Rezension: Kontextbasierte Markenkommunikation : ein handlungstheoretischer Planungsansatz /Andreas Baetzgen. Bern : Haupt, 2007. – 289 S., ISBN 978-3-258-07232-6
Die Anforderungen an die Markenkommunikation sind in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. Ein Grund hierfür sind die weitgehend gesättigten Märkte, austauschbare Produkte und der hieraus gestiegene Wettbewerbsdruck; ein anderer Grund ist das nachlassende Interesse der Konsumenten an Informationen aufgrund der zunehmenden Austauschbarkeit. Essenziell für den Erfolg der Markenführung wird daher die Frage, wie die Konsumenten die Marke schnell erkennen und deutlich von anderen unterscheiden können. Mehr noch: Die Konsumenten brauchen für den Entscheidungsprozess ein klares, einzigartiges Vorstellungsbild davon, wofür die Marke steht und welche Bedeutung diese für sie hat, damit die Konsumenten diese Marke den anderen vorziehen können. Vor diesem Hintergrund ist seit einigen Jahren die Zahl der Konzepte für die professionelle Markenführung stark gestiegen. Die meisten dieser Konzepte betonen die Bedeutung einer klaren, eindeutigen Markenbotschaft, zum Beispiel als Nutzenversprechen, sowie der klaren, widerspruchsfreien Kommunikation in allen Mitteln und Maßnahmen der Markenkommunikation.
Das vorliegende Buch „Kontextbasierte Markenkommunikation – ein handlungstheoretischer Planungsansatz“ vonAndreas Baetzgenwill einen neuen Weg beschreiten: Es geht auf die Bedeutung von variierernden Kontexten ein, in dem sich die Marke im augenblicklichen Erleben des Konsumenten präsentiert. Grundgedanke ist, dass die Marke dann den Konsumenten am stärksten anspricht, wenn die Markenkommunikation diesen im Kontext seines augenblicklichen Handelns bedeutend ist, also erlebnisreich, alltagsrelevant und konsistent. Botschaft und Kontext des Markenkontaktes sollen systematisch zu einem bedeutungsvollen Konsumerlebnis verzahnt werden, die Botschaft soll im subjektiven Erleben und Handeln der Zielgruppe „Sinn“ machen. Die Markenbotschaft fügt sich optimal in den Alltag der Zielgruppe und den jeweiligen Rezeptionskontext ein, unabhängig davon, welches Kommunikationsinstrument und Medium das Markenmanagement einsetzt. Die Aufgabe der Markenkommunikation besteht demnach in der Gestaltung „sinnhafter Text-Kontext-Relationen.“ (S. 16)
Als Ziel für seine Arbeit (Erkenntnisinteresse als Forschungsfage) hat der Autor formuliert: „… ausgehend von handlungstheoretischen Überlegungen, den für die Rezeption von Markenbotschaften relevanten Kontext zu identifizieren und diesen in einen für die Anwendungsforschung geeigneten theoretischen Bezugsrahmen zu überführen, der es erlaubt Markenbotschaften kontextorientiert zu platzieren und zu gestalten.“ (S.18)
Bei der Beantwortung dieser Forschungsfrage unterteilt der Autor seine Arbeit, nach Vorwort und Einleitung, in drei Abschnitte mit 12 Kapiteln: Im ersten Abschnitt stellt er den soziologischen Handlungsbegriff vor, die Theorie kommunikativen Handelns sowie die Erkenntnisse der handlungstheoretische Rezeptionsforschung. Im zweiten Abschnitt erläutert Baetzgen die Handlungsfelder der Markenkommunikation, deren Ziele, Grundannahmen und Implikationen. Im dritten Abschnitt entwickelt der Autor sein Modell der Kontextbasierten Markenkommunikation: Hierzu stellt er die Kontextfaktoren vor, Erfolgsfaktoren und Spannungsfelder. Er erläutert Kontextdimensionen, den Kontext-Fit und exemplarische Fitting-Analysen am Beispiel von Bresso, Mini, Media-Markt, McDonald’s und IKEA. Die Zusammenfassung enthält die Erkenntnis seiner Arbeit sowie einen Ausblick auf künftige Forschung.
Das vorliegende 290seitige Buch entstand als Dissertation im Fachgebiet audiovisuelle Medienwissenschaft der Hochschule für Film du Fernsehen „Konrad Wolf“ in Potsdam-Babelsberg. Dementsprechend ist der Inhalt wissenschaftlich ausgerichtet und die Diskussion der Inhalte breit angelegt. Bei der Entwicklung seines Modells der Kontextbasierten Markenführung trägt der Autor wissenschaftliche Erkenntnisse aus der Marketing- und Werbeforschung zusammen, aus der Medien- und Kommunikationstheorie, der Soziologie sowie der Cultural Studies. Gleichzeitig ist das Buch anwendungsorientiert – der Autor arbeitet schon seit Jahren in Agenturen für Werbung und Design.
Ein Verdienst der Arbeit liegt darin, auf breiter wissenschaftlicher Grundlage ein schlüssiges, anwendungsorientiertes Modell zu entwickeln, dass die bisherigen Konzepte der Markenführung ergänzt. Das Buch beschreitet somit in der Tat einen neuen Weg, zum Beispiel was die Breite des Gestaltungsrahmens (Kontexte sind nicht allein räumlich bestimmt) sowie den Einbezug medienökonomischer und handlungstheoretischer Erkenntnise betrift. Er geht weit über Ansätze hinaus, die sich ebenfalls mit der Bedeutung von Motiven für die gezielte Aufmerksamkeit in Kontexten beschäftigen und in Kapitel 10.2.4. vorgestellt werden; allerdings sind aktuelle Erkenntnisse der Wahrnehmungspsychologie und der Neurowissenschaften nicht berücksichtigt (z.B. das „Framing“; vgl. Scheier/Held 2007). Hervorzuheben ist weiterhin das Verständnis des Konsumenten als „dynamischer Akteur“ statt „statische Persönlichkeit“ mit konstanter Bewertungs- und Präfenzstruktur (S. 132). Dieses Verständnis trägt dazu bei, bislang scheinbar widersprüchliches Verhalten des „hybriden Konsumenten“ letztlich doch widerspruchsfrei erklären zu können.
Künftige Forschung (z.B. Konsumenten- und Rezipientenforschung) wird diese Grundlagen aufgreifen und Erkenntnisse darüber genierieren können, welche situationalen Erwartungen und Bewertungen die Zielgruppen haben. Die vorliegende Arbeit hat auf diese empirische Analyse begründet verzichtet. Dennoch lässt sich dieses Modell, wie die qualitativen Sekundäranalyse in der vorgestellten Fitting-Analysen zeigen, schon heute in der Praxis anwenden.
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