Derzeit finden wir viele Geschichten in Werbung und PR: Geschichten vom Unternehmen, von Menschen und Marken. Doch warum sind viele von ihnen so belanglos und langweilig? Antwort: Ihnen fehlt es an Spannung. Spannung (engl. Suspense) ist zwar eines der wesentlichen Kennzeichen von Geschichten, doch ist kaum klar, was Spannung ist, wie sie entsteht und gestaltet wird. Peter Vorderer schreibt schlicht: „Spannung ist, wenn’s spannend ist “. Was also ist Spannung? Wie entsteht sie? Und wie lässt sie sich entwickeln?

Spannung als Erregung

Spannung ist zunächst eine Erregung, die körperlich entsteht und die wir psychisch erleben: Unser Körper ist aufgeputscht und aktiviert, was für Aufnehmen und Speichern von Informationen wichtig ist. Diese Erregung empfinden wir als grundsätzlich positiv, sonst meiden wir die Geschichte. Die Erregung kann sich im Verlauf der Geschichte derart steigern, dass wir uns nicht von der Geschichte lösen können. Sie kann sogar vorübergehend so stark sein, dass sie als negativ empfunden wird – doch muss sie nach einer bestimmten Zeit wieder in eine positive Grundstimmung umschlagen. Überschreitet die Erregung eine gewisse Schwelle, ist das Lernen blockiert, weil wir uns derart mit unseren Gefühlen beschäftigen, dass sich unser Verstand ausschaltet.

Spannung durch Unsicherheit

Den Begriff Spannung entscheidend geprägt hat Alfred Hitchcock: Seine Definition ist untrennbar mit dem unterschiedliche Wissen zwischen dem Autor und dem Rezipienten verbunden. Der Hauptcharakter hat oft innere Konflikte, zweifelt, ist sich unsicher – dies erzeugt Spannung, da sich der Leser nicht sicher sein kann, ob der Charakter seine Pläne wirklich umsetzt. Überdies werden die handelnden Personen häufig mit Situationen konfrontiert, die auf den ersten Blick unlösbar erscheinen, auch dies erzeugt Spannung: Der Rezipient ist in Erwartung, wie die Handlung weitergeht.

Spannung als Erwartung

Andere Autoren verstehen unter Spannung die Erwartung, was als nächstes kommt: „Suspense in the simplest terms of compelling us to wonder what is coming next, is of the essence of storytelling, […]“ (Hammond, Thriller Movies, S.20) Ebenso hat Spannung etwas mit der „Unsicherheit eines Verlaufs, einer Entwicklung einer Geschichte zu tun.“ (Wulff/Jenzowsky, „Suspense/Spannungsforschung des Films: Bericht“, S.12).

Spannung und Bestätigung

In einer Geschichte suchen wir die Bestätigung unseres Weltbildes: Das Gute siegt, der Böse verliert. Bis zum Ende hoffen und bangen wir, dass sich unser Weltbild bestätigt. Sicher sein könnnen wir nicht. Diese Unsicherheit ist es, die Spannung erzeugt. Spannung, lässt sich als Mischung aus Hoffen und Bangen rekonstruieren: Die Rezipienten hoffen auf ein gutes Ende für die moralisch Guten und auf ein schlechtes Ende für die moralisch Bösen, denn sie haben Angst davor, dass die Geschichte genau das umgekehrte Ende nehmen könnte (nach Klimmt 2009)

Praxistipps: Gestaltung von Spannung

Zur Gestaltung von Spannung sind einige Voraussetzungen zu erfüllen: Interesse schaffen, Identifikation, Empathie erzeugen, Beziehung zu den Protagonisten aufbauen, Interaktivität schaffen (Rezipient soll zur Lösung des Problems beitragen)

  • Interesse schaffen und Neugier erzeugen: Werfen Sie Fragen auf, deren Beantwortung den User sehr interessieren. Es ist also wichtig, Fragen nicht direkt zu beantworten, denn es wäre ja langweilig, wenn der Mörder ab der ersten Seite bekannt wäre. Stattdessen las-sen Sie den User rätseln, was ihn einige Zeit beschäftigt. Wenn Sie etwas schreiben, ist es immer gut, sich zu fragen, was Sie interessieren würde und was Sie langweilig fänden, um das aufgreifen zu können.
  • Identifikation und Empathie erzeugen: Wichtig ist, dass sich der Leser mit dem Charakter identifizieren kann und sprichwörtlich mit ihm „mitfiebert“.
  • Beziehung zu den Protagonisten aufbauen
  • Interaktivität schaffen: User soll zur Lösung des Problems beitragen. Interaktivität im Storytelling beteiligt den User stärker und der Computer erlaubt zugleich, weitere Formen der Herausforderung zu realisieren, etwa indem der User sich frei in den virtuellen Welten bewegen und verschiedene Handlungsmöglichkeiten ausprobieren kann.
  • Das Interaktionspotenzial baut somit ebenfalls Spannung auf und das Ausprobieren, Erkunden und Testen führt beim Spieler zu einem angenehmen Aha-Effekt.

 

Spannungsbogen

Spannung baut sich über mehrere Kapitel auf. Im Idealfall baut sich dieser auf den ersten Seiten auf, erreicht seinen Höhepunkt kurz vor Ende des Buches und fällt erst auf den letzten Seiten. Es kann auch mehrere Spannungsbögen geben, die parallel existieren. Zudem sollte während der Geschichte immer wieder auf den die Spannung erzeugenden Konflikt zurückgekommen werden, um neue Elemente hinzuzufügen. Das ist wichtig, damit die Geschichte nicht langatmig erscheint und der Leser nicht das Gefühl erhält, dass es nicht voran ginge. Wenn Sie den Spannungsaufbau analysieren möchten, ist es sinnvoll, den Verlauf der Geschichte bzw. der Spannung aufzumalen. Zeichnen Sie dazu eine Grafik, die verdeutlicht, wie hoch die Spannung in den einzelnen Abschnitten der Geschichte ist. Wenn es eine spannende Situation gibt, wechselt häufig das Geschehen, sodass der weitere Verlauf erst mal noch offen bleibt.

Spannungsaufbau durch fünf Akte nach Freytag

Eine spannende Geschichte folgt einem bestimmten Aufbau:

  • Exposition: In der Exposition werden wieder alle Hauptfiguren, Spieler und Gegenspieler, Örtlichkeiten sowie der Auslöser für den Konflikt dargelegt. Dieser muss jedoch nicht immer offensichtlich sein.
  • Handlungssteigerung: Weitere Komplikationen verhindern die Lösung des Konflikts.
  • Klimax: Der Höhepunkt ist der spannendste Teil der Geschichte. Wie beim Drei-Akter wird die Handlung und der Konflikt auf die Spitze getrieben.
  • Handlungsabfall: Die Spannung wird allmählich abgebaut und Nachwirkungen des Höhepunktes offenbart.
  • Denouement/Auflösung: Nach dem Abfall der Handlung wird der Konflikt endlich aufgelöst.

Zu vermeiden gilt es: Uninspirierte Szenarien mit voraussagbarem Ende