Brigitte Biehl: Business is Showbusiness.  Wie Topmanager sich vor Publikum inszenieren. Frankfurt/Main: Campus 2007, 270 Seiten, Euro 29,90

In den vergangenen Jahren hat in den PR die kontroverse Diskussion darüber zugenommen, welche Bedeutung Topmanager für das Unternehmensimage und den Unternehmenswert haben. Zahlreiche Studien von PR-Wissenschaftlern, aber auch Kommunikationsagenturen haben dies empirisch untersucht, zum Beispiel den Zusammenhang von CEO-Kommunikation und Börsenwert des Unternehmens. Im Ergebnis scheint unstrittig zu sein, dass immaterielle und emotionale Faktoren die Bewertung eines Unternehmens durch die Bezugsgruppen erheblich steuern. Was bislang fehlt, ist eine systematische Untersuchung mit den Methoden und Instrumenten der Theaterwissenschaft, nach welchen Prinzipien sich Topmanager inszenieren und wie professionell sie dies tun – zwei wichtige Metaphern sind ‚Wirtschaftsbühne’ und ‚Superstar-CEO’.

Diese Lücke zu schließen hat sich die Theaterwissenschaftlerin Brigitte Biehl in ihrer Dissertation vorgenommen, die als Buch vorliegt. Biehl erfasst in teilnehmender Beobachtung die Auftritte von Vorstandsvorsitzenden von ausgewählten Konzernen aus dem Deutschen Aktienindex (DAX), sie wertet Videomitschnitte von Veranstaltungen aus und analysiert Redemanuskripte der CEOs. Als Ort der Inszenierung hat sie Hauptversammlungen, Bilanzpresse- und Analystenkonferenzen gewählt.

Bei ihrer Bewertung setzt sie die Inszenierungsanalyse des französischen Theatertheoretiker und Semiotikforscher Patrice Pavis ein. Die Inszenierungsanalyse zerlegt die vielen Zeichen einer Inszenierung (Bühne, Körpersprache, Rhetorik etc.) in kleine Sinneinheiten, die sich systematisch untersuchen und bewerten lassen.

Wie geht die Autorin im Buch vor? Im ersten Kapitel schildert Biehl die Entwicklung vom dramatischen Theater, in dem die Schauspieler eine vom Autor entwickelte Figur spielen und damit eine Illusion auslösen, über das epische Theater, in dem die Darsteller eine kritische Stimmung erzeugen statt sich in den Helden der Handlung einzufühlen, bis hin zum postdramatischen Theater, in dem die authentischen Darsteller reale Handlungen vollziehen und sich selbst inszenieren. Im zweiten Kapitel ordnet die Autorin dies in den Kontext der PR und Investor Relations (IR) ein, sie zeigt die Bedeutung der Inszenierung von persönlicher Kommunikation und diskutiert differenziert die Bedeutung der Personalisierung für die Unternehmensbewertung durch Aktionäre, Journalisten und Analysten. Im dritten Kapitel führt Biehl ihre detaillierte Inhaltsanalyse anhand der Szenografie, Körpersprache, Stimme und Rhetorik durch und sie erfasst und bewertet Strategien der Dramaturgie der CEOs in Frage- und Antwortrunden.

Im Ergebnis kann die Autorin zeigen, dass die Topmanager zahlreiche theatralen Mittel für ihre Inszenierungen nutzen und wie sie diese einsetzen. Die Ergebnisse zeigen auch, dass die unterschiedlichen Erwartungen der Bezugsgruppen der IR zur Verunsicherung über die angemessene Strategie der Inszenierung führen, zum Beispiel indem Investoren ‚Charisma’ und Begeisterung wünschen, Kapitalmarktgesetze eher Zurückhaltung formulieren und Journalisten aufmerksam Kommunikationspannen beobachten – so entsteht Druck auf die Handelnden, den unterschiedlichen Erwartungen des Zielpublikums gerecht zu werden. Durch weitere inszenatorische Fehler entstehen oft Veranstaltungen, die keinen stimmigen Gesamteindruck vermitteln, sondern durch Widersprüche zwischen Kernbotschaft des Unternehmens und dem tatsächlichen Verhalten des CEOs und dessen Inszenierung gekennzeichnet sind.

Durch diese Erkenntnis liefert Biehl einen wichtigen interdisziplinären Beitrag zur Theatralisierung der Wirtschaft und speziell für die Frage der Inszenierung von Personen. Sie stellt ein Werkzeug zur Verfügung, mit dem sich Personeninszenierungen in den PR systematisch erfassen und bewerten lassen. Die aufgezeigten Schwachstellen werfen strategische Fragen auf, die PR-Vertreter bei künftigen Inszenierungen berücksichtigen können.

Die Ergebnisse aus Sicht der Theaterwissenschaft könnten weiterführende Folgearbeiten zusammenbringen mit den aktuellen und mittlerweile umfangreich vorliegenden Erkenntnissen anderer Forschungsdisziplinen über die Wirkung von Menschen und deren Inszenierungen, vor allem aus der Psychologie, der Kulturwissenschaft und der Neurowissenschaften.