Von Fakten erlebnisreich erzählen

Was ist Storytelling? Mit gefällt die Definition des Duden als „Erzählkunst“. Warum? Dieser Begriff beinhaltet, dass das Erzählen von Geschichten anspruchsvoll ist und nicht jeder beherrscht; er beinhaltet aber auch, dass dies erlernbar ist. Wie anspruchsvoll gutes Storytelling ist, zeigt sich beispielsweise dort, wo User in Social Media ihre Geschichte mit einem Unternehmen oder eine Marke erzählen: Das meiste ist uninteressant und schlecht erzählt, berichten meine dortigen Kollegen.

Der Begriff „Erzählkunst“ wiederum ist laut Duden die „Fähigkeit, etwas in mitreißender, spannender Weise zu erzählen“ (Duden 2015, Stichwort Erzählkunst).

Storytelling =

Erzählkunst =

Fähigkeit, etwas in mitreißender, spannender Weise zu erzählen

Storytelling in den PR bedeutet demnach, Fakten über das Unternehmen in Form von spannenden und erlebnisreichen Geschichten zu erzählen: „Ich erzähle Dir, wer ich bin, was ich tue und warum Du mich am meisten magst.“

Basis von Geschichten sind Fakten

Ist Ihnen der Begriff Fakten in der Definition von Storytelling aufgefallen? Storytelling in den PR bedeutet, dass wir Geschichten gezielt, bewusst und gekonnt auf Basis von Fakten erzählen. Anhand von Informationen, Daten und Zahlen erzählen wir, wofür wir stehen, was wir leisten und welches einzigartig attraktive Erlebnis wir unseren Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Geldgebern und anderen wichtigen Bezugsgruppen ermöglichen. Warum die Faktenbasis gerade in den PR so wichtig ist?

Unsere Bezugsgruppen müssen sich verlassen können, dass unsere Geschichten stimmen und belegbar sind. Nur so werden sie uns vertrauen, also das Risiko als gering empfinden, dass wir sie enttäuschen.

Geschichten von Wandel und Tradition

Storytelling eignet sich hervorragend, um unseren Mitarbeitern, Journalisten, Geldgebern Erfolgsgeschichten von höchster Präzision mitreißend zu erzählen, Geschichten vom erfolgreichem Wandel, Geschichten von Innovationen und Markterfolgen, Geschichten über die Mitarbeiter und deren Leistungen, Geschichten über begeisterte Kunden.

Jeff Bezos erzählt seit vielen Jahren vom Leadership im digitalen Handel. Larry Page und Sergey Bryn faszinieren mit Geschichten, wie sich Wissen am besten im digitalen Raum finden lässt. Mark Zuckerberg bringt die Welt in einer Gemeinschaft zusammen. Wir erzählen, was uns im Unternehmen bewegt, wofür und wogegen die Manager kämpfen.

Ganz wichtig: Unsere Bezugsgruppen erfahren von Erfolgen, aber auch von Misserfolgen; von Chancen, aber auch von Risiken – denn diese gehören nun mal zum unternehmerischen Handeln dazu. Unsere Geschichten erzählen, wie kompetent wir sind und wie wir solche Probleme souverän lösen. Wer hört nicht gern Geschichten aus der digitalen Welt, in der Menschen Videos, Audiofiles und wichtige Tipps tauschen und damit ihr Leben bereichern? Unternehmen erzählen, wie sie hart für die Sicherheit von Daten arbeiten, was dies erschwert und wie sie letztlich doch Siegen.

Erzählen von Geschichten uralt

Was neu ist am Storytelling? Nichts! Das Erzählen von Geschichten ist uralt. Storytelling in den PR knüpft an die uralte und höchst wirkungsvolle Tradition des Geschichtenerzählens an, wie jeder sie vom Lagerfeuer kennt. Geschichten haben Menschen schon erzählt als es noch keine Sprache gab. Mit Bildern. Lauten. Zeichnungen im Sand. Von Bildern und Malerei dann zu Sprache und Schrift. Geschichten gab es am Dorfbrunnen, später im TV, im Kino, im Hörbuch und im Podcast – schließlich entstanden Erzählwelten im Gaming und auf interaktiven Plattformen.

Wenn etwas neu ist, dann dass Menschen in Unternehmen die Kraft von Geschichten für sich (wieder-) entdeckt haben, zum Beispiel im Wissensmanagement und in der Unternehmenskommunikation.

Die vier Aufgaben des Storytellings

Storytelling hat in den PR vier Aufgaben:

  1. Aufmerksamkeit: Eine gute Geschichte fällt uns auf im Meer bedeutungsloser Informationen. Die gute Geschichte sorgt dafür, dass sich Menschen unseren Überschriften zuwenden und danach dem Artikel, weil er neu und wichtig ist.
  2. Information: Storytelling informiert unsere Bezugsgruppen über unser Unternehmen, damit sie wissen, wer wir sind, was wir für sie tun und warum sie dies so gut finden.
  3. Starke Erlebnisse: Storytelling lösen starke und einzigartige Erlebnisse aus, also Bündel von Gefühlen: Wer Geschichten vom Unternehmen hört, kann sich sicher und geborgen, inspiriert, angespornt oder überlegen fühlen.
  4. Speichern und Abrufen: Storytelling sorgt dafür, dass die Bezugsgruppen unser Unternehmen besser speichern und aus ihrem Gedächtnis leichter und schneller abrufen: Je mehr Gefühle unsere Geschichte auslöst, desto besser speichern Mitarbeiter, Kunden, Journalisten diese ab.

Geschichten vom Erfolg (Quelle: www.pexels.com)

Frühes Beispiel für Geschichten

Geschichten nutzte der Reformpädagoge Johann Heinrich Pestalozzi in seinen PR schon 1777: Durch Spendenbriefe hielt er regelmäßigen Kontakt zu seinen Spendern und Unterstützern. In diesen Spendenbriefen erzählt Pestalozzi Geschichten aus dem Alltag der Kinder, die er in seinem Projekt betreute; er skizzierte Einnahmen und Ausgaben, veranschaulichte, wie er die Spendengelder verwendet hatte und verdeutlichte den Erfolg: Ein Haus bekam ein neues Dach, er konnte Werkzeuge anschaffen und Land pachten, um es zu bewirtschaften. Seine Briefe enthielten auch selbstkritische Berichte über Probleme und Misserfolge und vermittelten somit einen ungeschminkten Einblick in seine Arbeit.

Drei Komponenten des Storytellings

Was an diesem Beispiel ersichtlich wird: Die Technik des Storytellings besteht aus den drei Komponenten: was das Unternehmen erzählt (Handlung), wie das Unternehmen dies erzählt (Darstellung) und wozu (Wirkung):

  • Was: Mit der Handlung und den Beteiligten verdeutlicht das Unternehmen, wie es die Wünsche und Erwartungen seiner Bezugsgruppen einzigartig erfüllt.
  • Wie es das erzählt, ist durchdacht: Die Handlung hängt zeitlich und inhaltlich zusammen. Ändert sich die Reihenfolge der Ereignisse, ändert sich die Geschichte.
  • Wozu: Besonders verhaltenswirksam am Storytelling sind die durch die Geschichten entstehenden inneren Gedächtnisbilder, die spontan vor dem inneren Auge der internen und externen Bezugsgruppen entstehen, wenn sie an das Unternehmen denken. Dies kann Entscheiden und Handeln der Bezugsgruppen erheblich beeinflussen.

Das Storytelling in den PR erzählt demnach bedeutende Geschichten auf eine bestimmte Art und Weise, um gezielt auf Entscheidungen und Handeln wichtiger Bezugsgruppen zu wirken. Dies kann mündlich auf einer Pressekonferenz geschehen, geschrieben in einer Broschüre und in elektronischer Form als Blog – Geschichten erzählen wir in Texten, in Bildern und in Aktionen wie einem Event und dem Tag der offenen Tür.

Was Storytelling nicht ist

Dass Storytelling erst jetzt so oft in den PR zu finden ist, liegt an vielen Missverständnissen und Falschannahmen. Die häufigsten sind:

  • Falsch: Geschichten sind erfunden. Richtig ist, dass Geschichten in den PR auf Fakten basieren und anhand von Zahlen und Fakten prüfbar sind. Warum das so wichtig ist? Werbung darf überzeichnen und verführen wie wir dies am Kampf zwischen Villariba gegen Villabajo kennen, an der nichtexistierenden Piemont-Kirsche oder der künstlichen Raffaello-Welt. Dagegen müssen sich die Bezugsgruppen in den PR verlassen können, dass alles Mitgeteilte wahr und nachprüfbar ist wie die Qualität der Arbeitsplätze und das soziale Engagement im „Corporate Social Responsibility“.
  • Falsch: Geschichten sind immer nur positiv. Richtig ist, dass Geschichten aus Problemen, Konflikten und der Suche nach der Lösung bestehen – so wie das Geschäftsleben tatsächlich ist. Viele „Success Stories“ von Unternehmen beachten dies nicht, verzichten auf alles, was nicht zum glattpolierten Erfolgsgeschichte passt. Wichtigste Folgen: Unternehmerisches Handeln scheint einfach bis trivial – und ist damit unglaubwürdig und langweilig.
  • Falsch: Geschichten sind lang und ausführlich. Richtig ist, dass Geschichten kürzer und prägnanter sein können als ausschweifende Broschüren und Webseiten. In der praktischen Arbeit an Presseinformationen in meinen Workshops kann ich den Teilnehmenden immer wieder beweisen, dass prägnante Geschichten nicht länger, sondern sogar kürzer als der Originaltext sind. Übrigens: Jeder Witz ist eine Geschichte („Kommt ein Mann zum Arzt…“).
  • Falsch: Geschichten sind nur emotional und nichts für den kritischen Verstand. Richtig ist, dass Geschichten rationale Sachargumente mit einem attraktiven Gefühl verbinden. Studien zufolge sind sie glaubwürdiger als reine Fakten.

Diese Liste mit Falschannahmen könnte viel länger sein. Ein Ziel dieses Buches ist, mit solchen Falschannahmen aufzuräumen und zu zeigen, was Geschichten tatsächlich sind und wie sie wirken.

Abgrenzungen

Geschichten unterscheiden sich von Chroniken, Metaphern und Analogien: Chroniken: Geschichten sind von Chroniken zu unterscheiden, da diese zwar inhaltlich strukturiert sind, aber in keinem ursächlichen Verhältnis stehen müssen. Die englische Sprache kennt hierfür die Unterschiede zwischen der „history“ und der „story“.

Vergleichbar ist die Chronik mit dem Lebenslauf einer Bewerbung, der Zahlen aneinanderreiht, aus dem sich aber keine Zusammenhänge ergeben. Die Geschichte ist meist im Anschreiben enthalten: „Nachdem ich feststellte, dass dies der falsche Beruf für mich ist, habe ich…“.

Metaphern sind bildhafte Gleichsetzungen wie „Der Kunde ist König“.

Analogien sind bildhafte Vergleiche wie „Der Kunde ist wie ein König“. Was Metaphern und Analogien fehlt, ist die Zeitkomponente und der Bezug der Ereignisse, die Geschichten kennzeichnen.

Storytelling in den PR: Neue Denkhaltung

Die PR entdecken Geschichten nur langsam für sich. Das vorherrschende Selbstverständnis in den PR ist noch immer, Sachinformationen durch Texte zu vermitteln und der Werbung die Emotionalisierung durch Bilder zu überlassen. Das ist falsch: Alle Fakten prüfen wir emotional, ob sie für uns wichtig sind und ob wir durch sie unsere Ziele besser erreichen können.

Beispiel: Der Journalist möchte sich auf gesicherte, belegbare Fakten auf Basis einer guten, vertrauensvollen Beziehung zum Unternehmen verlassen können; er sucht Anregendes und braucht Neuigkeiten als Grundlage seiner journalistischen Arbeit. Vielleicht ist ihm auch ein Exklusivbericht wichtig, um seine Karriere zu fördern. Ein Mix aus den Gefühlen Sicherheit, Anregung und Macht bestimmt sein Denken, Fühlen und Handeln – und seine Entscheidungen, an welche Unternehmen er sich wendet.

Alle Bezugsgruppen treffen ihre Entscheidungen anhand von Fakten und Gefühlen. Unser Gehirn ist nicht auf das Sammeln von Informationen angelegt, sondern darauf, die Bedeutung von Informationen zu erkennen und hieraus Entscheidungen und Handlungen abzuleiten. Für die PR bedeutet dies, Fakten und deren emotionale Bedeutung als Einheit zu sehen.

Warum ist dies für die Wirkung unseres Storytellings so wichtig? Lesen Sie weiter in meinem Buch Storytelling, das in Kürze in der 4. Auflage im Halem Verlag Köln erscheint.

Autor

Prof. Dr. D. Georg Adlmaier-Herbst ist anerkannter Berater, Trainer und Redner für Unternehmen, Organisationen und Personen im In- und Ausland. Er ist Honorarprofessor und Scientific Director der Forschungsstelle „Berliner Management Modell für die Digitalisierung (BMM )“ am Berlin Career College der Universität der Künste Berlin. Er ist Gastprofessor für „eCommerce in China“ an der Jiao-Tong-Universität in Shanghai (China), Gastprofessor an der Lettischen Kulturakademie in Riga. Er unterrichtet außerdem an der Universität St. Gallen (Schweiz). Er ist Mitglied der „Academy of international Business“. 2011 wurde er von der Zeitschrift „Unikum Beruf“ zum „Professor des Jahres“ gewählt. Herbst hat 20 Bücher über Marketing und Unternehmenskommunikation geschrieben.

Prof. Dr. Georg Adlmaier-Herbst (Copyright: karriere tutor. GmbH)

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