Professionelle Organisation der Digitalisierung: Sorgfältiges, geplantes und geordnetes Vorgehen bringt zahlreiche Vorteile.

Der Management-Prozess der Digitalisierung in KMUs besteht aus vier Management-Schritten: Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle. Bevor Sie jedoch mit der Analyse beginnen, sollten Sie Ihren Digitalisierungsprozess sorgfältig vorbereiten und gut organisieren. Warum? Hier die wichtigsten Gründe:

  • Umfangreiche, tiefgreifende Veränderungen: Die Digitalisierung ist ein umfangreicher Prozess, der jeden Arbeitsplatz Ihres Unternehmens verändern wird, zum Beispiel in Forschung und Entwicklung, Marketing, Finanzen, Vertrieb, Personalabteilung – und sogar in der Geschäftsleitung. Die Veränderungen sind betreffen sowohl die Breite Ihres Unternehmens mit allen Funktionen, Abteilungen, Projekten, als auch die Tiefe – vom Top-Management bis hin zu jedem einzelnen Mitarbeitenden. Professionelle Vorbereitung dient dazu, einen Prozess aufzusetzen, der diesem Umfang und dieser Komplexität gerecht wird.
  • Beteiligte aus allen Bereichen des Unternehmens: Erfolgreiche Digitalisierung erfordert die Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen hinweg – Silodenken ist der Feind der erfolgreichen Umsetzung. Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Abstimmung aller Beteiligten immer wieder erschwert ist oder überhaupt nicht stattfindet. Wichtig ist also, die wichtigen Beteiligten der Digitalisierung zu identifizieren, an einen Tisch zu bringen und untereinander klare Absprachen zu treffen. Professionelle Vorbereitung dient auch dazu, die unterschiedlichen Bedarfe, Wünsche und Erwarten aller Beteiligter einzubeziehen.
  • Viele Digitalisierungs-Initiativen schon vorhanden: Oft sind schon an vielen Stellen des Unternehmens Initiativen entstanden, vor allem auf Websites und in Social Media. Sie sollten sich daher erst einmal einen Überblick verschaffen, um vorhandene Aktivitäten und Erfahrungen im weiteren Prozess zu berücksichtigen.
  • Fachkenntnisse erforderlich: Die Digitalisierung geht mit vielen neuen (Geschäfts-)Modellen, Technologien, Methoden und Tools einher wie zum Beispiel Agiles Projektmanagement, Big Data, Design Thinking. Die Beteiligten müssen sich diese Fachkompetenz aneignen, bevor sie an die Digitalisierung gehen können.

Das abgestimmte Management ist eine komplexe, anspruchsvolle und übergreifende Aufgabe, die professionell gesteuert und koordiniert werden muss. Vorhandene Einzelinitiativen gilt es, in einen Gesamtrahmen einzuordnen und auf die kommenden Jahre auszurichten. Professionelle und gewissenhafte Vorbereitung stellt sicher, dass sich alle Beteiligten angemessen austauschen und abstimmen können – interdisziplinäre Teams, Projektmanagement und Netzwerke spielen hierbei eine wichtige Rolle. Geeignete Prozesse müssen die gezielte Koordination und Kontrolle ermöglichen und übergreifendes Zusammenarbeiten stärken.

Dimensionen der Vorbereitung

In der Vorbereitung treffen Sie alle organisatorischen Entscheidungen, die für den Erfolg des Prozesses wichtig sind. Hierzu gehören Entscheidungen über:

  1. Beteiligte Personen
  2. Rollen und Verantwortlichkeiten
  3. Prozesse
  4. Strukturen
  5. IT
  6. Kultur

Beteiligte

Folgende Aspekte sind mit Blick auf die Beteiligten besonders wichtig:

  • Zahl der Beteiligten: Sie entscheidet als personelle Ressource über die Leistungsfähigkeit Ihres Vorgehens. Die Frage ist, ob genügend Mitarbeiterkapazität vorhanden ist bzw. ob Sie diese bereitstellen möchten? In vielen mittelständischen Unternehmen ist mitunter eine einzige Person in verantwortlich. Diese wird ihre Aufgabe aufgrund des Umfangs und der Komplexität nicht professionell wahrnehmen können, wenn sie nicht dauerhaft unterstützt wird, zum Beispiel durch Externe.
  • Ausbildung: Verfügen die Beteiligten über ausreichende Kenntnisse, vielleicht sogar Praxiserfahrung in der Digitalisierung oder sind sie Quereinsteiger? Im Fall des Quereinstiegs sollten Sie sicherstellen, dass diese Mitarbeitenden durch angemessene Ausbildung in Digitalisierung professionell arbeiten können und nicht überfordert sind. Die Praxis zeigt, dass die Verantwortlichen in der Digitalisierung sehr unterschiedliche Vorkenntnisse haben – oft reichen sie nicht aus oder fehlen völlig.
  • Weiterbildung: Wie entwickeln die Beteiligten ihre Fähigkeiten, Kenntnisse und Fertigkeiten weiter? Gefragt ist zum Beispiel Wissen über digitale Technologien, Plattformmodelle, Kooperationsmodelle, neue Führungsmodelle. Hier entwickelt sich innerhalb kurzer Zeit so viel, dass kontinuierliche Weiterbildung erforderlich ist.

Rollen und Verantwortlichkeiten

Für die Zusammenarbeit der Beteiligten während des Management-Prozesses legen Sie deren Rollen und Verantwortlichkeiten fest und kommunizieren sie. Vor allem müssen diese Rollen und Verantwortlichkeiten gelebt werden, sonst fühlt sich niemand verantwortlich, Entscheidungen bleiben aus und Zuständigkeiten fehlen. Schlüsselrollen und Kompetenzen von Entscheidungsträgern sollten daher vorab definiert und klar abgrenzt sein, sie sollten kommuniziert und fest verankert werden.

Typische Rollen und Verantwortlichkeiten sind:

  • Gesamtverantwortung: In kleineren und mittleren Unternehmen übernimmt diese Aufgabe oft der Inhaber, der Geschäftsführer oder ein Assistent der Geschäftsleitung. In größeren Unternehmen gibt es den Verantwortlichen, oft ist es mittlerweile der Chief Digital Officer (CDO) oder der Chief Information Officer (CIO). Dieser kann als Stabsstelle der Geschäftsleitung verankert sein. Sicher, Digitalisierung sollte Anliegen aller im Unternehmen sein, doch braucht es einen Treiber, der die Digitalisierung voranbringt.
  • Digitalisierungs-Verantwortliche in Abteilungen, Projekten, Teams, eventuell auch in Landesgesellschaften. Diese Rolle werden die Personen meist nicht in Vollzeit wahrnehmen – vielleicht im Lauf der Zeit. Wichtig ist jedoch, dass diese Rolle vorhanden ist und ausgefüllt wird.
  • Der Sponsor in der Geschäftsführung, am besten der Vorstandsvorsitzende, sichert die erforderliche Unterstützung des Top-Managements.
  • Unterstützende Funktionen sind zum Beispiel die Weiterbildungsabteilung, die IT und die Personalabteilung.

Strukturen

Das Problem durch die Interdisziplinarität in der Digitalisierung ist, dass die Verantwortlichen meinst unterschiedlichen Führungskräften untergeordnet sind. Geeignet ist daher die Projektorganisation. Geeignet sind daher oft Projektteams als zeitlich begrenzte Arbeitsgruppen, um Spezialaufgaben zu erledigen, die komplex sind, neu und wichtig für das Gesamtunternehmen.

Die Projektgruppe besteht fünf bis sieben Mitarbeitern, die aus den wichtigsten Unternehmensbereichen kommen – Geschäftsführung, Forschung, Personal, IT, Produktion, Kommunikation, Vertrieb. Vorteil: In den Prozess fließen von vornherein Meinungen aus unterschiedlichen Funktionen des Hauses ein. Nachteil: Es kann Probleme beim Koordinieren von Kapazitäten und den Aufgaben der Teammitglieder geben. Der Projektgruppe übergeordnet ist ein Lenkungsausschuss aus etwa zwei bis fünf wichtigen Unternehmensvertretern, die den Prozess verfolgen und wegweisende Entscheidungen treffen.

Prozesse

Prozesse sind Handlungsketten mit definiertem Ergebnis. Zu den besonders wichtigen gehören Koordinationsprozesse für die notwendigen Abstimmungen zwischen den Organisationseinheiten. Koordinationsprozesse lassen sich unterteilen in Informations-, Kommunikations- und Abstimmungsprozesse:

  • Information: Wer informiert wen in welcher Reihenfolge?
  • Kommunikation: Wie werden Dinge besprochen?
  • Abstimmung: Wie erfolgen Freigaben?

Informationstechnologie

Kernfrage: Wie kann IT die Vorbereitung auf den Digitalisierungsprozess unterstützen? IT unterstützt vor allem als Plattform für die elektronisch vermittelte Kommunikation der Beteiligten. Sie können Informationen archivieren und bewerten, miteinander reden Ideen austauschen, an Dokumenten arbeiten. Wichtige Instrumente sind

  • Telefon- und Videokonferenzen: Neben den mindestens einmal jährlich stattfindenden persönlichen Treffen können regelmäßige Video- oder Telefonkonferenzen stattfinden. Hierdurch bleiben die Beteiligten auf dem Laufenden. Außerdem können sie die Ergebnisse der Arbeitsgruppen besprechen.
  • Whiteboards: Elektronische Schreibtafeln eignen sich zum gemeinsamen Erstellen von grafischen Dokumenten oder zum gegenseitigen Vorführen von Dateien mit Texten, Bildern, Grafiken und Simulationen.
  • Weblogs und Wikis, also Softwareprogramme, die das Editieren einfach machen. Sie sind schnell eingerichtet und eignen sich zum Beispiel für die Schilderung von Projektabläufen (Blog), die andere kommentieren können, oder für gemeinsame Glossare (Wiki), deren Begriffe alle ergänzen oder ändern können.

Kultur

Interdisziplinäre Zusammenarbeit in neuartigen, komplexen Projekten erfordert ein gemeinsames Normen- und Wertesystem. Unternehmenskultur ist das Klima und der Umgang der Menschen miteinander. Sie beinhaltet, was grundsätzlich als wichtig gilt und wie sich die Mitarbeitenden in Konflikten verhalten. Wichtige Kulturanforderungen in der Digitalisierung sind:

  • Guter Informationsfluss
  • Wissen und Fähigkeiten teilen
  • Eigene Kompetenz in den Dienst der gemeinsamen Sache stellen
  • Gegenseitige Unterstützung
  • Zulassen intensiver Beziehungen
  • Anerkennung und Aufmerksamkeit geben
  • Bedürfnisse anderer ernst nehmen und eigene äußern
  • Authentizität
  • Andere neben sich bestehen lassen und sich für den anderen öffnen

Ganz wichtig: Erfolgreiche Digitalisierung erfordert, dass die Einzelprofilierung zumindest teilweise aufgegeben wird, um die Stärken des einheitlichen Vorgehens zu nutzen. Diese Forderung umzusetzen, ist die größte Herausforderung, denn noch immer scheitern moderne Konzepte an Kompetenzgerangel.

Checkliste

  • Wie viele Beteiligte gibt es?
  • Welche Ausbildung/Qualifizierung haben die Beteiligten?
  • Wie bilden sich die Beteiligten auf welchen Gebieten weiter?
  • Über welche Organisationsform verfügt das Unternehmen?
  • Wo sind die beteiligten Bereiche organisatorisch abgebildet? In einer zentralen Abteilung oder über mehrere Bereiche hinweg organisiert?
  • Entspricht die Organisation insgesamt den Anforderungen?
  • Sind die wichtigen Prozesse für die Zusammenarbeit beschrieben?
  • Sind sie für jeden relevanten Mitarbeiter ersichtlich?
  • Sind sie verbindlich?
  • Sind Schlüsselrollen und Kompetenzen klar definiert, und voneinander abgegrenzt?
  • Sind die Rollen und Kompetenzen im Unternehmen bekannt und fest verankert?
  • Gibt es eigens vorhandene IT-Plattformen?
  • Sind diese Plattformen allen Beteiligten bekannt und zugänglich?
  • Welche Kultur ist erforderlich die Organisation professionell umzusetzen?

Fazit und Ausblick

Sie sehen, wie wichtig die sorgfältige Vorbereitung des Digitalisierungsprozesses in Unternehmen ist. Dieser Beitrag hat Ihnen wichtige Dimensionen genannt, in denen Sie vor Start des eigentlichen Prozesses wichtige Entscheidungen einleiten können. Im nächsten Teil dieser Serie stellen wir Ihnen den ersten Schritt des Management-Prozesses vor: die Analyse.

Der Autor

Prof. Dr. D. Georg Adlmaier-Herbst ist Honorarprofessor und Scientific Director der Forschungsstelle „Berliner Management Modell für die Digitalisierung (BMM )“ am Berlin Career College der Universität der Künste Berlin. Er ist Gastprofessor für „eCommerce in China“ an der Jiao-Tong-Universität in Shanghai (China), Hauptdozent im Executive MBA HSG für Unternehmenstransformation im Digitalen Zeitalter an der Universität St. Gallen (Schweiz), Dozent „Digital Leadership“, CAS Digital Innovation & Business Transformation, University of St. Gallen (Schweiz), Dozent im „CAS Strategic Communication“ an der Hochschule Luzern (Schweiz), Gastprofessor an der Lettischen Kulturakademie in Riga (Lettland). Herbst ist außerdem weltweit als Berater für Unternehmen, Organisationen und Personen tätig. 2011 wurde er von der Zeitschrift „Unikum Beruf“ zum „Professor des Jahres“ gewählt. Er ist Mitglied im Rat der Internetweisen. Adlmaier-Herbst hat 20 Bücher geschrieben.

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