Dr. phil. Burghardt Tenderich ist Associate Professor an der University of Southern California Annenberg School for Communication and Journalism, USA.
Dieser Beitrag erschien in der 3. Ausgabe in der 3. Auflage im UVK Verlag Konstanz.
Im Markt gehört zu werden, war noch nie so schwer wie heute: Die enormen strukturellen Veränderungen in der Medienlandschaft haben zu einer unüberschaubaren Vielzahl von Medien geführt. Zusätzlich zu Printmedien, Rundfunk und Online-Publikationen trägt die weite Verbreitung von Social Media dazu bei, dass Werber ihre Zielgruppen nicht mehr so leicht erreichen können. Hinzu kommt Folgendes: Wenn eine Marke erfolgreich auf eine Zielgruppe einwirken kann, welche Inhalte sollen angeboten werden? Als störend empfundene Werbung wird am Computer oder im Fernsehen einfach weggedrückt; und in einer zunehmend mobilen Welt, die gekennzeichnet ist von einer Vielfalt von Smartphones und Tablets, wird es nicht leichter, Verbraucher mit gezielten Werbungen zu erreichen.
Werbung muss unterhalten
Wo so viel Auswahl an Medien und Ablenkung besteht, ändert sich das Kommunikations-Mantra: Werbung darf Unterhaltung nicht mehr unterbrechen, Werbung muss Unterhaltung sein. Werbung darf Information nicht mehr unterbrechen, sie muss Information sein. Diese Einsicht führt zu einem radikalen Umdenken in Bezug auf die Methoden und Kanäle, mit denen Marken auf ihre Zielgruppen einwirken. »Integrierte Marktkommunikation« ist ineffektiv, wenn sie als Flächenbombardement von E-Mail, Postsendungen, Online-Werbung, Rundfunkwerbung etc. eingesetzt wird. Diesen Trend orakelte Doc Searls bereits 1999 im »Cluetrain Manifesto«, wo er propagierte: »Es besteht kein Markt für Eure Messages« und »Märkte sind Unterhaltungen« (Levine/Locke/Weinberger/Searls, 1999, S. 10).
Marketing ohne Messages? Wie ist das möglich?
Über mehrere Jahrtausende waren Märkte die Plätze, wo Menschen sich trafen nicht nur, um Güter zu kaufen, sondern auch, um diese detailliert mit Händlern aber auch anderen Käufern zu diskutieren. Märkte waren geprägt von Unterhaltungen. Ab ca. 1950, als Konsequenz des Aufstiegs der Massenmedien, waren Marketing und Unternehmenskommunikation davon geprägt, möglichst laut und repetitiv vorgefertigte Botschaften an den Konsumenten zu bringen.
Dies funktionierte relativ gut, solange ein Ungleichgewicht im Medienmarkt bestand: Konsumenten hatten eine relativ geringe Auswahl an Medien, und in Abwesenheit von Twitter, Blogs, etc. bestand wenig Möglichkeit, eine globale Diskussion zu entfachen. Diese Situation hat sich fundamental geändert. Konsumenten finden sich in Online Communities zusammen, wo sie sich ausführlich und ohne Intervention über Themen aller Art austauschen können: Produkte, Dienstleistungen, Unterhaltung, Politik etc. Dadurch, und wie im Cluetrain Manifesto gefordert, sind Märkte wieder zu Unterhaltungen geworden. Marken können an bestehenden Konversationen teilnehmen, oder neue initiieren.
Um dieses so zu tun, dass es auch vom Markt angenommen wird, bieten sich Storytelling und Transmedia Branding an. Bekanntlich ist das menschliche Gehirn so strukturiert, dass es als Geschichten vermittelte Inhalte besonders gut verarbeiten kann. Und Geschichten können über eine Vielzahl von Medien verbreitet werden.
Der Begriff Transmedia Storytelling wurde in den 1990er-Jahren ins Leben gerufen von Professor Henry Jenkins, der heute an der University of Southern California in Los Angeles forscht und lehrt. Mit Bezug vor allem auf den Unterhaltungssektor in Hollywood bezeichnet Transmedia Storytelling einen Prozess, in dem integrale Elemente einer Geschichte systematisch über eine Vielzahl von Kommunikationskanälen übermittelt werden mit dem Ziel, einen einheitlichen und koordinierten Unterhaltungswert zu erreichen (Jenkins/Ford/Green, 2013).
Inzwischen werden transmediale Ansätze bereits ins Produktmarketing, Public Relations und in die digitale Kommunikation übertragen. Anlehnend an die obige Definition kann Transmedia Branding charakterisiert werden als ein Prozess, in dem wesentliche Elemente einer Marke in eine übergreifende Geschichte eingebunden werden, welche dann über eine Vielzahl von Medien – Druck, Rundfunk, Online – in individuellen Abschnitten weitergegeben werden. Ziel ist es, die Marke einheitlich und koordiniert zu vermitteln. Ein ganz wichtiger Aspekt ist die Partizipation anderer Marktteilnehmer, die diese Inhalte je nach Lust und Belieben weiterreichen und so im Erfolgsfall weit verbreiten. Transmedia Branding birgt besonderes Potenzial für die Public Relations, da es dem Kommunikationsteam die Möglichkeit bietet, ›klassische‹ PR-Taktiken wie Medienarbeit mit einer Vielzahl von Social Media und anderen direkten Kommunikationskanälen zu verbinden.
Flugsicherheit für Hobbits
Wenige Wochen vor der Premiere des Films »Der Hobbit« im Dezember 2012 veröffentlichte Air New Zealand auf YouTube einen Flugsicherheitsfilm à la Auenland: Mit der Filmmusik von »Der Hobbit« im Hintergrund referiert als Elben gekleidetes Flugpersonal den gesetzlich vorgeschriebenen Sicherheitstext in einem Air New Zealand Flugzeug voller Hobbits, Zwerge, Orks, Elben und Zauberer. Auf einmal kullert der besagte Ring auf den Boden, bevor Regisseur Peter Jackson ihn aufhebt, an den Ringfinger zieht, und umgehend unsichtbar wird. Am anderen Ende des Flugzeugs kriecht Golom auf der Suche nach seinem „Precious“ umher. Die Marke ist Air New Zealand, und die zentrale Geschichte ist J. R. R. Tolkiens‘ Fantasiewelt.
Nicht nur ist Peter Jackson Neuseeländer, auch wurden die meisten Außenszenen im Land der Kiwis gedreht. Das witzige und ebenso fantasiereiche Video der Air New Zealand verbreitete sich wie Buschfeuer im Netz via E-Mail, Twitter, Blogs und wurde zum Gegenstand unzähliger Medienberichte. Die Landung eines mit Hobbit-Szenen bemalten Flugzeugs der Air New Zealand in Los Angeles landet wurde von mehreren Passagieren gefilmt und ins Netz gestellt, und Medien berichteten von dem Ereignis im Kontext des Flugsicherheitsfilms und der finanziellen Bedeutung des Hobbits für Neuseeland. Eine Transmedia-Kampagne ist geboren.
Designelemente des Transmedia Branding
Eine Transmedia-Branding-Kampagne besteht aus den folgenden Designelementen: Die Marke, eine zentrale Erzählung, verschiedene Medienkanäle und Partizipation. Weitere zu berücksichtigende Aspekte sind Fangemeinden und Popkultur.
Die Marke: Zentrales Element einer Transmedia-Branding-Kampagne ist das, was vermarktet werden soll: die Marke, die in diesem Zusammenhang nicht beschränkt ist auf ein Unternehmen, Produkt oder eine Dienstleistung, sondern auch eine Idee sein kann, wie beispielsweise Energiesparen, Tempolimit oder etwa eine politische Idee oder eine Person. Beispielsweise kann Barack Obama, wie viele andere Politiker, als Transmedia-Marke gesehen werden. Der amerikanische Präsident hat eine zentrale Story, die in unterschiedlichen Beiträgen über alle denkbaren Kanäle erzählt wird. In vielen Fällen wird dieses Verbreiten vom Weiβen Haus forciert und gewünscht, als mehr oder minder erfolgreiches Kommunikationsangebot an die amerikanische Öffentlichkeit. Oft sind es auch Unterstützer wie Gegner des Präsidenten, die Inhalte erstellen und verbreiten, oder einfach kreative Personen, die das Internet Meme Gangnam Style auf YouTube auf Obama Gangnam Style umarbeiten.
Zentrale Erzählung: Das nächste Designelement im Transmedia Branding ist die zentrale Erzählung. Für Marken aus der Unterhaltung trifft generell zu, dass sie selbst ihre eigene Geschichte sind. Dies gilt für den Hobbit genauso wie für transmediale Medienwelten wie »Harry Potter« oder »Krieg der Sterne« sowie für Videospiele wie »Dungeons and Dragons« und »World of Warcraft«. Oft haben Produkte ihren eigenen Mythos, wie beispielsweise Apples Macintosh, iPhone oder iPad oder etwa luxuriöse Automobilmarken. Diese Markenmythen lassen sich relativ leicht in Erzählungen umwandeln.
Ein sehr gutes Beispiel für Transmedia Branding in der Automobilbranche präsentierte Audi bereits 2005 mit der »Art of the Heist« (‚Die Kunst des Raubes‘) Kampagne. Zur amerikanischen Premiere des Audi A3 täuschte das Marketing Team einen Einbruch im Schauraum des Audi Händlers in New Yorks edler Park Avenue vor. Am nächsten Tag sahen Besucher einer Automobil Show lediglich einen Hinweis, dass das Luxusauto gestohlen worden sei. Audi rief die Öffentlichkeit dazu auf, zweckdienliche Hinweise auf der A3 Website zu hinterlassen. Die Detektivgeschichte hatte begonnen. In den folgenden Wochen verfolgten Fans in Videos und Nachrichten, wie die Helden der Geschichte – Nisha Roberts und Ian Yarbrough – den entführten A3 sicherzustellen versuchten. Diese Geschichte entsprang dem Mythos eines in den USA meistbegehrten Automobils. Eine gute Zusammenfassung ist auf YouTube zu finden:
Schwieriger ist es, eine gute Geschichte für relativ undifferenzierte Konsumgüter zu erfinden; doch gerade in diesem Bereich gibt es in den USA beeindruckende Beispiele. Dos Equis war eine relativ unbedeutende Biermarke in den USA, als die Agentur Havas Worldwide 2006 die Geschichte des »Most Interesting Man in the World« erfand. Personifiziert durch den Schauspieler Jonathan Goldsmith stieg der interessanteste Mann der Welt schnell zur Kultfigur auf: Silberne Haare, deutlich über 50, aber immer noch sehr gut aussehend. Eine Vielzahl von Werbespots zeigt Goldsmith, wie er diverse Abenteuer im Stil von Indiana Jones meistert. Jeder Spot endet damit, dass Goldsmith in Begleitung zweier attraktiver Frauen sagt: »Nicht immer trinke ich Bier, aber wenn ich Bier trinke, dann bevorzuge ich Dos Equis. Bleibt durstig, meine Freunde!«
Medienkanäle und Partizipation: Zuerst erzählte Dos Equis die Geschichte des »Most interesting Man in the World« in Form von Werbespots. Seitdem hat die Kampagne transmediale Züge angenommen, da die zahlreichen Abenteuer nun in verschiedenen Medienkanälen erlebt werden. So verfügt der interessanteste Mann inzwischen über eine stark frequentierte Facebook Seite und eine Twitter Handle. 2008 machte er sich auf die Suche nach einem neuen Assistenten, nachdem der alte im Einsatz umgekommen war („killed in action“). Über 10.000 Fans bewarben sich im Internet um den Job, der mit einem Auftritt in einem Werbespot, sowie Freibier und 2.500 US-Dollars dotiert war. Dos Equis organisierte Partys in amerikanischen Städten wie etwa zum mexikanischen Nationalfeiertag „Cinco de Mayo.“
Die Auftritte des »Most Interesting Man« in der realen Welt wurden von Fans dokumentiert und per YouTube, Flickr, Tumblr, Twitter an andere weitergegeben. Partizipation war das Ziel dieser großangelegten Internetkampagne. Auf einer eigenen Website wurden Fans dazu aufgerufen, Videos zu veröffentlichen, in denen man sich auf möglichst kreative Art zuprostet. Der Erfolg der Kampagne überstieg die Erwartungen. Nach Angaben des Unternehmens ist der Verkauf von Dos Equis seit Beginn der Kampagne kontinuierlich gestiegen und man erzielte größere Marktanteile im Markt für Importbier. Praktisch gesehen nimmt das Internet eine herausragende Position als Plattform für transmediale Medienkanäle wie Twitter, Facebook, YouTube oder spezielle Webseiten ein. Prinzipiell jedoch kann transmediale Kommunikation auch ohne das Internet betrieben werden.
Als Beispiel hierfür dienen die Weltreligionen, die seit Jahrtausenden eine zentrale Story der Marke Religion in vielen verschiedenen Erzählungen über diverse Haupt- und Nebendarsteller dezentral an verschiedenste Zielgruppen weitergeben. Dabei werden alle erdenklichen Medien benutzt: Musik, Poesie, Bilder, Statuen, Filme, Radioprogramme und inzwischen auch das Internet. Diesem Gedanken folgend sollte klargestellt werden, dass transmediales Storytelling prinzipiell nicht neu ist, aber aufgrund des Internets erst in den vergangenen Jahren weite Verbreitung gefunden hat.
Fangemeinden und Popkultur: Das Internet eignet sich hervorragend dazu, dass sich Gleichgesinnte in Online Communities zusammenfinden, um gemeinsamen Interessen nachzugehen. Diese Fangemeinden existieren für nahezu jedes denkbare Thema, seien es rare Automarken, Gourmet-Kaffee, Unterhaltungsangebote oder politische Anliegen. Vielfach haben Fans eine sehr enge Verbindung zu dem Gegenstand ihrer Leidenschaft und zu anderen Fans. Wenn eine Marke sich mittels einer Transmedia-Branding-Kampagne in den territorialen Bereich von Fangemeinden begibt, besteht die Notwendigkeit, die Fans und deren Kultur genau zu verstehen. Ist dies nicht der Fall, so wird die Kampagne bestenfalls ignoriert, oder aber es bildet sich Widerstand.
Ein Beispiel dafür ist die Geschichte des Buckelwals »Mr. Splashy Pants«. Greenpeace hat diesen Wal mit einem Satellitensender versehen, um auf die geplante Jagd von 50 Buckelwalen von japanischen Fischern aufmerksam zu machen. Im Rahmen dieser PR Kampagne startete Greenpeace 2007 einen Internet Wettbewerb, um diesem Wal einen Namen zu geben. Wahrscheinlich als Witz schlug jemand »Mr. Splashy Pants« vor, woraufhin sich spontan eine unterstützende Online-Bewegung auf den Websites »Boing Boing« und »Reddit« formierte. Ein Fan von Mr. Splashy Pants manipulierte das Web Wahlsystem und erzielte über 450 Stimmen binnen weniger Stunden. Greenpeace disqualifizierte die gefälschten Stimmen umgehend und sprach sich gegen die Nominierung von »Mr. Splashy Pants« aus. Dies hatte genau die entgegengesetzte Wirkung: Die Fangemeine appellierte an Gleichgesinnte und »Mr. Splashy Pants« gewann die Wahl mit über 75% der Stimmen.
Greenpeace sah ein, dass es sich dem Druck der Internet Community beugen musste, und so erhielt »Mr. Splashy Pants« seinen Namen gegen den Willen der Umweltorganisation. Social Listening: Beispiele wie dieses zeigen die Notwendigkeit, die Kultur von Fangemeinden frühzeitig und wiederholt zu untersuchen, und die Ergebnisse in den Kampagnenplan von Beginn an einzubauen. Dieser Prozess wird im amerikanischen Englisch als »Social Listening« bezeichnet und kann mittels verschiedener Methoden durchgeführt werden. Für quantitative Untersuchungen eignen sich sogenannte Social Media Monitoring Services wie beispielsweise »Radian 6« oder »Sysomos«. Diese Webseiten aggregieren fast in Echtzeit öffentliche Diskussionen im gesamten Internet, inklusive Online-Medien wie Twitter, Facebook und andere Online-Communities.
In diesem boomenden Markt entstehen tausende Dashboards und analytische Schnittstellen, die es dem Nutzer ermöglichen sollen, Big Data in marktrelevante Einsichten zu verwandeln. »Netnografie« ist der Name einer Methode für qualitatives Social Listening und bezeichnet Ethnografie im Internet. In einer netnografischen Untersuchung werden relevante Community-Seiten zu spezifischen Themen systematisch gelesen und die Ergebnisse qualitativ festgehalten (Kozinets, 2002). Netnografie hat dieselben Vor- und Nachteile wie andere qualitativen Methoden: Sie ist relativ leicht und zu geringen Kosten durchzuführen, allerdings sind die Ergebnisse statistisch nicht für die gesamte untersuchte Gruppe aussagefähig.
Smell Like a Man, Man!
Die bis heute erfolgreichste Transmedia-Branding-Kampagne wurde ebenfalls in der Konsumgüterindustrie der USA erfunden. Rasierprodukte der Marke Old Spice sind in den USA seit 1937 auf dem Markt. In den 90er-Jahren übernahm Procter & Gamble die Marke und brachte Old-Spice-Duschgel für Männer auf den Markt. Nach anfänglichem Erfolg stieß das Produkt auf dem Markt bald an seine Grenzen. Marktforscher stellten fest, dass zusätzlich zur starken Konkurrenz die Marke ein Image-Problem hatte: Old Spice wurde von Verbrauchern als ein alterndes Produkt angesehen, das seinen Zenit längst überschritten hatte. Die Forscher fanden ebenfalls heraus, dass in den meisten Fällen Partnerinnen das Duschgel ihres Mannes kaufen.
Aus der Not eine Tugend machend kreierte das Marketing Team in Zusammenarbeit mit der Agentur Wieden + Kennedy die Kampagne »Smell like a Man, Man!«. Das Team ging ein großes Risiko ein mit dem Entschluss, sich über das staubige Image lustig zu machen, mit Slogans wie: „Du wärst gar nicht erst hier, wenn dein Großvater nicht Old Spice benutzt hätte.“ Als das Marketingteam erfuhr, dass Unilever während des Superbowl 2010 für ein Konkurrenzprodukt werben würde, hatte es eine kreative Idee. Man wählte Isiah Mustafa, einen Footballspieler, der es in der Profiliga nie zu etwas gebracht hatte, aber äußerlich dem männlichen Ideal der Zielgruppe entsprach, zum Darsteller eines Werbespots: Im Sinne des Transmedia Storytelling schreitet Mustafa durch eine maritime Traumwelt, findet Diamanten in einer Austernschale und sitzt am Ende auf einem weißen Pferd, denn: „Alles ist möglich, wenn du wie ein Mann riechst.“
Da das mehrfache Millionen- Budget für eine Superbowl Werbung nicht vorlag, bediente man sich eines Tricks: Es ist üblich, Superbowl Werbungen bereits in der Woche vor dem Sportereignis auf YouTube zu schalten, um die Massenmedien rechtzeitig auf sich aufmerksam zu machen. Schließlich sind beim Superbowl die Werbungen ebenso wichtig wie das Spiel. Also schaltete Old Spice den Mustafa Spot auf YouTube und alarmierte die Presse. Der Erfolg war durchschlagend: In der ersten Woche wurde das Video 40 Millionen Mal bei YouTube abgerufen (Precourt, 2010, S. 2). Doch das war erst der Anfang. Vom Erfolg inspiriert entschloss sich das Team, weitere transmediale Akzente zu setzen. In einem Zeitraum von drei Tagen im Juli 2010 produzierte es 186 Videos, die gleichzeitig auf YouTube gestellt wurden. In dieser Social Media Response Campaign antwortete Mustafa in Videos auf Tweets, die der Old Spice Guy von unzähligen Bewunderern erhalten hatte.
Die Videos waren so unterhaltsam, dass sie millionenfach weitergereicht wurden – via E-Mail, Twitter, Facebook etc. Zusätzlich hatten die Massenmedien Interesse und zeigten die Videos und Bilder in Online-Publikationen, Printmedien und im Fernsehen. Partizipierende Fans kreierten Persiflagen, von denen viele als Internet Meme weite Verbreitung fanden. Die Sesamstraße ersetzte Isiah Mustafa mit der Puppe Grover, die sagt „Alles ist möglich, wenn du wie ein Monster riechst“ und am Ende des Spots auf einer Kuh landet. In den ersten Monaten der Kampagne stieg der Verkauf von Old Spice um 27% im Vergleich zum Vorjahr, nach sechs Monaten auf 107%. Wohl genauso wichtig ist es, dass die Marke wieder für junge Menschen attraktiv ist, und vor allem für Frauen, da diese das Duschgel für ihre Männer kaufen.
Transmedia Storytelling – die Zukunft des Marketings?
Es bleibt abzuwarten, welche Methoden genau zukünftig zur Vermarktung und im Branding benutzt werden. Einige Trends sind jedoch bereits absehbar:
- Marketing Teams müssen Inhalte erschaffen, die Zielgruppen interessieren, inspirieren oder unterhalten. Wenn dies nicht der Fall ist, wird die Effizienz herkömmlicher Werbung weiter abnehmen, da der Verbraucher auf unendlich viele und diverse Medien zurückgreifen kann.
- Social Listening und andere Studien vor, während und nach einer Kampagne sind wichtig, damit die richtigen Inhalte für die richtigen Zielgruppen geschaffen werden und über die richtigen Kanäle angeboten werden können.
- Der Kern der hier beschriebenen Transmedia-Branding-Methode räsoniert: Storytelling über eine Vielzahl von Medien entspricht dem Format des Medienkonsums im Zeitalter des Internet.
- Partizipation ist essenziell. Wenn Menschen sich aktiv mit Inhalten auseinandersetzen, Inhalte weitergeben und neue Inhalte schaffen, dann entwickelt sich ein Netz von Kommunikationen, das immer mehr Teilnehmer findet.
- »If it doesn’t spread, it’s dead.« In den Worten von Henry Jenkins, der das Konzept des Transmedia Storytelling entwickelt und beschrieben hat – wenn Inhalte sich nicht verbreiten, sind sie tot. Weitergegeben werden nur die Inhalte, die relevant sind und sich leicht verbreiten lassen.
In diesem Sinne wird das Marketing der Zukunft authentischer und demokratischer sein.
[…] Der Begriff Transmedia Storytelling wurde das erste Mal von Prof. Henry Jenkins in den 1990er Jahren verwendet. Er bezeichnete darin einen Prozess, in dem „integrale Elemente einer Geschichte systematisch über eine Vielzahl von Kommunikationskanälen übermittelt werden mit dem Ziel, einen einheitlichen und koordinierten Unterhaltungswert zu erreichen“ (Quelle: Jenkins/Ford/Green, 2013). […]