„Corporate Imagery ist das vorausschauende, systematische und langfristige Gestalten von visuellen Bilderwelten.“ (Herbst, 2004).

Visuelle Bilderwelten sind sichtbare Zeichen, die die Unternehmenspersönlichkeit transportieren. Bilderwelten können über die Unternehmenspersönlichkeit informieren, sie können die mit der Unternehmenspersönlichkeit verbundenen Emotionen vermitteln und hierdurch wiederum bei den Bezugsgruppen Emotionen auslösen. Bilderwelten geben den Rahmen ab für den Einsatz sämtlicher visueller Gestaltungselemente wie Farben, Schriften und Logos.

Professionelle Bilderwelten sollen diffuse Eindrücke vermeiden, die verwirren könnten. Solche diffusen Eindrücke entstehen, wenn ein Unternehmen zu viele unterschiedliche Bilder in Broschüren, in der Werbung, im Imagevideo und auf der Firmenwebsite einsetzt. Stattdessen soll die Bilderwelt die Kernaussage des Unternehmens vermitteln und beständig wiederholen, damit die Bezugsgruppen diese Kernaussage speichern und behalten, also lernen.

Das Ergebnis professioneller Bilderwelten sind innere Bilder („Imageries“), die in den Köpfen der internen und externen Bezugsgruppen spontan entstehen, wenn sie an das Unternehmen und seine Leistungen denken, und die ihnen nicht mehr aus dem Kopf gehen.

Wie stark solche inneren Bilder wirken, zeigt sich an folgenden Beispielen:

  • Wir träumen in Bildern: Wer wäre nicht schweißgebadet aufgewacht, weil er sich inmitten einer schrecklichen Szene gesehen hat – einem Unglück, einer Katastrophe oder auch nur das eigene Versagen bei einer Rede vor wichtigen Leuten.
  • Wir erinnern uns in Bildern: Wenn wir an sehr bewegende Momente in unserem Leben zurück denken, dann entstehen in uns innere Bilder – vom Lachen eines Kindes, vom Abschied am Grab, vom Wiedersehen eines Freundes.
  • Wir orientieren uns durch Bilder: Wir können die Lage jeder Straße im New Yorker Stadtteil Manhattan beschreiben, weil wir das innere Bild dieses Stadtteils als Schachbrett besitzen. Durch innere Bilder können wir erklären, wo die Fischabteilung in unserem Supermarkt liegt.
  • Wir entscheiden anhand von Bildern: Menschen entscheiden sich für ihr nächstes Urlaubsziel, weil sie bildliche Erinnerungen an einen vergangenen Urlaub haben oder sich an ein attraktives Ziel erinnern, dass sie im Reisekatalog oder im Fernsehen gesehen haben.
  • Bilder sprechen stark an: Was uns beim Lesen eines Romans fesselt, sind die inneren Bilder von Personen und Situationen, die in uns entstehen. Wem hätte nicht das Herz geblutet, wenn das Suchbild einer entlaufenen Katze am Baum hängt. Spendenaufrufe aktivieren uns dann am stärksten, wenn wir Bilder sehen, so das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen.
  • Bilder fesseln uns: Wer möchte nicht immer wieder Bilder seines Lieblingsstars sehen und wird dessen nimmer müde?

 

In inneren Bildern und Welten bewegen wir uns 30 bis 40 Prozent unserer Wachzeit, so die Studie von Dr. Eric Klinger, die Mario Pricken in seinem Buch „Visuelle Kreativität“ zitiert. Sein Fazit: „Fantasiebilder, Vorstellungsbilder und Tagträume sind so normal und universell, dass sich die meisten Menschen darüber gar nicht bewusst sind, dass sie sich täglich diesem Vergnügen ausgiebig hingeben.“ (Pricken, 2003, 16)

Innere Bilder, so genannte „Imageries“, sind übrigens nicht nur sichtbare Reize, sondern auch hörbare, schmeckbare, riechbare und tastbare, wie zum Beispiel das Akustiklogo der Telekom und das Spezialpapier, in dem jede Underberg-Flasche steckt. Zu Batida de Coco gehören brasilianische Musik, Sand, Palmen, Kokosnüsse und braungebrannte, dunkelhaarige Brasilianerinnen, die das Markenerlebnis brasilianische Exotik und Erotik umsetzen. Mit Bärenmarke werden das Bärchen und die natürliche Bergwelt verbunden, mit der Duschmarke Cliff der Felsenspringer.

Aus der Werbung kennen wir weitere erfolgreiche Beispiele für Bilderwelten, die innere Bilder in uns entstehen lassen, wie Raffaello, Rocher und Werthers Echte. Nach Sichtung der Literatur zum Thema Bilderwelten in der Werbung kommt Erika Woll in ihrer Doktorarbeit zum Ergebnis: „Betrachtet man die Entwicklung der Werbung im Verlauf der letzten Jahrzehnte, so zeigt sich ein klarer Trend: Immer weniger Text, immer mehr Bilder und eine zunehmende erlebnisbetonte Ansprache der Konsumenten.“ (Woll, 1997, 1).

Bilderwelt stellen den flexiblen Rahmen für die gesamten PR dar. Dies hat vor allem folgende Vorteile:

  • Starker Gesamtauftritt: Der visuelle Gesamtauftritt ist wirkungsvoller, weil Motive, Farben etc. einheitlich ausgerichtet sind (Koordination). Jene Vielfalt nimmt ab, die keinen Nutzen schafft, sondern nur Kosten verursacht und diffuse Eindrücke beim Empfänger hinterlässt.
  • Stimmige Bildaussagen: Widersprüchliche Aussagen lassen sich vermeiden durch ein strategisches Konzept, das der Bilderwelt zugrunde liegt und an dem sich alle Beteiligten ausrichten und sicherer entscheiden können.
  • Einprägsam: Die Bilderwelt und damit die Kernaussage des Unternehmens wird durch deren umfassenden und wiederholten Einsatz von den Bezugsgruppen gespeichert und behalten.
  • Messbar: Durch klare Ziele der Bilderwelten lässt sich die Wirkung des visuellen Auftritts messen und bewerten (Kontrolle).
  • Kostenbegrenzung: Es ist kein Geld für neue Gestaltungsentwürfe erforderlich, da für jedes neue Kommunikationsinstrument und jede Maßnahmen auf die zentrale Idee zurück gegriffen werden kann sowie auf grundlegende Gestaltungselemente wie Farben, Schlüsselbilder, Hintergründe, Schemata.

 

Die Bilderwelt darf kein starres Korsett sein:

  • Einsatz in allen Instrumenten und Maßnahmen: Bilderwelten sollten den Rahmen abgeben für sämtliche Instrumente der internen und externen Kommunikation, also sowohl für die persönliche Kommunikation als auch die medial vermittelte Kommunikation über Printmedien und elektronische Medien. Die Bilderwelt ist Gestaltungsgrundlage vieler weiterer Instrumente und Maßnahmen, wie zum Beispiel Geschäftsausstattung, Fahnen, Anzeigen, Fuhrpark, Produktkennzeichnung, Events etc.
  • Entwicklung im Zeitverlauf: Die Bilderwelt sollte den Rahmen abgeben für den visuellen Unternehmensauftritt in den kommenden Jahren, denn es dauert, bis die Bezugsgruppen die Bilder lernen und speichern, dass diese Bilderwelt zum Unternehmen gehört. Die Bilderwelt sollte einerseits durch sein Schlüsselbild beständig sein, andererseits durch die Gestaltung des Umfeldes des Schlüsselbildes viele Variationen ermöglichen.
  • Stimmig mit Produktwelten: Die Bilderwelt muss vielfältig genug sein, damit sie mit den Bilderwelten der Marken kompatibel ist oder diesen zumindest nicht widerspricht.
  • International auslegbar: In vielen internationalen Unternehmen ist es erforderlich, die Kommunikation auf die Ländermärkte auszurichten, weil deren Kultur es erfordert. Die Bilderwelt gibt dem visuellen Auftritt eines Unternehmens eine Klammer und ermöglicht dennoch jedem Land bzw. jeder Region, die Bilderwelt auf seine Weise auszulegen und damit weitmöglich auf die Bezugsgruppen zuzuschneiden.

 

Sorgen sind also unberechtigt, die Bilderwelt könnte zu stark einschränken: Es besteht viel kreativer Freiraum, die Kernaussage der Bilderwelt immer neu umzusetzen. Der Grundsatz gilt: Soviel Freiheit wie möglich, so wenig Vorgaben wie nötig.

Die Bilderwelt gibt den Rahmen durch die visuelle Kernaussage vor, umgesetzt in Schlüsselbildern, die aus der Unternehmenspersönlichkeit abgeleitet ist und die größten Gestaltungsfreiraum sichern soll. Zum Beispiel kann die Kernaussage „Menschen mit Energie“ durch die Abbildung von Personen, Alltagsgegenstände aktiver Menschen und Sportmotive vermittelt werden. Bilderwelten ermöglichen demnach gezielte Kreativität.

Wichtige Begriffe:

  • Bilderwelten: Starke, einzigartige Bilder, die die Unternehmenspersönlichkeit transportieren, und zu inneren Bilder bei den Bezugsgruppen führen.
  • Innere Bilder  („Imageries“): Stark verfestigte und dominierende visuelle Vorstellungen, die sich spontan im Gedächtnis einstellen, wenn nach einer Marke oder Firma gefragt wird.
  • Innere Bilder sich gespeicherte visuelle Eindrücke von Unternehmen.
  • Schlüsselbilder: Schlüsselbilder sind der Kern der Bilderwelt, der beständig bleiben muss, aber dessen Umfeld variiert werden kann.
  • Corporate Imagery Management (CM): Systematischer Aufbau und langfristige Entwicklung von starken und einzigartigen inneren Bildern der Unternehmenspersönlichkeit.
  • Imageryforschung: Wirkung von informativen und emotionalen Bildern auf das Verhalten.