Therapeuten können ausführlich die Persönlichkeit eines Menschen durchleuchtet und tief in die Kindheit zurückgehen. Sie können alle Probleme des Klienten aufdecken und in mühsamer Kleinarbeit in jahrelangen Sitzungen bearbeiten. Dies dauert sehr lang, kostet viel Geld und macht viel Mühe. Ob der Klient zufrieden ist, bleibt ungewiss. Anders gehen Therapeuten vor, die sich auf die Ressourcen des Klienten konzentrieren statt auf die Probleme. Sie können Entwicklungen bewirken, die aus der Energie des Menschen kommen, und die ihn dauerhaft zufrieden stellen.

Ähnliches kennen wir aus der Imagepositionierung: Marktforscher erstellen ausführliche Studien zum Image, sie befragen viele Bezugsgruppen und Tausende von Menschen – mitunter sogar weltweit. Ergebnis ist ein Zahlenberg, der nur in wenigen Fällen tatsächlich zu essenziellen Verbesserungen des Images führt. Dieses Vorgehen dauert ebenfalls sehr lange, es kostet viel Geld und macht viel Mühe. Die abgeleiteten Maßnahmen dienen lediglich dem „Imagedefizitsausgleich“, wie es Kroeber-Riel 1993 ausgedrückt hat. Mit auf die Zunft gerichteter wirkungsvoller Positionierung hat dies nichts zu tun.

Die Alternative: Belohnungen

Wie in der Psychologie ist es auch in der Kommunikation möglich, sich auf seine Stärken und Ressourcen zu konzentrieren. Das Unternehmen prüft, was es besonders gut kann und auch künftig einzigartig gut macht. Hieraus leitet es eine klare Belohnung für seine Kunden ab. Belohnungen als Ressource statt an einzelnen Imageproblemen mühsam herumdoktern.

Das Belohnungsversprechen ist jenes einzigartige belohnende Gefühl, das die internen und externen Bezugsgruppen erleben, wenn sie das Anliegen des Unternehmens unterstützen. Dieses Versprechen ist für diese Bezugsgruppen wie Kunden, Geldgeber und Journalisten bedeutend und belohnend. Das Belohnungsversprechen ist Kern des Unternehmensleitbildes. Das Unternehmensleitbild zeigt, was das Denken und Handeln Ihres Unternehmens leitet und wie es sich langfristig entwickeln wird (Herbst, 2004).

Die Kernfragen des Belohnungsversprechens lauten:

  • Was kann ich vom Unternehmen und seinen Leistungen erwarten?
  • Was kann ich nicht erwarten?
  • Wie werde ich mich fühlen, wenn ich die Leistungen des Unternehmens in Anspruch nehme?
  • Wie werde ich auf andere wirken?

 

Die Kaffeekette Starbucks kommuniziert: „Wir bereisen die ganze Welt, um Ihnen den besten Kaffee zu bringen.“ Hierüber kann es Geschichten erzählen. Andere Unternehmen sind international tätig, um ihre Kunden noch erfolgreicher zu machen (Deutsche Bank) oder ihnen neue Anregungen zu bieten (Pro Idee). Das Belohnungsversprechen lässt sich sogar in einem Begriff zusammenfassen: Im Fall von Starbucks wäre dies Kurzurlaub, im Fall von Apple wäre es Individualität.

Die Formulierung eines Belohnungsversprechens zwingt die Beteiligten im Unternehmen, in den Motiven ihrer Bezugsgruppen zu denken und die einzigartige Befriedigung dieses Bedürfnisses zu versprechen. Für die interne Koordination aller Beteiligter ist das Belohnungsversprechen sinnvoll, weil es die Klammer über alle Aktivitäten bildet – alle haben die Aufgabe, den Bezugsgruppen ihr Belohnungsversprechen zu erfüllen.

Das Belohnungsversprechen besteht aus einem Satz. Dieser Satz enthält folgende Aussagen:

  • „Wir sind…“: Wenn wir ein Unternehmen kennen lernen, fragen wir uns, mit wem wir es zu tun haben: mit einem Pharmaunternehmen? Mit einem Schnapsproduzenten? Mit einem Non-Profit-Unternehmen? Hier könnten Sie auch Rollen aufführen, wie zum Beispiel den Experten oder den Freund.
  • „… der Dir….“: Was tun Sie für die Bezugsgruppen? Welche Leistungen erbringen Sie?
  • „…. Damit Du…“: Was ist die Belohnung aus Ihrer Tätigkeit für die Menschen? Welches einzigartige und besonders belohnende Gefühl haben sie, wenn Sie das Erreichen Ihrer Unternehmensziele unterstützen?

 

Hier einige Beispiele:

  • Konsumgüter: „“Wir sind Dein Navigator durch die Welt der xxx, der Dir die aktuellen Trends und Insights an die Hand gibt, damit Du Dich zurücklehnen und auf höchstem Niveau genießen kannst.”
  • Dienstleister: „Die XXX ist der führende Experte für das international ausgerichtete Wirtschafts-Hochschulstudium neben dem Beruf. Sie vermittelt herausragende Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz und hilft damit auf dem Weg zu beruflichem Erfolg.“
  • Verband: „Wir sind der führende, unabhängige Experte für xxx, der als starke Gemeinschaft deine Interessen unterstützt, damit du deine Fähigkeiten besser nutzen kannst.“
  • Hersteller für Investitionsgüter: “We are the leading expert in xxx, helping customers with very best automation solutions to be superior to their competitors.”
  • Gesundheit: “Wir sind Experten in Schmerztherapie, die durch neuartige Medikamente helfen, selbst bestimmt zu leben.”
  • Medien: „Ich bin Dein Radioprofi, der Dich wie ein Freund mit Information und Unterhaltung in Deinem Leben begleitet, damit Du Dich sicher, leicht und angeregt fühlst.“

 

Erfolgsfaktoren

Die Erfolgsfaktoren begründen, warum das Unternehmen sein Belohnungsversprechen einzigartig erfüllen kann. Es reicht mit Blick auf das Gehirn nicht aus, wenn ein Unternehmen behauptet, es sei kompetent, weil dies ungenau ist und weil es jeder behauptet. Stattdessen sollte das Unternehmen lebendig und deutlich wahrnehmbar vermitteln, was es unter diesem Begriff versteht, wie sich dessen Kompetenz zeigt und wie es diese weiterentwickelt, damit sich die Bezugsgruppen ein klares Vorstellungsbild davon machen können: Hat es lange Erfahrung im Markt? Beherrscht es bestimmte Arbeitstechniken? Fühlen sich die Menschen wohl? Worin zeigt sich, dass das Unternehmen besonders gut auf seine Mitarbeiter eingehen kann: Spricht die Firmenleitung regelmäßig mit ihnen? Hat sie stets eine offene Tür für sie? Holt sie sich deren kritisches Feedback ein?

Meist sind diese Erfolgsfaktoren:

  • Mitarbeiter: Sie setzen sich mit allen Kräften dafür ein, das Belohnungsversprechen zu erfüllen, zum Beispiel indem sie noch bessere Produkte schaffen, neue Ideen suchen, nah am Kunden sind und hohe Leistung bringen.
  • Wissen: Wo entsteht Wissen? Wie verbreiten die Mitarbeiter Ihr Wissen, damit es alle nutzen können? Wo suchen Sie die Unterstützung von Experten? Wo trennen Sie sich von Wissen, das nicht mehr zeitgemäß ist?
  • Herstellverfahren oder Zutaten: Spielt der Ort der Herstellung eine Rolle für das Belohnungsversprechen? Baut das Unternehmen Rohstoffe unter besonderen lokalen Bedingungen an, zum Beispiel unter besonderen klimatischen Verhältnissen?
  • Netzwerke: Wo kooperiert das Unternehmen mit anderen? Wie arbeitet das Unternehmen mit diesen Experten? Wie setzen sie gemeinsam das Belohnungsversprechen um?

 

Neben dem Belohnungsversprechen und den Erfolgsfaktoren ist die Haltung, aus der heraus das Unternehmen mit seinen Bezugsgruppen spricht.

Weitere Informationen finden Sie in der 5. Auflage meines Standarkwerkes „Corporate Identity“