In der Digitalen Transformation ist Willenskraft statt nur Motivation gefragt: Die Digitale Transformation ist tief greifend und umfassend. Sie erfordert die externe Neuausrichtung, aber auch den kompletten internen Umbau von Unternehmen. Diese enormen Herausforderungen sind mit Motivation der Beteiligten allein nicht zu bewältigen.
Neuausrichtung extern und intern
Digitale Transformation ist die Neuausrichtung von Geschäftsmodellen durch Technologien, um die Kundenerlebnisse an jedem Berührungspunkt mit dem Unternehmen oder der Organisation zu verbessern.
Digitale Transformation bedeutet dauerhafter und tief greifender Wandel. Kein „Bald ist das Projekt vorbei und dann ist alles wieder ruhig“; stattdessen wird Wandel durch Digitalisierung ein Prozess sein, der zum festen Bestandteil der Unternehmenstätigkeit wird und nie endet. Digitalisierung ist aktuellen Studien von IBM, Capgemini und anderen Beratungsgesellschaften zufolge Wandlungstreiber Nummer eins in Unternehmen – und wird es aus absehbare Zeit bleiben.
Die Strategie der Digitalisierung geht einher mit umfassenden organisationalen Wandel: Innerhalb der Unternehmen etablieren sich neue Strukturen und Prozesse, neue Rollen und Verantwortlichkeiten, neue Formen der Zusammenarbeit, neue Führungs- und Motivationssysteme. Neue Qualifikationen sind erforderlich – lebenslanges Lernen wird die Regel sein.
Die Veränderungen werden bis hinunter zum einfachsten Mitarbeiter spürbar sein. Der Druck auf den Einzelnen, sich an neue betriebliche Anforderungen anzupassen, wird in den kommenden Jahren steigern. Der „War for talent“, der Kampf um die besten Mitarbeiter, wird immer heftiger geführt wer-den. Die Chance, auf dem freien Arbeitsmarkt den Bedarf an qualifizierten Leuten zu decken, sinkt immer mehr.
Gewiss: Diese Veränderungen nicht von heute auf morgen erfolgen und nicht alle Unternehmensbereiche betreffen: In einigen Bereichen wie der Fertigung wird das langsame, genaue und sorgfältige Vorgehen wichtig sein, in anderen Innovation, Geschwindigkeit und Agilität. und vieles mehr.
Chancen auf Wandel scheinen begrenzt
Vieles ändert sich also außerhalb der Unternehmen und vieles muss sich innerhalb der Unternehmen ändern. Großer, enormer Wandlungsbedarf entsteht. So wichtig dieser Wandel ist, um die Potenziale der Digitalen Transformation zu nutzen, so ernüchternd ist der Blick in die Praxis: In den vergangenen Jahren scheiterten 70 Prozent der Change-Projekte, so die Studien von Accenture und McKinsey. Kaum vorzustellen, wie viel Geld den Unternehmen schon bisher verloren ging, weil sie die Potenziale des Wandels nicht nutzen und neue Strategien nicht oder unzureichend umgesetzt sind. Und dies sind Zahlen der Vergangenheit, als es um Innovations- und Qualitätsmanagement ging. Der künftige Wandelbedarf durch die digitale Transformation wird komplexer sein – die Latte hier also deutlich höher.
Wandel für das Management
Der Wandel muss schon im Management beginnen. Was sind wichtige Dimensionen?
- Konsequentes Ausrichten am Kunden als Haltung: Kunden sind noch anspruchsvoller geworden. Sie können leicht Produkte und Leistungen sowie deren Preise und Verfügbarkeiten im Internet vergleichen – sogar im Laden. Sie erwarten zunehmend individuell auf sie zugeschnittene Produkte und Leistungen.
- Radikales Denken: Disruptive Geschäftsmodelle, also solche, die eine gesamte Branche verändern wie Uber und AirBnB stellen Bestehendes grundsätzlich in Frage. Erfolgreiche Digital Leader denken demnach drei oder noch besser fünf Schritte voraus. Sie zerstören bestehende Geschäftsmodelle und ersetzen sie durch völlig neue wie Plattformbetreiber Amazon.
- Disruptive Prozesse anführen können: Wichtig neben Methodenwissen wie Design Thinking und Rapid Prototyping ist das Wissen, wie junge Mitarbeiter ticken, was sie motiviert und wie sie im Unternehmen gehalten werden können; starre Arbeitsmodelle, Anwesenheitspflicht in Büro und Hierarchiedenken werden diese wertvollen Mitarbeiter dagegen wahrscheinlich schnell wieder aus dem Unternehmen treiben.
- Wissen über die digitalen Trends, die über den Erfolg eines Unternehmens (mit-)entscheiden: Hierzu gehört Basis-Wissen, wie über digitale Technologien wie das Internet der Dinge, zweiseitige Plattform-Märkte und Maschine Learning.
- Digitales Wissen in eigene Produkte umwandeln: Wer seine Mitarbeiter nicht in einer anregenden, kreativen Innovationskultur motivieren kann, neuartige Produkte zu entwickeln, kommt nicht weit.
- Große Dynamik: Die Veränderungen der Unternehmen vollziehen sich aufgrund der exponentiellen Entwicklungen von Technologien immer schneller. Management wird in dieser Dynamik zunehmend schneller und flexibler werden müssen. Dies zeigt sich allein schon an den Reaktionszeiten in den Sozialen Medien.
- Vernetztes Denken: Digitale Medien und Technologien sind stark vernetzt: Geräte, Plattformen, Technologien, Anwendungen, Medienobjekte sind elektronisch miteinander verbunden, Inhalte beziehen sich aufeinander. Jedes einzelne System (Geräte, Technologien, Anwendungen etc.) und jedes Element in diesen Systemen können vernetzt sein und miteinander kommunizieren. Vernetzung betrifft aber auch die für die Digitalisierung erforderliche interdisziplinäre Zusammenarbeit innerhalb des Unternehmens.
- Neue Begriffe und Konzepte: Big Data, Artificial Intelligence, Cloud Computing, Augmented Reality, Virtual Reality, iBeacons, Hologramme, 3D-Printing – solche Begriffe und Konzepte müssen Manager kennen, erklären und Menschen überzeugen, welchen Wert sie dem Unternehmen bringen können.
- Neue Arbeitsformen: Digitalisierung bringt erhebliche Unsicherheit und Angst für die Mitarbeitenden mit sich. Ein Grund ist der drastische Arbeitsplatzabbau durch Automatisierung. Experten schätzen, dass in den kommenden 15 Jahren etwa die Hälfte der Arbeitsplät-ze wegfallen, wie zum Beispiel bei Banken; völlig neue Berufe entstehen wie der Experte Digital Customer Experiences. Digital Leadership muss Angst verhindern, Menschen stattdessen motivieren und Akzeptanz für neue Arbeitsformen aufbauen.
- Neue Führungskonzepte: Zum Beispiel verschwindet das klassische „Command & Control“-Modell; stattdessen wird stärkere Partizipation der Mitarbeitenden wichtig. Kontrolle ist begrenzt auf Prüfen der Zielerreichung und Analyse von Abweichungen. Solche Kompetenzen sollten sich die Manager aneignen, ständig prüfen, weiterentwickeln und an die hoch dynamischen Entwicklungen anpassen. Die Unternehmenskultur scheint wichtigster Förderer oder Verhinderer der internen Entwicklung zu sein.
- Neue Kommunikationskompetenz: Ganz offensichtlich ist das Verlagern der Kommunikation in den digitalen Raum – intern und extern. Führungskräfte brauchen Fähigkeiten und Kenntnisse im Umgang mit digitaler Kommunikation („Digital Literacy“).
Um die digitale Transformation zu meistern, sind damit Digital- und Management-Kompetenz gefragt.
Kernaufgaben des Managers in der Digitalen Transformation
Manager haben in der Digitalen Transformation vor allem zwei zentrale Aufgaben: Sie müssen die richtigen Ziele setzen und die für die Erreichung notwendige Energie freisetzen – in sich selbst, in seinem Team, im gesamten Unternehmen. Um Dinge zu Ende zu bringen, müssen Manager selbst handeln sowie andere Menschen zu gemeinsamem Handeln mobilisieren. Die Ziele legen fest, was, wann und in welchem Ausmaß erreicht sein soll. Die Energie beinhaltet das Ausmaß persönlichen Engagements, das sich nicht einfach nur damit zufrieden gibt, etwas zu erledigen, sondern der Handlung eine besondere Bedeutung gibt und für alle Handelnden eine wichtige Rolle spielt. „Management war, ist und wird immer das eine bleiben: die Kunst, Dinge in Angriff zu nehmen und zu Ende zu bringen“, schrieben Bob Eccles und Nitin Nohria, beide Professoren an der Harvard Business School, in ihrem erfolgreichen Buch „Beyond the Hype”.
Das Problem mit Motivaton in der Digitalen Transformation
Motivation bedeutet nach breiter Lehrmeinung, sich zu aktivieren für einen als positiv bewerteten Zielzustand. Hierbei handelt es sich um vielschichtige Prozesse, die eine ausdauernde Zielausrichtung unseres Handelns bewirken.
Das Problem: Motivation allein reicht zwar aus, um Manager bei der Abwicklung ihrer Routineaufgaben zu unterstützen, doch in der Regel werden Manager nicht dafür bezahlt, dass sie einfach nur die Routineprozesse am Laufen halten. Ihre Aufgaben sind vielmehr komplex und erfordern Kreativität und Innovation. Häufig müssen sie gleichzeitig mehrere und widersprüchliche Ziele im Auge behalten, bei denen es sich meist um langfristige Projekte handelt, die ständige Anstrengung erfordern. Ehrgeizige Ziele, hohe Unsicherheit, extreme Widerstände all diese Faktoren führen sehr rasch an die Grenzen der Motivation. Weiteres Problem mit Motivation ist, dass sie sich leicht ändern und neu ausrichten kann: Aus sich heraus motivierte Manager haben zwar Freude an ihrer Arbeit, doch kann diese Freude jederzeit nachlassen und neue Präferenzen können entstehen, wenn der Zielzustand als attraktiver bewertet wird.
Dies sind nur zwei Gründe, warum Motivation für die Digitale Transformation nicht mehr ausreicht. Mehr Energie ist erforderlicher und stärkere Ausrichtung auf das Ziel, weil große Hürden und Hindernisse zu erwarten sind. Der feste Wille ist notwendig, um die mit der Digitalen Transformation verbundenen Herausforderungen zu lösen.
Wille statt Motivation
Willenskraft geht einen entscheidenden Schritt weiter als Motivation: Willenskraft entsteht durch die bewusste Entscheidung etwas zu vollbringen und – ganz wichtig – zu Ende zu bringen-. Willenskraft ist die Entschlossenheit, aus tiefem persönlichen Antrieb sein Ziel zu erreichen. „Willenskraft ermöglicht es Managern, auch in jenen Situationen diszipliniert zu handeln, in denen sie eigentlich keine Lust haben, zu handeln, in denen sie sich unmotiviert fühlen, weil ihnen ihre Aufgaben keinen Spaß machen, oder in denen sie sich von anderen Möglichkeiten in Versuchung geführt fühlen“, schreiben Heile Bruch und Sumentra Goshal in ihrem sehr lesenswerten Buch „Entschlossen führen und handeln“.
Vorteile von Willenskraft
Willenskraft geht also deutlich über Motivation hinaus: Sie ermöglicht Managern, diszipliniert zu handeln, selbst wenn sie keine Lust spüren, etwas zu tun; wenn sie sich von der Aufgabe nicht inspiriert fühlen oder Alternativen angezogen werden. Manager mit Willenskraft wollen und müssen Dinge zu Ende bringen. Hierbei überwinden sie Hindernisse und Rückschläge und bleiben bis zu ihrem Ziel unbeirrt auf Kurs. Für Manager mit Willenskraft kommt Aufgeben nicht in Frage; es gibt keinen Weg zurück. Manager mit Willenskraft beschließen, ihr Ziel auf jeden Fall zu erreichen.
Wie Willenskraft entsteht
Willenskraft entsteht die Bindung an ein Ziel, dem sich Manager verpflichtet fühlen. Dieses Ziel kommt in der Vision der Digitalen Transformation zum Ausdruck. Darüber hinaus müssen drei Bedingungen erfüllt sein, unter denen die Manager arbeiten:
- Freiraum für autonomes Handeln, zum Beispiel in selbstorganisierenden Teams
- Gegenseitige soziale und emotionale Unterstützung im Unternehmen
- Unternehmenskultur, die verantwortungsbewusste Willenskraft fördert
Das Berliner Management Modell (BMM)
Am Berlin Career College der Universität der Künste ist das „Berliner Management Modell (BMM)“ unter der Leitung von Prof. Dr. Dieter Georg Herbst entstanden. Dieses Modell zeigt zum einen die Koordinaten zur strategischen Entstehung neuer Kundenerlebnisse durch Digitalisierung auf; zum anderen enthält es ein systematisches, klar strukturiertes Programm mit vielen Praxistools und Anwendungsübungen für die erforderliche Interne Transformation mit dem Aufbau von Willenskraft für die Umsetzung der Digitalisierungs-Strategie. Die Bausteine dieses Programms und seiner Praxistools sind in ihrer Wirksamkeit durch zahlreiche Studien bestätigt und haben sich in der Praxis erfolgreich bewährt.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Dieter Georg Herbst
Career College der Universität der Künste Berlin
Bundesallee 1-12
10719 Berlin
http://www.ziw.udk-berlin.de/forschung/digital-transformation-lab/ und www.digitaltransformationlab.org
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