Denken Sie auch: Darmspiegelung und Glück – das passt nicht zusammen? Falsch gedacht: Von Darmspiegelungen können wir viel darüber lernen, wie wir unser eigenes Glück gestalten können. Wie ist das möglich?

Auf die Länge kommt es nicht an

Forscher untersuchen schon lange, wie wir Erlebnisse speichern, in welchen Archiven wir sie ablegen und wie wir sie von dort abrufen, wenn wir an sie denken oder von ihnen erzählen. Zu diesen Forschern zählt der Nobelpreisträger Daniel Kahneman. Der Psychologe wollte wissen, wie wir uns an schmerzhafte Erlebnisse erinnern: Er ließ hierzu Patienten nach einer Darmspiegelung die Stärke ihres Schmerzes während des gesamten Eingriffs bewerten.

Überraschung: Sie ignorierten bei ihrem Urteil die Länge des Eingriffs. Kahnemann sagt in einem Spiegel-Interview in Heft 21/2012: „Die Befunde sind eindeutig… In einigen Fällen baten wir die Ärzte, nach Abschluss der Behandlung noch eine Weile zu warten, bis sie den Patienten den Schlauch herauszogen. Für diese Gruppe verlängerte sich also die unangenehme Prozedur – und doch verbesserte das sehr deutlich ihre Bewertung. Viele andere Experimente kamen zu ähnlichen Ergebnissen. Mal hatten die Teilnehmer Lärm zu erdulden, mal mussten sie die Hand in kaltes Wasser halten. Ihnen ist durchaus klar, dass die Schmerzen verschieden lang andauerten, es handelt sich also nicht um eine Gedächtnisschwäche; ihre Erinnerung ist korrekt. Wie sie das Erlebte bewerten, hat mit der Dauer dennoch nichts zu tun.“ Womit dann?

Die Studie zeigte, dass die Patienten ihre Erinnerung als Durchschnittswert aus dem intensivsten und dem letzten Moment errechneten. Unsere Erfahrung definiert also, wie bei guten Geschichte, die Momente des Umbruchs und die Enden, sagt Kahneman. Er erklärt dies so: „Jedes Erlebnis bekommt im Gedächtnis eine Bewertung angeheftet: gut, schlimm, noch schlimmer. Und die ist unabhängig von der Dauer. Nur zwei Dinge sind entscheidend: Was waren die Höhepunkte, also die schlimmsten oder, je nachdem, die großartigsten Momente? Und wie ging es aus, wie war das Ende?“ Zwei Patienten, die insgesamt die gleiche Menge an Schmerz während ihrer Darmspiegelung empfanden, könnten diese im Nachhinein also völlig unterschiedlich bewerten, je nachdem wie schmerzhaft der letzte und schlimmste Moment des Eingriffs waren.

Gefühle sind Lernturbo

Eigentlich sind diese Ergebnisse nicht verwunderlich: Das Gehirn liebt starke gute Gefühle. Gefühle sind Lernturbo, wie Hirnforscher Manfred Spitzer sagt. Alles was uns gute Gefühle bereitet, merken wir uns besonders gut. Eine Party behalten wir nicht deshalb in Erinnerung, weil sie besonders lange gedauert hat, sondern ob sie Höhepunkte hatte.

Jüngste Erinnerungen sind uns besonders frisch im Gedächtnis. Aus der Forschung ist dies als Bekanntheits-Heuristik bekannt: Unser Gehirn greift auf das zuletzt erlebte zurück. Unser Gedächtnis liebt Schluss-Szenen, sagt auch Hirnforscher Daniel Gilbert (Gilbert 2008: 330). Egal, was wir wahrnehmen – Klänge, Düfte, Bilder – stets erinnern wir uns deutlicher an den Schluss als an die Mitte oder den Beginn.

Wie wäre es, wenn der Arzt nach einer sehr schmerzhaften Erfahrung eine weitere, weniger schmerzhafte anhängt? Das bringt nichts: Wenn der Arzt nach der Spiegelung sagt: Es ist vorbei, dann endet für den Patienten diese Episode – und das ist der Zeitpunkt, an dem sie einen Wert zugewiesen bekommt. Anschließend beginnt eine neue Episode, und niemand würde im Voraus nach zusätzlichen Schmerzen verlangen.“

Wollte diese Erkenntnisse in einem Selbstversuch testen: Wählte mir hierfür einen Abend im Salsa-Tanzlokal aus: Als die Stimmung schon sehr abgeflaut war, entschloss ich mich, noch einmal zu tanzen und dabei möglichst ausgelassen zu sein. Als ich mich am nächsten Tag gemeinsam mit meiner Begleiterin an den Vorabend erinnerte, war der letzte Tanz sofort präsent.

Was wir von Darmspiegelungen lernen können

Was lernen wir also von Darmspiegelungen? Wir könnten also fortan nichts besseres für unseren Glückhaushalt tun, als den schönsten und den letzten Moment zusammenfallen zu lassen. Übrigens riet mir schon meine Oma: „Wenn es am schönsten ist, dann gehe“. Siehatte ja sooo recht. Daher mein Rat an Sie: Schaffen Sie einen besonders intensiven, positiven Moment und gehen Sie dann sofort nach Hause.

Weitere Quellen:

Video: http://www.ted.com/talks/daniel_kahneman_the_riddle_of_experience_vs_memory?language=de

http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-85833401.html

http://www.scilogs.de/analogia/von-darmspiegelungen-spaziergaengen-seine-ueber/