränderungen im Unternehmen sind dann am besten zu verstehen, wenn die Mitarbeitenden wissen, woher das Unternehmen kommt, wo es steht und wohin es sich entwickeln will. Die bisher übliche Kommunikation von Entscheidungen wird ersetzt durch die Kommunikation von Prozessen (Prozesskommunikation statt Ergebniskommunikation). Zu den Kernelementen des Storytelling gehören Konflikt, Alternative und Lösung. Welche Form könnte besser geeignet sein, die Entwicklung eines Unternehmens und die dafür notwendigen Veränderungen aufzuzeigen, als Storytelling? Stephen Denning (2005, 2007) hat in seinen Büchern ausführlich beschrieben, wie er Geschichten über den Wandel im Unternehmen anhand seiner Technik der ‚Springboard Story’ begleitet. In seiner Variante des Storytelling verwendet er Geschichten als Sprungbrett, um den Wandel in Gang zu setzen und zielorientiert zu führen. Die Zuhörer machen einen ‚mentalen Sprung’, wenn sie Geschichte hören, daraufhin ‚springen’ sie in eine ähnliche Situation.
Ein Beispiel soll verdeutlichen, welchen Vorteil die Anwendung von durch Storytelling im Wandel hat: Ein deutsches Telekommunikationsunternehmen agiert in einem sehr hart umkämpften und sehr dynamischen Markt. Die Unternehmensleitung muss Entscheidungen treffen, die sich als richtig oder als falsch erweisen können. Dies ist Grundprinzip unternehmerischen Handelns. Das Risiko besteht also, dass eine Entscheidung auch falsch gewesen sein kann, zum Beispiel weil die Grundannahmen nicht zutreffen oder sich der Wettbewerb zwischenzeitlich ändert. Jedoch kann dies bei den Beschäftigten so ankommen, dass die Unternehmensleitung nicht weiß, was sie will. Wird dagegen das Handeln des Unternehmens als Geschichte erzählt, kann dies die Zusammenhänge verdeutlichen und erklären, warum das Unternehmen Entscheidungen zurücknehmen oder ändern muss (siehe hierzu ausführlich Herbst 2008).
Die Geschichte, die die interne Kommunikation erzählt, hat Akteure, es gibt eine Bühne, auf der etwas geschieht (Heimatland, Welt, Börse etc.). Was Geschichten besonders für die interne Kommunikation interessant macht: Sie handeln vom Wandel und es gibt immer einen Konflikt: Der Starke kämpft für den Schwachen, der Reiche kämpft für den Armen. Konflikte im Umfeld von Wandel im Unternehmen sind zum Beispiel: Der Kunde möchte gerne, aber das Unternehmen kann dies noch nicht bieten. Er will wenig zahlen, aber das Unternehmen ist noch zu teuer. Das Unternehmen muss sich verändern, aber es ist noch zu starr. Denken wir an den amerikanischen Traum, wonach viele Menschen einer Geschichte folgen, die sie antreibt: Genauso ist es mit der Geschichte des Unternehmens: Das Unternehmen kann eine gute Geschichte erzählen, von der die Mitarbeitende Teil sein wollen.
4.2. Interne Kommunikation sollte stark bildhaft sein
Die interne Kommunikation ist bisher vor allem an Texten orientiert. Das zentrale Problem der Schriftsprache im Vergleich zum Bild ist heutzutage, dass die Menschen von Informationen überlastet und die Medien zunehmend visualisiert sind. Die Mitarbeitenden müssen die Texte lesen, ein Aufwand, den immer weniger Menschen betreiben. Gleichzeitig werden die Medien immer visueller:
Der Mensch schaut lieber Bilder, als dass er liest. Jeder kennt das Gefühl bei Vorträgen: Folien mit reinen Textwüsten überfordern und langweilen schnell. Gute Bilder aktivieren und interessieren. Nach einem Vortrag erinnern Zuhörer häufig nur die Bilder und die zentralen Schlagworte. Spaß, Angst, Frische, Glück, Zufriedenheit, Stolz lassen sich eindrucksvoller, greifbarer, viel lebendiger, nachhaltiger und durchdringender zeigen als sagen. Wie wichtig Bilder sind, zeigt sich daran, dass sich der Mensch in seiner Umwelt stark visuell orientiert: Über 80 Prozent aller Informationen nehmen wir über unsere Augen auf. 60 Prozent der Gehirntätigkeit sind dem Wahrnehmen, Verarbeiten und Speichern von Bildern gewidmet. (Gegenfurtner/Walter/Braun, 2002: 69).
Veränderungsprozesse in Unternehmen lösen für die beteiligten Mitarbeiter häufig spontan schlechte Gefühle aus. Diese Prozesse, die mit einem hohen wahrgenommenen persönlichen Risiko einhergeht, werden mit abstrakten, emotional kaum ansprechenden Begriffen wie „Change“ bekannt. Über dies sind abstrakte Folien zu sehen, was es dem Hirn erschwert, sich ein klares Bild zu machen und eigene Erwartungen abzuleiten. Stattdessen sollte in der internen Kommunikation positive Bilder von möglichen Zukunftsszenarien zu sehen sein. Diese vermitteln den Mitarbeitenden einen klaren Eindruck davon, wie das Unternehmen nach dem Wandel aussieht. Visuelle Begleitung würde also den Wandel in Unternehmen enorm befördern. Schon in der Analyse können die Mitarbeiter durch Bilder darstellen, wie sie ihr Unternehmen sehen, zum Beispiel durch ein Moodboard zum Thema Wandel und Veränderung. Wenn die Mitarbeitenden sehen können, welche positiven Konsequenzen der Wandel für sie hätte, hat das enorme Kraft für das Gehirn. Eine der herausragenden Leistungen von Bildern ist, dass sie nicht aufwändig vom Verstand verarbeitet werden müssen, sondern direkt in unser Gefühlssystem einmünden, und dort beruhigen oder beunruhigen können. Deshalb sind gerade die Bilder so wirkungsvoll.
Bild und Text im Vergleich
Bilder nehmen wir im Vergleich zu Texten wesentlich leichter wahr, wir verarbeiten und speichern sie leichter:
- Wahrnehmung: Bilder nehmen wir schneller wahr als Texte. Schon der Bruchteil einer Sekunde reicht aus, damit wir uns eine grobe Vorstellung von einem Bild machen können, genau gesagt etwa 200-500 Millisekunden – die Zeit eines Augenzwinkerns. Bilder sind deshalb »schnelle Schüsse ins Gehirn!“ (Kroeber-Riel, 1996: 53). Wenn also Kommunikation schnell gelingen soll, sind Bilder im Vorteil.
- Aktivierung: Bilder aktivieren uns stärker als Texte – deshalb beachten wir Bilder vor Texten (Bilddominanz)
- Verarbeitung: Bilder verarbeiten wir automatisch und mit geringer gedanklicher Beteiligung: Um ein Bild mittlerer Komplexität so aufzunehmen, dass wir uns später daran erinnern, sind etwa 2 Sekunden erforderlich. In dieser Zeit nehmen wir nur etwa 6 bis 7 Wörter auf.
- Speicherung: Bilder erinnern wir besser als Texte, denn die höhere Aktivierung des Gehirns stimuliert unser langfristiges Erinnern. Studien zeigen, dass wir noch nach Tagen Hunderte von Bildern wieder erkennen können.
- Erlebnis: Bilder können wesentlich besser emotionale Erlebnisse vermitteln als Texte.
Bilder wirken direkt, ohne Umwege; dagegen sind Texte optisch verschlüsselte Sprache, und Sprache ist ursprünglich ein Hör- und kein Seh-Erlebnis. Dies ist einer der Gründe für die Wirkung von Bildern: Sie sprechen direkt die visuellen Zentren unseres Hirns an und müssen nicht zuvor entschlüsselt werden. In Zeiten der Informationsüberlastung kommt dies noch stärker zum Tragen: Bilder verarbeiten wir schneller als Texte, wir beachten sie beim schnellen Lesen deutlich stärker als eine Textinformation.
In einer Situation, die für die Mitarbeitenden mit starken Gefühlen einher geht und große Bedeutung für sie hat, erreicht Bildkommunikation mehr Menschen und spricht sie emotional stärker an als Geschriebenes, denn dieses muss mit vergleichsweise viel Energie vom Verstand verarbeitet werden. Persönliche Kommunikation wirkt auch deshalb so stark, weil wir ein Bild von dem Mensch haben, der uns gegenüber steht. Der Einsatz von Bildern gehört deshalb zu den größten ungenutzten Potenzialen in der internen Kommunikation: Sie können auf einem höchst leistungsfähigen und wirkungsvollen Weg über das Unternehmen, seine Leistungen und sein Belohnungsversprechen informieren, sie können damit Emotionen vermitteln und hierdurch wiederum bei den Bezugsgruppen Emotionen auslösen. Das Ergebnis stark bildhafter Geschichten sind innere Bilder, die in den Köpfen Ihrer internen Bezugsgruppen spontan entstehen, wenn sie an das Unternehmen denken.
Starke und klare innere Bilder sind sehr verhaltenswirksam, dies haben zahlreiche wissenschaftliche Studien erhoben (vgl. z.B. den Überblick bei Kroeber-Riel 1996):
- Wir orientieren uns durch Bilder: Wir wissen, wie wir morgens zur Arbeit kommen, weil wir das innere Bild vom Weg zur Arbeit gespeichert haben. Und wir wissen, wie wir zur Kantine kommen.
- Wir erinnern uns in inneren Bildern: Wenn wir an sehr bewegende Momente in unserem Arbeitsleben zurück denken, dann entstehen in uns innere Bilder – vom Lachen eines Kollegen, den wir sehr mögen, und Bilder von einer erfolgreichen Rede, die wir gehalten haben und auf die wir stolz sind. Genau so können sich die Mitarbeitenden an einen Event oder eine Informationsveranstaltung erinnern.
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