Storytelling ist hervorragend für die Nachhaltigkeitskommunikation geeignet: Geschichten fallen auf, sie wecken Interesse, informieren, unterhalten, erzeugen Zustimmung und lösen sehr positive Gefühle aus. Wir behalten sie lange im Gedächtnis und erinnern uns gern an sie. Sie motivieren uns zum Handeln. Storytelling bedeutet, den internen und externen Bezugsgruppen Fakten über das Unternehmen und seine Bemühungen um Nachhaltigkeit gezielt, systematisch geplant und langfristig in Form von Geschichten zu erzählen. Dies macht wichtige Informationen besser verständlich. Geschichten können neben Wissen und Fakten auch Erfahrungen und Werte vermitteln. Sie können zu kreativem und systemischem Denken anregen. Im Gegensatz zu analytisch-wissenschaftlichem Denken, das auf Faktenwissen beruht, stehen beim Storytelling das Verstehen von Zusammenhängen, Bedeutung und Sinn im Vordergrund. Durch Geschichten über Nachhaltigkeit können wir unser Gegenüber einbeziehen und ihn anregen, seine eigene Meinung zu bilden. Dies fördert geistige Beteiligung und fügt damit der Kommunikation eine neue Qualität hinzu.
Bedeutung von Storytelling
Schon von Kindesbeinen an lernen wir die Welt durch Geschichten kennen, die wir auf dem Schoss unserer Eltern und Großeltern gehört haben. Wir erfahren, welche Konflikte es in der Welt gibt und nach welchen Regeln Menschen diese Konflikte austragen und zu lösen versuchen. Wir lernen Muster, wie jenes, dass das Gute das Böse besiegt und dass sich Hässliches in Schönes verwandeln kann, wie der Frosch, der zum Prinzen wird. So lernen wir weit mehr als das eigentlich Gesagte. Auch das Thema Nachhaltigkeit können Unternehmen am wirkungsvollsten kommunizieren, wenn sie dies in Geschichten tun. Dahinter steht die Erkenntnis, dass sich Geschichten hervorragend eignen, Fakten über die Aktivitäten der Nachhaltigkeit von Unternehmen interessant und manchmal sogar spannend zu verpacken. Durch diese Geschichten erfahren wir die Beweggründe für Nachhaltigkeit, Träume und Visionen der Beteiligten, deren Erfolge und Misserfolge, deren Zweifel und Gewissheiten, wir erfahren von den Motiven der Mitarbeiter und Kunden, warum sie die Bemühungen um Nachhaltigkeit des Unternehmens unterstützen.
Abstraktion als Herausforderung im Storytelling von Nachhaltigkeit
Warum ist Storytelling für die Kommunikation von Nachhaltigkeit so geeignet? Ökonomie, Ökologie und Soziales sind abstrakte Themen. Ökologie wiederum besteht aus abstrakten Themen wie Klima, Atmosphäre, Arten, Lebensräume, Ressourcen wie Wasser, Boden, Bodenschätze. Dies ist für das Gehirn sehr schwierig zu verstehen, zu lernen und in Handeln umzusetzen. Stattdessen denkt das Gehirn konkret in Bildern, Bedeutungen und Zusammenhängen. Es denkt in Menschen und deren Handeln an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten, was vor Schaden bewahrt oder beiträgt, dass unser Wohlbefinden steigt. Eine Lösung aus diesem Dilemma ist, in der Kommunikation über Nachhaltigkeit immer auch in Orten, Menschen und Handlungen zu denken. Eine weitere Lösung ist die Erzählleiter der beiden Schweizer Storyteller Marie Lampert und Rolf Wespe: Sie beginnt auf der obersten Sprosse mit dem abstrakten Thema, zum Beispiel Energie. Mit jeder Stufe wird sie konkreter, bis sie bei Kerze und Heizkörper angelangt ist. Gewiss, wir müssen immer wieder den Kontext zu den übergeordneten Themen herstellen, doch hier helfen „Inseln der Verständlichkeit“ im „Meer der Abstraktionen“: Das abstrakte Themen wird durch verständliche Beispiele und Anwendungen erläutert, bevor der Erzähler zu einem weiteren abstrakten Begriff kommen kann.
Persönliche Bedeutung als Herausforderung
Storytelling wirkt auch deshalb besonders stark, weil wir die Bedeutung eines Themas für jeden Einzelnen verdeutlichen können. Hintergrund: Unser Gehirn muss permanent aus einem riesengroßen Angebot an Informationen auswählen, weil es nicht alle angebotenen Infos verarbeiten kann. Es findet, so Hirnforscher Prof. Ernst Pöppel, eine informatorische ‚Müllbeseitigung‘ statt. Wir nehmen nur das zur Kenntnis, was wichtig ist oder was wichtig sein könnte. Was ist das? Einerseits das, was uns Schaden und Unwohlsein vorbeugt oder andererseits was unser Wohlbefinden steigert. Konsequenz: Wir sollten immer erzählen, was Nachhaltigkeit für jeden bedeutet und wie sie bei jedem einzelnen von uns Gefahren vorbeugen oder Wohlsein schaffen. Formulierungen wie „…in Zu-kunft“, „nachfolgende Generationen“ sind hierfür erst einmal wenig geeignet, weil die persönliche Wichtigkeit für uns unklar bleibt. Stattdessen sollte möglichst deutlich werden, warum Nachhaltigkeit ein so gutes Gefühl in uns auslöst, dass wir danach handeln, zum Beispiel Sicherheit, Fürsorge, Entdeckung oder Überlegenheit.
Aufgaben von Storytelling
Gute Storys über Nachhaltigkeit fallen auf, sind leicht verständlich und halten das Interesse der Bezugsgruppen. Unternehmen erzählen, wie sie hart für Nachhaltigkeit arbeiten, welche Hindernisse sich ihnen hierbei in den Weg stellen und wie sie diese überwinden. Storytelling verfolgt demnach vier Aufgaben:
- Es macht auf das Unternehmen aufmerksam;
- es informiert über das Unternehmen, dessen Nachhaltigkeit und Zukunft;
- es löst bedeutende Gefühle aus in den internen und externen Bezugsgruppen;
- es sorgt es dafür, dass die Bezugsgruppen das Unternehmen besser speichern und aus ihrem Gedächtnis leicht und schnell abrufen können.
Hierzu erzählt das Unternehmen von Menschen in diesem Unter-nehmen und deren Leistungen für Nachhaltigkeit: Welches Anliegen hat das Unternehmen? Welche Hindernisse stellen sich ihm hierbei in den Weg? Wie erfüllt es dennoch seinen Auftrag? Wie belohnen es die Menschen hierfür? Geschichten in der Kommunikation liefert der Reformpädagoge Johann Heinrich Pestalozzi schon 1777: Durch Spendenbriefe hielt er regelmäßigen Kontakt zu seinen Spendern und Unterstützern. In diesen Spendenbriefen erzählt Pestalozzi Geschichten aus dem Alltag der Kinder, die er in seinem Projekt betreute; er skizzierte Ein-nahmen und Ausgaben und verdeutlichte, wie er die Spendengelder verwendet und macht hierdurch den Erfolg deutlich: Ein Haus bekam ein neues Dach, er konnte Werkzeuge anschaffen und Land zum Bewirtschaften pachten. Seine Briefe enthielten auch selbstkritische Berichte über Probleme und Misserfolge und vermittelten somit einen ungeschminkten Einblick in seine Arbeit.
Technik des Storytelling
Was an diesem Beispiel deutlich wird: Die Technik des Storytelling besteht aus den drei Komponenten: was das Unternehmen erzählt (Handlung), wie das Unternehmen dies erzählt (Darstellung) und wozu (Wirkung):
– Was: Mit der Handlung und den daran beteiligten Personen verdeutlicht das Unternehmen, wie es die Motive seiner Bezugsgruppen einzigartig befriedigt.
– Wie: Wie es das erzählt, ist durchdacht und nach einem Muster aufgebaut. Die beiden wichtigsten Anforderungen: Die Handlungen stehen in einem zeitlichen und einem inhaltlichen Zusammenhang.
– Wozu: Die Ziele des Storytelling sind zum einen, das Unternehmen bei wichtigen Bezugsgruppen bekannt zu machen und dieses in deren Köpfen präsent zu halten, so dass es im Fall einer Entscheidung spontan erinnert wird; zum anderen tragen.
Geschichten dazu bei, das klare Vorstellungsbild vom Unternehmen und seinen Leistungen aufzubauen und dieses Bild langfristig und systematisch zu entwickeln. Die Urform von Geschichten ist schon seit jeder die gleiche. Sie scheint begründet in unserer überlebenswichtigen biologischen Vergangenheit der Nahrungsaufnahme: Bewusstwerden des Bedürfnisses, Verlassen der Basis, Entdeckung des rechten Ortes, Kampf um die Nahrung, Erfolg, Rückkehr. Aus dieser Urform ist ein Muster entstanden, dass wir auch heute noch kennen, es ist tief in uns abgespeichert:
- Auslöser der Handlung ist ein Mangel, eine Schädigung oder eine Verbotsverletzung: Dies kann der schlechte Umgang mit Ressourcen sein.
- Der Held ist mit der Gegenhandlung beauftragt und zieht los: Storytelling über Nachhaltigkeit beschreibt, wie das Unternehmen diesen Mangel beheben will.
- Der Held wird auf die Probe gestellt und bekommt als Belohnung zusätzliche Unterstützung, z.B. durch einen Helfer.
- Der Held gelangt an den gesuchten Ort und trifft dort auf seinen Gegenspieler.
- Der Gegner wird besiegt und die Mangel behoben.
- Der Held wird für seine Taten belohnt.
Wichtiges Element in Geschichten ist der Wandel: Was einst hässlich, ungeliebt und einsam war, wird schön, begehrt und beliebt – das hässliche Entlein wird zum stolzen Schwan, Aschenputtel wird mit Hilfe einer guten Fee zur Prinzessin, die den Prinzen erobert. Geschichten nähren den Glauben an Gerechtigkeit wie bei dem Geächteten Robin Hood, der die Reichen im Sherwood Forrest ausraubt und das Erbeutete den Armen gibt. Das Element des Wandels finden wir auch heute noch als Kernelement in guten Geschichten. In der Nachhaltigkeit ist das Unternehmen nicht mehr das gleiche wie zuvor. Weiteres wichtiges Element ist der Konflikt: Der Mensch kämpft gegen Angst, Unsicherheit, Unterlegenheit, Wut. Der Konflikt ist eine Auseinandersetzung von Menschen und Normen, auch ein innerer Widerstreit von Motiven, Wünschen und Werten. Ausdruck und Höhepunkt eines Konflikts ist eine äußere wie innere Krise, eine gestörte Ordnung, die auf eine Lösung drängt. Insofern führen Konflikte und Krisen auch zu Wendepunkten im Leben eines Individuums, einer Familie oder einer Gesellschaft. Konflikte in der Nachhaltigkeit könnten sein die Ignoranz von Politikern, Konflikte mit der Gesellschaft oder mit Technik, unterschiedliche Normen und Wertvorstellungen der Bewahrer und Veränderer im Unternehmen. Konflikte beziehen auch die Adressaten ein, indem sie wissen wollen, wie der Konflikt endet.
Ziele von Storytelling
Das Ergebnis von Storytelling ist, dass die wichtigen internen und externen Bezugsgruppen ein klares Bild vom Unternehmen, dessen Nachhaltigkeit und Zukunft entwickeln und sich daraufhin positiver gegenüber dem Unternehmen verhalten: Mitarbeiter setzen sich stärker für ihr Unternehmen ein, wenn sie die Geschichte von der gemeinsamen, erfolgreichen Kampf für Nachhaltigkeit verbindet; Journalisten berichten über jene Unternehmen häufiger, die ihnen interessante Geschichten zu bieten haben. Kunden kaufen im Zweifelsfall eher von Unternehmen, von dessen nachhaltigen Aktivitäten sie überzeugt sind. Besonders verhaltenswirksam am Storytelling sind die durch die Geschichten entstehenden inneren Bilder, die spontan vor dem in-neren Auge der internen und externen Bezugsgruppen entstehen, wenn sie an das Unternehmen denken. Hirnforscher Prof. Ernst Pöppel sagt, dass wir das bildhafte oder episodische Gedächtnis erreichen müssen, um Menschen zu einer Verhaltensänderung bewegen. Die bisherige Gesundheitsaufklärung spricht aber nur das Faktengedächtnis an. Oder sie verwendet abschreckende Bilder. Beides funktioniert nicht, wenngleich auch aus unterschiedlichen Gründen.
Was Storytelling nicht ist
Beim Storytelling geht es nicht um Plaudereien und Erfundenes, um Mitarbeiter, Journalisten und Kunden zu täuschen. G’schichteln, wie die Österreicher sie nennen, sind kein Instrument zur Schönfärberei eines Unternehmens. Stattdessen zeigen sie, wofür das Unternehmen steht, welche Visionen es hat und warum die internen und externen Bezugsgruppen das Unternehmen unterstützen sollten. Storytelling beruht auf Daten und Fakten. Unternehmen erzählen Geschichten, die authentisch und glaubwürdig sind. Geschichten zu erzählen bedeutet auch nicht, immer nur Positives zu berichten: Geschichten bestehen auch aus Problemen und Konflikten. Viele „Success Stories“ von Unternehmen beachten dies nicht, auch daher werden sie unglaubwürdig und langweilig. Sie lassen alles weg, was nicht in das Schema „erfolgreich sein“ passt. Schwierigkeiten, Fehler, Rückschläge, Krisen, und wie sie überwunden oder gemeistert wurden, kommt in solchen Erfolgsstorys nicht vor. Das macht sie unglaubwürdig und langweilig. Dagegen können wir von starken Stories über Nachhaltigkeit nicht genug bekommen. Wir verfolgen sie interessiert, sie lösen starke Gefühle in uns aus und zeigen uns, was wir tun können, um uns nachhaltig gut zu fühlen.
[…] Storytelling – starke Stories über Nachhaltigkeit […]