3 wichtige Change-Modelle im Test: Digitalisierung ändert alle Branchen, Unternehmen und Organisationen. Kein Stein wird mehr auf dem anderen bleiben. Die Frage ist, wie uns bisherige Change-Modelle beim künftigen Erfolg helfen können? Was können wir aus deren Erkenntnissen für unsere Change-Prozesse lernen? Schauen wir uns also drei bekannte und anerkannte Change-Modelle an und prüfen, welche Stärken und Schwächen sie haben, welches Fazit wir ziehen können und welchen Anforderungen unser eigenes Vorgehen erfüllen muss:
Change-Modelle im Test: Das 3-Phasen Modell von Kurt Lewin
Als Ur-Modell für die Gestaltung von Change-Prozessen gilt das Phasenmodell von Kurt Lewin (1890-1947)[1]. Basis ist die „Feldtheorie“, nach der es grundsätzlich zwei Kraftfelder gibt: Erstens: Kräfte, um den gegenwärtigen Zustand zu erhalten wie Sicherheitsstreben, Gewohnheit, Angst; zweitens: Kraftfelder für Veränderungen wie neue Technologien, neue Wettbewerber, verändertes wirtschaftliches Umfeld. Im Wandel muss das Gleichgewicht, so Lewin, vorübergehend zu Gunsten der drängenden Kräfte verschoben sein. Um Widerstände der Betroffenen gering zu halten sei es sinnvoller, die Beharrungskräfte zu verringern als die Veränderungskräfte zu verstärken.
Besonders bekannt sind seine drei Phasen der Veränderung:
- Auftauen (Unfreezing): Ziel dieser Phase ist, Bewusstsein zu schaffen für den Wandel und Motivation der Belegschaft. Dies ist erforderlich, weil viele Barrieren den Wandel hemmen wie Trägheit im Unternehmen, eine starke Unternehmenskultur sowie die grundsätzliche Ablehnung von Veränderungen.
- Bewegen (Changing): Neues wird ausprobiert, Lösungen umgesetzt und neues Verhalten etabliert durch Übernahme von Verantwortung, Training und Überwachen der Prozesse. In dieser Phase kommt es oft zur Orientierungslosigkeit und Widerständen gegen den Wandel. Mitarbeiter sind skeptisch gegenüber dem Wandel und leisten Widerstand. Ziel ist, den Mitarbeitern Ängste und Unsicherheiten zu nehmen, da sonst der Erfolg des Wandels gefährdet ist.
- Einfrieren (Refreezing): In dieser Phase geht es um die Etablierung der neuen Situation durch Orientierung über das neue Ziel sowie Um- und Eingewöhnung von Verhalten. Ziel ist das „Einfrieren“, also die Stabilisierung des neuen Zustands. Nach dem Wandel ist es Lewin zufolge eine Ruhephase notwendig, um das Leistungspotential der Änderungen voll entfalten zu können.
Die Vorteile des Modells sind, dass Lewin auf die Bedeutung des Minimierens von Widerständen hinweist. Sein einfaches, klar strukturiertes Modell erlaubt die erste Orientierung für den Wandel. Bis heute ungewöhnlich ist die Haltung, Widerstände gegen den Wandel in den Fokus zu stellen anstatt den Wandel als etwas Positives für Unternehmen und Mitarbeitende zu sehen. Auch heute noch herrscht die Haltung vor, Mitarbeitende zu motivieren, die Widerstände würden sich quasi von selbst erledigen.
Lewin hat ein Modell geschaffen, das Grundfragen beantwortet. Es fehlen konkrete Hinweise für die Gestaltung der Phasen, besonders zur dauerhaften Motivation der Mitarbeitenden. Nicht mehr zeitgemäß ist das Modell, da Wandel in den meisten Unternehmen zum Dauerzustand geworden ist – besonders in der oben beschriebenen Digitalisierung zeigt sich, dass es das „Refreezing“ und die Ruhephase heutzutage nicht mehr gibt. Wandel beginnt nicht und endet, sondern es wird eine fortlaufende Aufgabe von Unternehmen und allen Beteiligten, die nie enden wird.
Fazit: Wir brauchen ein zeitgemäßes und anwendungsnahes Konzept mit konkreten Handlungsanleitungen, das sowohl die inneren wie die äußeren Bedingungen des Unternehmens sowie die Auseinandersetzung aller Beteiligten damit berücksichtigt.
Change-Modelle im Test: Das 8–Stufenmodell von John P. Kotter
Kotter[2] hat Lewins Modell weitentwickelt und ein 8-Stufen-Modell formuliert. Diese 8 Stufen sind in der Theorie anerkannt und vielfach praktisch eingesetzt:
- Ein Gefühl der Dringlichkeit erzeugen: Bewusstsein für die Dringlichkeit des Wandels unter den Führungskräften und den Mitarbeitern schaffen.
- Führungsteam aufbauen: Richtungweisende Personen vereinen und gegenseitiges Vertrauen entwickeln.
- Entwicklung der Vision: Die übergeordnete Vision für das Unternehmen dient als Motivator für alle Beteiligten.
- Vision breit kommunizieren und Mitarbeiter überzeugen.
- Bevollmächtigen: Mitarbeiter auf breiter Basis motivieren und befähigen, nach der Vision zu handeln.
- Kurzfristige Ziele und Erfolge sicherstellen: Sie müssen sichtbar und eindeutig sein.
- Erreichte Ziele und Erfolge sichern und für weitere Veränderungen sorgen.
- Erreichte Veränderungen in der Unternehmenskultur verankern.
Zu den Vorteilen des Kotter-Modells gehört, dass die Schritte klar beschrieben sind. Sein Modell deckt gleichzeitig schwere Fehler bei der Durchführung von Change-Prozessen auf. Kritisch ist anzumerken, dass Kotters Modell nicht völlig empirisch bestätigt ist: Alas und Sharifi[3] konnten nur sechs der acht Stufen empirisch bestätigen, Hinweise auf die fünfte und siebte Stufe fanden sie nicht. Auf die entscheidende Bedeutung der Vision weist Kotter zwar hin, doch fehlt für die Analyse, was das tatsächliche Denken, Fühlen und Handeln der Mitarbeitenden in Unternehmen steuert. Die Vision könnte also auf einer Grundlage aufsetzen, die der Vision komplett entgegensteht. Die Entwickeln einer wirkungsvollen Vision sind nicht empirisch hergeleitet und zu wenig praxisgerecht ausgeführt: Wie muss die Vision konkret formuliert sein, damit sie optimal wirkt? Und wie lässt sich feststellen, ob die formulierte Vision genügend Motivation freisetzt? Wichtig ist auch der Hinweis, dass der Change-Prozess „top-down“ stattfindet: Der Prozesse wird vom Top-Management ins Leben gerufen und nach unten ins gesamte Unternehmen kaskadiert. Diese Sicht vernachlässigt das Engagement der Mitarbeitenden und deren aktive Rolle bei der Gestaltung von Veränderungen.
Fazit: Wir brauchen einen empirisch bestätigten Prozess, der die Mitarbeitenden ins Zentrum des Change stellt, deren Bewertungen und deren Handeln. Wir brauchen ein Modell, das so konkret ist, dass wir es möglichst wirkungsvoll in die Praxis einsetzen können, wie empirisch bestätigte Hinweise für die Gestaltung der Vision – immerhin die zentrale Quelle für die positive Einschätzung des Change und damit der Motivation aller Beteiligten. Wir brauchen einen konkreten Leitfaden, wenn es um die individuelle Auseinandersetzung jedes Beteiligten mit den subjektiv als Vorteile und Nachteile des Change geht, um Motivation von Managern und Mitarbeitenden im Unternehmen freizusetzen. Auch sollten Rückschritte erklärbar und gestaltbar sein.
Change-Modelle im Test: Das Fünf Phasen Modell nach Krüger
Als drittes Modell möchten wir das Change-Modell von Krüger[4] vorstellen: Es besteht aus fünf Phasen der Veränderung, wobei sich der Change-Prozess flexibel gestalten lässt.
- Stufe 1- Initialisierung: In einer internen und externen Analyse wird die Notwendigkeit zur Veränderung festgestellt. Parallel werden Führungskräfte und Berater aktiviert.
- Stufe 2 – Konzeption: Ziele werden klar definiert, Strategien festgelegt und Maßnahmen entwickelt.
- Stufe 3 – Mobilisierung: Krüger betont, wie wichtig hierfür die Kommunikation ist, um die Akzeptanz aller Beteiligten zu gewinnen und auf die veränderten Bedingungen vorzubereiten.
- Stufe 4 – Umsetzung: Änderungen finden statt, Folgeprojekte werden gestartet. Jedes Projekt wird auf seinen Erfolg hin geprüft und eventuell korrigiert.
- Stufe 5 – Verstetigung: Die Ergebnisse werden gefestigt und die Bereitschaft für künftige Veränderungen wird geschaffen.
Einschätzung: Das 5-Stufen-Modell von Krüger gibt konkrete Empfehlungen für Gestaltung des Wandels. Nachteil ist das Vorgehen, dass die Motivation der Mitarbeitenden quasi aus einem Deal entsteht: Mitarbeiter schätzen Aufwand und Nutzen der Arbeit ein und strengen sich dementsprechend mehr oder weniger an. Der Manager muss also dem Mitarbeitenden einen ausreichen großen Nutzen bieten (Geld etc.), damit dieser sich anstrengt. Viele Studien zeigen, wie kritisch die extrinsische Motivation für die dauerhaften Wandel und die Motivation der Mitarbeitenden einzuschätzen ist. Fazit: Wir brauchen einen Ansatz, der den Sinn der Arbeit in den Mittelpunkt stellt; einen Ansatz, der Freude, Sinn und Zufriedenheit mit der Arbeit nicht als Kosten-Nutzen-Abwägung auffasst.
Fazit
Schauen wir uns die drei bekanntesten Ansätze an, so können wir folgende Konsequenzen für unser eigenes Change-Management lernen:
- Wir brauchen einen empirisch bestätigten Prozess, der die Mitarbeitenden ins Zentrum des Change stellt, deren Bewertungen und deren Handeln.
- Wir brauchen ein Modell, das so konkret ist, dass wir es möglichst wirkungsvoll in die Praxis einsetzen können.
- Rückschritte sollten erklärbar und gestaltbar sein.
- Wir brauchen einen Ansatz, der die intrinsische Motivation des Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt; einen Ansatz, der Freude, Sinn und Zufriedenheit mit der Arbeit nicht als Kosten-Nutzen-Abwägung auffasst.
Autor
Prof. Dr. D. Georg Adlmaier-Herbst, Dozent, Berater
Prof. Dr. D. Georg Adlmaier-Herbst ist Honorarprofessor und Scientific Director der Forschungsstelle „Berliner Management Modell für die Digitalisierung (BMM )“ am Berlin Career College der Universität der Künste Berlin. Er ist Gastprofessor für „eCommerce in China“ an der Jiao-Tong-Universität in Shanghai (China), Hauptdozent im Executive MBA HSG für Unternehmenstransformation im Digitalen Zeitalter an der Universität St. Gallen (Schweiz), Dozent „Digital Leadership“, CAS Digital Innovation & Business Transformation, University of St. Gallen (Schweiz), Dozent im „CAS Strategic Communication“ an der Hochschule Luzern (Schweiz) und Gastprofessor an der Lettischen Kulturakademie in Riga (Lettland). Herbst ist außerdem als Berater für Unternehmen, Organisationen und Personen tätig. 2011 wurde er von der Zeitschrift „Unikum Beruf“ zum „Professor des Jahres“ gewählt. Er ist Mitglied im Rat der Internetweisen. Adlmaier-Herbst hat 20 Bücher geschrieben.
……………………………
[1] Lewin, K. (1947): Frontiers in Group Dynamics: Concept, method and reality in Social Science. Social Equilibria and Social Change. In: Human Relations 1 Nr. 5
[2] Kotter, John P. (2012): Leading Change. 6. Auflage. Harvard Business Review Press.
[3] Alas, R., Sharifi, S. (2002): Organizational Learning and Resistance to Change in Estonian Companies, in: Human Resource Development International, Vol. 5, No. 3, pp. 313-331.
[4] Krüger, W. / Bach, N. (Hrsg.) (2014): Excellence in Change: Wege zur strategischen Erneuerung. Wiesbaden: SpringerGabler.[/fusion_text][/fusion_builder_column][/fusion_builder_row][/fusion_builder_container]
Hinterlasse einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar schreiben zu können.