Homo Deus – dies ist der Titel der aktuellen Ausstellung des Berliner Künstlers Lars Theuerkauff. Zur Eröffnung am 21. Juli 2017 hatte er mich eingeladen, einige Begrüßungsworte zu sprechen. Hier mein Redetext:
„Guten Abend und herzlich willkommen zur Eröffnung der Ausstellung „Homo Deus“ von Lars Theuerkauff. Um es gleich zu sagen: Ich bin weder Kunstkenner noch Kunstkritiker, der kluge Dinge über Kunstwerke sagen kann. Also warum stehe ich hier?
Ich könnte jetzt sagen, dass mein Mann und ich Lars und seine Kunst sehr lieben. Doch das tun sicher alle hier. Also warum stehe ich hier?
Ich erforsche die Zukunft der Digitalen Transformation in Wirtschaft und Gesellschaft. Und dies hat viel mit dem Titel der neuen Ausstellung von Lars Theuerkauff zu tun.
Schon einmal hatte mich Lars gebeten, als Wissenschaftler die Einleitung zu seinem Ausstellungsband zu schreiben. Ich fand dies mutig. In meinem damaligen Beitrag habe ich die Fragen beantwortet, was in unserem Kopf und unserem Körper geschieht, wenn wir völlig gebannt und fasziniert vor einem Bild stehen, wenn uns Schauer über den Rücken laufen, wenn wir Gänsehaut bekommen wenn uns ein Bild einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Dies hat ihm offenbar gefallen.
Jetzt hat er mich also als Zukunftsforscher gebeten, zur Eröffnung seiner neuesten Ausstellung zu sprechen, deren Titel „Homo Deus“ von einem Historiker stammt. Warum geht es?
Homo Deus ist das neueste Buch des israelischen Historikers Yuval Harari, der an der Hebräischen Universität in Jerusalem forscht. Harari wirft in seinem neuesten Buch einen Blick in die Zukunft des Technologiezeitalters:
„Wir stehen kurz vor dem Ende der Menschheit so wie wir sie kennen“, so der Autor.
Was ist geschehen?
Eigentlich könnte alles so schön sein: Im Lauf der Menschheitsgeschichte haben wir zunehmend Kontrolle gewonnen über Hunger, Dürren, Naturkatastrophen. Viele Voraussetzungen scheinen erfüllt, um dem ewigen Kreislauf zu entgehen von Krankheit und Krieg, Not und Tod. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts stirbt der Durchschnittsmensch mit größerer Wahrscheinlichkeit, weil er sich bei McDonald’s vollstopft, als durch eine Dürre, Ebola oder einen Anschlag von al Qaida. Globale Risiken sind beherrschbar geworden. Die große Mehrheit jedenfalls bleibt davon heute verschont.
Die Zukunft scheint so offen und gestaltbar wie nie.
Das Problem: Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, dass wir zufriedener sind als die Menschen von früher. Ein Grund sieht Harari in den kontinuierlich gestiegenen Erwartungen. Man könnte es auf die Formel bringen: Je besser unsere Lebensbedingungen sind, desto höher werden unsere Erwartungen. Das Glück des Menschen soll jetzt darin liegen, nicht mehr nur unsere Umweltbedingungen zu kontrollieren, sondern auch unser eigenes Leben. Helfen dabei sollen uns Biotechnologie, künstliche Intelligenz und Robotik. Wir werden neueste Technologie nutzen, um uns zu verändern. Unsere Nachfahren könnten Cyberwesen sein, die das künftige Leben dominieren.
Der Homo Sapiens wird zur neuen Spezies des Homo Deus.
Der Homo Deus ist eine Gattung von Übermensch mit gottgleichen Fähigkeiten, die alle Übel beherrschen, am Ende sogar die eigene Biologie und damit den Tod. Homo Deus ist also der göttliche Mensch.
- Durch Biotechnologie können wir unser Erbgut selektieren und optimieren wie im Fall der Designerbabies. Wir können neue Gliedmaßen herstellen. 3D-Drucker replizieren Haut.
- Wir werden halb zu Maschinen, zu Cyborgs, durch bionische Hände, künstliche Augen, Nano-Roboter in unseren Blutbahnen
- Durch Künstliche Intelligenz können wir Roboter schaffen mit menschenähnlichen Eigenschaften, die aber viel intelligenter sind als wir.
Stellen Sie sich vor, wie weit wir heute schon sind:Gerade gestern erhielt ich die Einladung zum „Third International Congress on Love and Sex with Robots“, die im Dezember in London stattfindet. Wissenschaftliche Beiträge können eingereicht werden zu Themen wie
- Roboter-Emotionen
- Roboter-Klone
- Teledildonics, was immer das auch sein mag
- Intelligente, elektronische Sex Hardware
Veranstalter ist übrigens die renommierte University of London. Die wissenschaftlichen Beiträge veröffentlicht der anerkannte Springer Wissenschafts-Verlag.
Maschinen können heute schon unsere Gefühle besser bestimmen als wir selbst. Auf Grundlage unserer Gefühle schlägt die Maschine vor, was wir essen sollten, welche Musik wir hören und welche Webseiten wir besuchen sollten.
Designerbabies, Teledildonics und Gefühle bestimmende Maschinen. Sie fragen sich bestimmt, was dies alles mit der Kunst von Lars Theuerkauff und dieser Ausstellung zu tun hat? Hierzu komme ich jetzt.
Ich möchte einen Aspekt aus der Diskussion um unser künftiges Glück herausgreifen: Roboter können heute schon 5000 Choräle von Bach in einem Tag komponieren. Selbst Kenner bemerken keinen Unterschied zwischen Original und Maschine:
Harari prophezeit: „Computer werden schon bald die besseren Künstler sein als die Menschen.“
Durch Datenleistung können Sie viel besser mit Gefühlen spielen als jedes menschliche Wesen. Sicher, künstliche erzeugte Werke können durch perfekte Komposition starke Gefühle in uns auslösen. Aber reicht uns das aus? Wollen wir das wirklich? Wollen Sie das?
Lars sagt hierzu:
„Es ist toll, wenn man ein Gemälde ewig lang angucken mag, wenn die Machart, die Komposition oder die Farbigkeit einen fesselt. Aber das allein ist nicht genug… Ich vergleiche ein gelungenes Kunstwerk gerne mit einem Menschen, in den ich mich verlieben möchte: Da hilft Schönheit sicherlich, aber das ist nur ein Versprechen; was dahinter steckt, darauf kommt es an…“
Ich frage Sie: Was ist die Perfektion des Malens durch einen Roboter gegenüber der Erschaffung eines Kunstwerks durch einen Maler aus Fleisch und Blut? Mit Herz und Seele?
Der Künstler und sein Schaffen
Das Entstehen eines neuen Kunstwerkes beginnt für Lars mit der persönlichen Entdeckungsreise. In einem Interview sagt er:
„Für mich ist künstlerisches Schaffen wie Neulandgewinnung… Die Herausforderung besteht darin, sich ins offene Meer zu trauen…“
http://lars-theuerkauff.de/#TB_inline?height=640&width=1000&inlineId=eris308268073
Tief im Inneren seines Unterbewusstseins wächst in Lars die Idee an einem Bild heran. Die Idee erscheint und verschwindet wieder bis sie irgendwann ihren Weg auf die Leinwand findet.
Lars sagt: „Oft hab ich Ideen, die ich wochenlang mit mir herumtrage, irgendwann verlier ich sie aus den Augen, und dann plötzlich werden sie in Bruchstücken an anderer Stelle wieder angespült.“
Sein Malen ist sehr sinnlich: Lars arbeitet mit seinen Händen: Er berührt die Farbe, er riecht sie, er schmeckt sie sogar, wenn ein Tropfen davon in seinen Mund gelangt. Der Prozess des Schaffens ist spontan, intuitiv, emotional: Bei einem unserer schönen Gespräche auf unserer Terrasse sagte Lars einmal:
„Ich beginne mit einer Folge von Einzelaufnahmen. Ich wähle Bilder aus, die zueinander in einem Spannungsverhältnis stehen. Ähnlich wie bei der Filmmontage will ich, dass zwischen den Einzelbildern etwas drittes, imaginäres, ein eigener Gedanke entsteht.“
Meine Damen und Herren, Roboter haben keine eigene Gedanken, keine eigenen Gefühle. Das ist einer der großen Unterschiede. Entsteht sein Werk, sind Denken, Fühlen und Handeln des Künstlers beteiligt. Alles fließt in das Bild ein. So wird das Werk ein Teil von ihm. Das ist der Grund, warum sich viele Künstler, wie auch Lars, schwer tun, sich von ihren Werken zu trennen. Das Erleben vor der Leinwand – die innere Auseinandersetzung und das nach außen bringen, ist von einem Bündel von Gefühlen begleitet. Reichhaltige Erlebnisse entstehen. Der französische Philosoph Rene Déscartes sagte: „Ich DENKE, also bin ich“. Der denkende Mensch sei der seiende Mensch. Falsch! Richtig ist in meinen Augen: „Ich FÜHLE, also bin ich.“ Lars ist, wenn er fühlt. So kann er die höchste Form des Glücks erreichen. Er er-fühlt, was er mag. Er er-fühlt, was er nicht mag. „Glück und Verderben“ heißt deshalb eine Bilderreihe, die er Ihnen heute Abend vorstellt.
Jede neue Arbeit baut auf den bisherigen auf. Hierzu Lars:
„Die Bilder, die ich bereits gemalt habe, sind wie eine Insel, wie fester Boden unter den Füßen.“
Jedes neue Werk wird für ihn zur neuen Entdeckungsreise:
„Ich bin wahnsinnig neugierig auf die Bilder, die ich in Zukunft malen werde. Das ist das tolle, wenn man das Glück hat, jeden Tag ins Atelier zu gehen und weitermalen zu dürfen.“
Und wir? Sein Publikum?
Das Erleben des Publikums
Die Werke von Lars kommunizieren mit uns. Sehr intensiv. Auch unser gesamtes Denken, Fühlen und Handeln sind beteiligt – wenn wir uns darauf einlassen.
- Wir als Betrachter denken mit: Was hat sich der Künstler gedacht? Was ist in ihm vorgegangen? Wir Wissenschaftler haben für diesen Phänomen den Namen „Theory of mind“.
- Wir fühlen mit: Wie hat Lars sein Werk erlebt? Wie sollen wir es erleben? Erleben wir es so wie er?
- Wir handeln mit: Sehen wir Bewegungen auf einem Bild, verhält sich unser Gehirn so, als ob wir diese Bewegung selbst ausführen.
Lars ist sich dieser Synchronisierung bewusst:
„Dadurch dass vieles in meinen Bildern nur angedeutet ist, muss der Betrachter das, was er sieht vervollständigen, er muss Auslassungen ergänzen, mitdenken, sich das Motiv – im wahrsten Sinne des Wortes – „zu eigen machen“. So würde ich ein gelungenes Bild beschreiben: Als Fenster und Spiegel zugleich…“
Beim Betrachten eines Bildes von Lars sind auch wir mit allen Sinnen beteiligt, so wie der Künstler zuvor. Die enorme Sinnlichkeit und das Gefühl sind in uns selbst, wenn man das Bild ansieht oder auch nur an das Bild denkt.
Meine Damen und Herren, Lars teilt heute seine Welt mit uns. Ich danke der Galerie Tammen und Partner, dass sie diese Ausstellung möglich gemacht hat.
Gehen Sie jetzt los. Erfühlen Sie die Bilder von Lars Theuerkauff mit Ihrem Herzen und nehmen Sie sich gern ein Erlebnis mit nach Hause. Ihnen viel Freude und Dir, lieber Lars, viel Erfolg mit Deiner Ausstellung „Homo Deus“.“
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