Corporate Service Design – vom Corporate Image zur Corporate Experience
Christian Vatter/Martin Jordan „Das weitaus wichtigste und wirksamste Instrument der Corporate Identity ist das schlüssige Verhalten des Unternehmens mit seinen Auswirkungen und Folgen.“ (Birkigt, Stadler & Funck, S. 20) Schon in der Erstausgabe des Standardwerks »Corporate Identity« von 1980 machen Klaus Birkigt, Marinus M. Stadler und Hans Joachim Funck klar, dass sich Organisationen weitaus stärker durch ihr Verhalten als durch Verlautbarun- gen darstellen können. Unternehmensverhalten (Corporate Behaviour) ist neben dem Unternehmenserscheinungsbild (Corporate Design) und der Unternehmenskommunikation (Corporate Communications) eines der drei Elemente der Corporate Identity, das die Unternehmenspersönlichkeit – das Selbstverständnis des Unternehmens – konstituiert.
Corporate Identity ist laut Birkigt/Stadler/Funck definiert als die Summe von Erscheinung, Kommunikation und Verhalten, in deren Kern die Persönlichkeit des Unternehmens steht. Marke wiederum ist die Summe alle Erfahrung mit einem Unternehmen, seinen Produkten und Dienstleistungen, hier stehen Besonderheiten und Werthaltungen im Zentrum. Insofern stehen sich beide Konzepte sehr nahe, es wäre also genauso legitim, von Brand Identity, Brand Design, Brand Communication und Brand Behaviour zu sprechen. Das Modell ist seither Basis für eine Vielzahl von Unternehmensidentitäten und Arbeitsgrundlage für ihre Gestaltung. Es scheint jedoch, als ob das Verhalten im Vergleich zu Design und Kommunikation in der Praxis von Corporate Identity eine weitaus geringere Rolle spielt als die anderen beiden Komponenten (Birkigt, Stadler & Funck, 1980; Achterholt, 1991; Herbst, 1998). Dieser Missstand ist heute aktueller denn je – das Überangebot an Medien und Botschaften hat Gewicht und Wirkung einzelner Unternehmensverlautbarungen eher noch gemindert. Dieser Beitrag legt dar, warum und wie Service Design helfen kann, Unternehmensverhalten zu gestalten, um damit den ursprünglichen Ansatz der Corporate Identity (CI) zu komplettieren.
Corporate Behavior, das vernachlässigte Kind
Unternehmensverhalten steckt in jeder Begegnung mit Unternehmen. Je nach Touchpoint können Kunden dabei ein sehr unterschiedliches Verhalten seitens des Unternehmens erleben. So kann ein Schalterbesuch bei der Bank sympathisch-herzlich sein, die Nutzung des Bankautomaten funktional und effizient und eine App mit ihren vielfältigen Analysemöglichkeiten detailreich und informativ.
Robert Paulmann (2005, S. 84) definiert Corporate Behaviour als die Art und Weise, wie sich Unternehmen extern gegenüber Kunden, Partnern, Lieferanten, Aktionären sowie der Öffentlichkeit und intern zu Mitarbeitern verhalten. Nach Gertrud Achterholt (1991, S. 17) knüpfen und gestalten Individuen Beziehungen primär durch Interaktion, also wechselseitig aufeinander bezogenes Handeln. Sie schreibt weiter: „Auch Unternehmen handeln, und ebenso dokumentiert die Summe ihrer Handlungen ihr Verhalten“ – damit ist Corporate Behaviour die Summe von Unternehmenshandlungen. Konkret gehören für sie Elemente wie Mitarbeiterführung, Beförderung und Entlohnung, Personalentwicklung, Umgangston sowie Konferenzstil und Kritikfähigkeit dazu (S. 45). Wie eingangs erwähnt, spielt Corporate Behaviour im Vergleich zu den zwei anderen Bereichen des Identitäts-Mixes in der Realität eine untergeordnete Rolle. Es gibt verschiedene Gründe, warum Unternehmensverhalten seltener als Design oder Kommunikation explizit gestaltet bzw. konstruiert ist. Eine Ursache ist vermutlich, dass der kurzfristige Zugewinn bei verbalen und visuellen Elementen höher erscheint. So bietet ein identitätskonformes Erscheinungsbild emotionale Fernwirkung und Reichweite auf eine Art, wie sie Verhalten nur sehr schwer erzielen kann. Kommunikation ist im Vergleich zu Verhalten wesentlich flexibler einsetzbar; Botschaften sind schnell variier- und erweiterbar, Kommunikation kann strategisch-langfristig zur Vermittlung der Unternehmenspersönlichkeit – als Imagekommunikation – oder kurzfristig zur Erreichung taktischer (Absatz-)Ziele eingesetzt werden. In der CI-Literatur werden weitere Gründe aufgeführt: Verhalten wird als nur langsam und schwer veränderbar angesehen, da es zunächst mühsam erlernt werden muss (Herbst, S. 62, Birkigt, Stadler & Funck, S. 21). Zwar ist es auf ähnliche Weise wie Kommunikation und Design standardisierbar, jedoch erst nach größerem Aufwand, durch Prozesse und Trainings. Zudem weis Achterholt im Jahr 1991 auf das Fehlen von Methoden hin, mit denen sich Verhalten instrumentalisieren lässt (Achterholt, S. 46).
Drei Ebenen von Unternehmensverhalten
Wer Unternehmensverhalten im Sinne der Corporate Identity absichtsvoll konstruieren will, muss sich zunächst damit beschäftigen, wie sich Unternehmen durch Verhalten ausdrücken und damit Wirkung erzielen können. Es ist angebracht, für diese Betrachtung den Menschen als Hauptziel von Unternehmensaktivitäten in den Mittelpunkt zu stellen. Hieraus ergeben sich drei verschiedene Wirkebenen von Unternehmensverhalten:
1) One-to-Many: Handlungen der Organisation als Ganzes oder Handlungen bedeutender Vertreter mit Wirkung auf alle Stakeholdern (Mitarbeitern, Kunden, Aktionären, Medien), z.B. die Übernahme von D2 durch Vodafone, die Naturschutzaktivitäten des Bierproduzenten Krombacher im brasilianischen Regenwald oder das Victory-Zeichen des ehemaligen Deutsche Bank-Managers Josef Ackermann.
2) Human-to-Human: Persönliches Verhalten von Mitarbeitern gegenüber individuellen Stakeholdern, meist Menschen, die den Kontakt mit dem Unternehmen suchen, z.B. in Kundenbetreuung, in Filialen, im Vertrieb.
3) Service-to-Human: Verhalten eines Unternehmens gegenüber Einzelpersonen, welches durch Interaktionen mit Produkten, Dienstleistungen und interaktiven Medien bedingt wird – empfunden als User Experience; beispielsweise die Nutzungsfreundlichkeit eines Navigationsgerätes, der Prozess bei der Anmietung eines PKW oder die Wartezeiten bei der Taxibestellung über eine mobile Applikation. Verhalten auf dieser Ebene findet oftmals zusammen mit persönlichem Mitarbeiterauftreten statt.
Die Wirkung im Fokus: Service Design
Service Design hat zur Aufgabe, nützliche, benutzbare, begehrenswerte, effektive und unverwechselbare Dienstleistungen zu gestalten (Mager, 2009, S. 42). Es ist ein holistischer Ansatz, der in den Feldern Design, Management sowie Prozessplanung operiert, und sich bei Methoden aus der Markt- und Sozialforschung sowie dem Marketing bedient (Stickdorn & Schneider, 2010, S. 84). In Folge des wirtschaftlichen Wandels von einer Produktions- zu einer Informations- und Dienstleistungsgesellschaft erlangte Service Design als eigene Disziplin seit den frühen 2000er Jahren eine zunehmende Relevanz. In einem disziplinübergreifenden und iterativen Designprozess werden Interaktionspunkte, zumeist in einem wirtschaftlichen Kontext, identifiziert, definiert und ausgestaltet. Diese können sowohl materielle als auch immaterielle, jedoch klar determinierte Berührungspunkte mit den Kunden des Unternehmens sein und vom persönlichen Mitarbeiterkontakt über ein gedrucktes Formular bis zur digitalen Applikation auf einem Mobiltelefon reichen. Service Design gestaltet Unternehmensverhalten hier aus der Perspektive des Kunden und mit Fokus auf sein Erleben. Da an diesen Berührungspunkten ein zuvor festgelegtes Unternehmensverhalten die Interaktion bestimmt, sollte im besten Fall ein identitätstreues Kundenerleben sichergestellt sein. Obschon sich Service Design intensiv mit Verhalten beschäftigt, ist die gezielte Vermittlung von Unternehmenswerten und -persönlichkeit bisher jedoch unterrepräsentiert bis nicht vorhanden. Derzeit liegt dessen Schwerpunkt auf einem für den Kunden möglichst einfachen, nützlichen, effizienten sowie effektiven Interagieren mit dem Unternehmen. Es gibt also ein großes, bis dato ungenutztes Potential, Service Design sowie seine Methoden und Prozesse für die Vermittlung der Corporate Identity zu nutzen. Service Design gestaltet schwerpunktmäßig die Interaktion mit dem Individuum und damit das Erleben des Einzelnen. Daher können seine Methoden und Vorgehensweisen eingesetzt werden, um insbesondere auf der oben angeführten Wirkebene Human-to-Human und Service-to-Human zu beeinflussen – also bei der Interaktion zwischen Kunden und Mitarbeitern sowie bei der Benutzung von Angeboten. Diverse Prinzipien sind dem Gestaltungsprozess immanent und entscheidend. So ist Service Design kundenzentriert. Es stellt den Nutzer, nicht das Unternehmen in den Mittelpunkt und fokussiert weniger auf dessen Verhalten als mehr auf die vom Kunden wahrgenommenen Resultate. Es ist kontextbezogen, denn es beachtet Bedürfnisse, Situationen und zu erreichende Ziele der Menschen gleichzeitig. Service Design betrachtet nicht fragmentiert einzelne Medien, sondern stets ganzheitlich ihre Summe und Zusammenhänge. Hierbei mag man an die Haltung des Architekten Eero Saarinen erinnert sein: »Always design a thing by considering it in its next larger context – a chair in a room, a room in a house, a house in an environment, an environment in a city plan.« (Harriss, 2009, S.1). Berührungspunkte zwischen Unternehmen und Kunden werden nicht einzeln, sondern sequentiell und über die Zeit hinweg bedacht, indem Nutzungsszenarien und wirkliche Handlungen berücksichtigt werden. Die Entwicklung von Berührungspunkten findet gemeinsam mit dem Kunden statt. Zudem werden aufgrund der erhöhten Komplexität ein iteratives Vorgehen und Nutzertests eingesetzt – insbesondere bei Interaktionen im Dienstleistungsbereich.
Corporate Behavior Design
Service Design kann helfen, Unternehmensverhalten zu gestalten und damit zur Vermittlung der Corporate Personality genutzt werden. Im Dienste der Unternehmensidentität und Zusammenspiel mit Erscheinungsbild und Kommunikation lässt sich damit über direkte Interaktionen ein Eindruck des Unternehmens erzeugen. Ein mögliches praktisches Vorgehen ist stark auf den Einzelfall abzustimmen, könnte aber wie folgt aussehen:
1. Bezugsgruppen und Touchpoints identifizieren
Zunächst ist zu klären, für welche Bezugsgruppen und zu welchem Zweck Verhalten gestaltet werden soll. Ist die Gewinnung von Neukunden zu fördern, oder die Loyalität bestehender Zulieferer? Daraus folgt, über welche Interaktions- und Berührungspunkte bzw. Ketten von Touchpoints diese Gruppen zu erreichen sind. Für die Kaffeehauskette Starbucks ist es naheliegend, bei den Kunden am Verkaufsort anzusetzen. Ziel ist es, das Unternehmen dort als besonders menschlich darzustellen – »to nurture the human spirit« (Starbucks Coffee Company, 2010). In Konsequenz dessen fragen die Filialmitarbeiter bei der Kaffeebestellung jeden Gast nach seinem Vornamen und können ihn später, wenn das Getränk zubereitet ist, persönlich ansprechen.
2. Verhaltensweisen definieren
Im zweiten Schritt gilt es herauszufinden, welche Verhaltensweisen an den Interaktions- und Berührungspunkten stattfinden, über die sich die Identität vermitteln lässt. Wie oben erwähnt soll Service Design Interaktionen idealerweise nützlich und benutzbar gestalten. In den Filialen der Firma Apple müssen wie in jedem anderen Geschäft Produkte bezahlt werden. Das Unternehmen ist jedoch für elegante und simple Lösungen bekannt. Lange Wartezeiten an den Kassen passen nicht dazu. Jeder Ladenmitarbeiter ist daher mit einem Mobilgerät ausgestattet, das eine sofortige Kartenzahlung ermöglicht. Kunden können gewünschte Produkte flexibel bei jedem Angestellten bezahlen, ohne eine Kasse aufsuchen zu müssen, und bekommen die Rechnung augenblicklich via E-Mail zugeschickt. Identitätskonformes Verhalten kann, wie dieses Beispiel zeigt, helfen, für Kunden unliebsame Momente zu vermeiden.
3. Werte und Persönlichkeit auf Verhalten übertragen
Die Werthaltungen und Normen der Corporate Personality sind im dritten Schritt in ein Unternehmensverhalten zu übersetzen, analog zu Anmutung im Design und Botschaften in der Kommunikation. Dabei handelt es sich um eine situative Interpretation der Werte und Normen für Handlungen und Erleben. Bei IKEA ist beispielsweise die kostenlose Kinderbetreuung Småland eine kreative Auslegung der Unternehmenswerte »togetherness« und »simplicity« (IKEA, 2010). Junge Eltern müssen für ihren Nachwuchs weder eine Beaufsichtigungsperson finden noch ihn den uninteressanten Gängen eines Möbelgeschäfts aussetzen. Für eine Stunde spielen im Småland Kinder, die von Fachpersonal betreut werden, mit anderen, während ihre Eltern in Ruhe einkaufen.
4. Durch Iterationen und Nutzertests verifizieren
Aufgrund der Komplexität des menschlichen Erlebens und Verhaltens sollten im vierten Schritt Iterationen und Nutzertests durchgeführt werden, um die Prozesse zu verfeinern und sich der idealen Lösung anzunähern. Dabei kann sich Verhalten durchaus wandeln bis es die finale Form erreicht. 5. Verhalten festschreiben und vermitteln Zuletzt ist das Verhalten über Verhaltensskripte zu explizieren. Trainings helfen, den Mitarbeitern das gewünschte Verhalten nahe zu bringen. Die Premium-Hotelkette Ritz-Carlton beschreibt 12 Service Values (Ritz-Carlton, 2007), die anhand von Ich-Aussagen aus Mitarbeiterperspektive formuliert sind.
Hier einige Beispiele: – »I build strong relationships and create Ritz-Carlton guests for life.« – »I am empowered to create unique, memorable and personal experiences for our guests.« – »I own and immediately resolve guest problems.«
Mitarbeiter des Ritz-Carlton folgen 12 Service Values
Taten statt nur Worte
Was aber ist der Nutzen von CI-konformem Unternehmensverhalten? Grundsätzlich vermittelt Verhalten, welches gemäß der CI gezeigt wird, die Persönlichkeit des jeweiligen Unternehmens. Damit folgt es letztlich den gleichen Zielen wie die CI selbst: eine besser greifbare, weil geschlossene Unternehmens-„Gestalt“ (Birkigt, Stadler & Funck, S. 18), bessere Differenzierung gegenüber Wettbewerbern (Achterholt, S. 7) und höhere Attraktivität bei denjenigen, die mit der jeweiligen Persönlichkeit sympathisieren. Identitätskonform gestaltetes Unternehmensverhalten hat das Potential, Menschen persönlicher und direkter anzusprechen, als es Kommunikation oder Design vermögen. Während letztere vornehmlich Massenkommunikation darstellen, ergibt sich mit dem kontrollierten Unternehmensverhalten die Chance, Identität in Einzelbegegnungen über das direkte Erleben zu vermitteln, und sie hiermit auf involvierende Weise stark zu verankern. Es gibt aber weitere Gründe, sich dem Unternehmensverhalten anzunehmen. Seine Evaluation macht eventuelle Diskrepanzen zwischen Verhalten einerseits und Design bzw. Kommunikation andererseits sichtbar. Es liegt eine große Gefahr in solchen Inkonsistenzen, da sie Glaubwürdigkeit, Verlässlichkeit und Vertrauen untergraben (Herbst, S. 23, Munzinger & Musiol, S. 132, Paulmann S. 84). Über Kommunikation und teilweise auch über Design gegebene Versprechen werden als nicht eingelöst empfunden – mit negativen Folgen für Attraktivität, Zufriedenheit und Loyalität. Dass Diskrepanzen dieser Art oft nicht gesehen wird, belegt eine Studie der Unternehmensberatung Bain & Company eindrucksvoll: “When we recently surveyed 362 firms, we found that 80% believed they delivered a “superior experience” to their customers. But when we then asked customers about their own perceptions, we heard a very different story. They said that only 8% of companies were really delivering.” (Allen, Reichheld, Hamilton & Markey, 2005). Da als widersprüchlich erlebtes Verhalten heutzutage, dank den Möglichkeiten der digitalen Welt, so einfach wie noch nie von Kunden dokumentiert und Anderen zugänglich gemacht werden kann, entsteht leicht negative Aufmerksamkeit. Dies wird am weit diskutierten Video “United breaks guitars” deutlich, bei dem sich ein Musiker mittels eines Songs über das Verhalten von United Airlines beschwert (Tran, 2009). Hier liegen aber auch Chancen, z.B. durch so genannte „random acts of kindness“ (Behrman, 2012), also großmütige Gesten gegenüber einzelnen Personen, welche ebenso im Internet Verbreitung finden. So kursiert beispielsweise die Geschichte eines 10-jährigen Lego-Fans, der sehr lange auf ein bestimmtes Spielzeug gespart hatte, um dann festzustellen, dass es aus dem Programm genommen wurde. Nach einem Brief an Lego sandte ihm das Unternehmen das heißbegehrte Spielzeug zu. Das Youtube-Video, welches die Geschichte und vor allem die Überraschung dokumentiert, hat derzeit 1,7 Mio. Zuschauer (onsitestudios, 2012).
Eine besondere Erwähnung gebührt Dienstleistungsunternehmen. Im Gegensatz zu Produkten, die von Begegnung zu Begegnung nahezu unveränderlich sind, hängen Serviceerfahrungen stark von der persönlichen Verfassung der Mitarbeiter ab. Denn für den Kunden ist die Person, welche die Marke repräsentiert, die Marke selbst. (Olins, 2003, S. 75). Der Markenberater Wolf Olins betont das Kundenerleben noch stärker und schreibt: „Airlines are a classic example of behaviourally led brands. We almost always judge an airline on the basis of the service we recieved; not how long it took to go from Budapest to Amsterdam but what the experience was like from the moment we arrived at the airport till the time when we picked up our luggage.“ (S. 42)
Auf dem Weg zur Corporate Experience
„Organizations collectively spend billions of dollars each year on experiences intended to attract, serve, and retain customers. They build new stores and launch new websites; answer thousands of questions in call centers; market, advertise, and promote in multiple channels; experiment with trendy mobile apps; roll out new products; and re-engineer services. In short, organizations create and manage a myriad of touchpoints that they want to add up to a differentiated customer experience.“ (Schauer, 2013). Mit den Mitteln des Service Designs lässt sich Verhalten nicht nur gemäß vorgegebener Marken- oder Unternehmenswerte gestalten. Kontaktpunkte, Abläufe und Erleben können mit seiner Hilfe auch auf Kundennutzen ausgerichtet werden. Beim Design von Verhalten – sei es das persönliche Verhalten von Mitarbeitern oder erlebtes Verhalten in Interaktionen mit Produkten, Dienstleistungen oder interaktiven Medien – bedingt es der zunehmende Wettbewerbsdruck, alle Möglichkeiten zur Optimierung auszuschöpfen. Markenbegegnungen müssen heute eben nicht nur Identität vermitteln, sondern auch einen hohen persönlichen Mehrwert bieten, positive erinnerungswürdige Erfahrungen ermöglichen und ein Schritt hin zu einer stärkeren Bindung an die Marke sein. Denn letztlich sind Unternehmensverhalten und Service Design lediglich Mittel, um Unternehmen zu Erfolg zu verhelfen. Der Erfolg guter Kundenerfahrungen ist durch eine Studie des Marktforschungsunternehmens Forrester aus dem Jahr 2009 belegt: Sie findet eine hohe Korrelation zwischen Customer Experience einerseits, und Loyalität und Empfehlungsbereitschaft andererseits (Temkin, 2009). Corporate Behavior ist ein Konzept, das sich nach bisheriger Auffassung vornehmlich an eine große Gesamtheit richtete. Nun kann es, von Service Design unterstützt, die Ebene der Interaktion zwischen Kunden und Mitarbeitern sowie bei der Benutzung von Angeboten erreichen. Anders als vor 20 Jahren existieren nun Methoden, Prozesse und Werkzeuge, um Verhalten und Erleben auf Individualebene explizit zu gestalten. Durch das Einbeziehen sinnlicher, kognitiver und affektiver Elemente besitzt das individuelle Erleben eine Intensität, die ihm eine hohe Relevanz verleiht. Zudem ist Verhalten durch die digitale Vernetzung der Gesellschaft weniger flüchtig, denn dauerhaft dokumentiert; somit bedarf es konsequentem Einlösen gegebener Versprechen auch auf der Verhaltensebene, oder wie Herbst es ausdrückt: „nicht an dem, was eine Firma sagt, wird sie gemessen, sondern daran, wie sie handelt“ (S. 61). Design und Kommunikation können immer nur Versprechen sein – denen man Glauben schenken kann oder nicht – während das Erleben von Unternehmensverhalten Fakten in der eigenen Realtiät sind. Im Widerspruch dazu steht, dass Unternehmen jährlich 20 mal so viel Geld in Werbung wie in die Entwicklung und Verbesserung von Services investieren, zumindest in den USA (Schauer, 2012).
Fazit
Durch die Neuauslegung des Begriffs Corporate Behaviour wird das Konzept der Corporate Identity komplettiert, da nunmehr alle drei Elemente des Identitäts-Mix gleichberechtigt nebeneinander stehen. Die Notwendigkeit, den Kunden und sein Erleben entschieden in den Mittelpunkt zu stellen, verlangt nach einer integrierten Betrachtung der drei Bereiche Design, Kommunikation und Verhalten. Damit bedarf es einer Einheit von Service Design und Markenmanagement in orchestrierender Rolle, welche das Markenerleben ganzheitlich definiert. Da Erleben und Verhalten eine immer größere Wichtigkeit erlangen, wäre es nur konsequent, den Begriff Corporate Image durch Corporate Experience zu ersetzen.
Literaturangaben
Dies ist ein Auszug aus dem Buch „Corporate Identity & Corporate Design, 3., aktualisierte und erweiterte Ausgabe“ von Matthias Beyrow, Petra Kiedaisch und Norbert W. Daldrop, erschienen bei avedition in Stuttgart 2013. ISBN 978-3-89986-185-3 Das gesamte Buch Corporate Identity & Corporate Design ist erhältlich bei Amazon.
Die Autoren
Christian Vatter ist selbstständiger Markenberater und Marketingpsychologe. Er entwickelt Unternehmen durch Markenführung, Kommunikationsstrategie und Experience Design ganzheitlich, nutzerzentriert und mit kreativen Mitteln. www.christianvatter.com Martin Jordan hilft Unternehmen bessere Nutzerfahrungen und Serviceangebote zu entwickeln. Er berät Marken und Organisationen in Kommunikation, Design und Serviceinteraktion. Zur Zeit arbeitet er als Senior User Experience Designer bei Nokia in Berlin. www.martinjordan.de
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