Zunehmende Digitalisierung verändert unsere Kommunikation

Digitale Kommunikation ist aus dem Leben vieler Menschen nicht mehr wegzudenken. Für die Zukunft zweifelt kaum jemand daran, dass sie in allen Bereichen unseres täglichen Lebens noch wichtiger werden wird. Umso dringlicher wird die Antwort auf die Frage, wie die digitalen Kommunikation die Massenmedien ändern und wohin sie sich entwickeln.

In diesem Beitrag stelle ich 5  Thesen über die Zukunft der digitalen Kommunikation auf und zeigt, welche Konsequenzen dies für Unternehmen und Organisationen hat.

Technologien wie Augmented Reality mit Google Glass werden die digitale Kommunikation verändern

Technologien wie Augmented Reality mit Google Glass werden die digitale Kommunikation verändern

These 1: Kommunikation wird komplexer

Medien führten bisher ein Eigenleben: Das Buch ist ein in sich vollständiges Produkt, ebenso Zeitungen und Zeitschriften, Fernseh- und Radiosendungen. Dies ändert sich: Digitale Medien und Technologien sind stark vernetzt: Geräte, Plattformen, Technologien, Anwendungen, Medienobjekte sind elektronisch miteinander verbunden, Inhalte beziehen sich aufeinander:

  • Geräte: Laptops, Handys, Smartphones, Smartwatches und die noch kommenden mobilen Endgeräte bilden ein komplexes System aus Hardware
  • Plattformen: Plattformen wie die eigene Website sind mit den Websites anderer Anbieter verbunden, auch mit Angeboten auf Social-Media-Plattformen
  • Dienste und Technologien: Auf diesen Plattformen integrieren und verbinden lassen sich Mail, Telefonie, Chats, Foren bis hin zu Technologien wie Augmented Reality. Bluetooth und QR-Codes gehören bereits zum Alltag. Enorme Entwicklungen gibt es in der Echtzeit-Grafik, der digitale Sprachverarbeitung und Technologien aus der Künstlichen Intelligenz (KI)
  • Anwendungen wie Suchmaschinen, Standortdienste (Location Based Services) und Mikro-Nachrichtendienste lassen sich verbinden
  • Medienobjekte: Eine Webpage kann mit einem externen Blogbeitrag vernetzt sein, eine Kurznachricht auf Twitter mit einem Video auf YouTube. Digitale Geschichten bestehen aus Texten, Fotos, Grafiken, Videos, Animationen und Töne

Jedes einzelne System (Geräte, Technologien, Anwendungen etc.) und jedes Element in diesen Systemen können vernetzt sein und miteinander kommunizieren. Digitale Medien und Technologien bilden somit ein Supersystem von Systemen. Damit ähnelt der digitale Kosmos übrigens dem menschlichen Gehirn: Auch dieses ist hoch komplex und hoch vernetzt. Jedes Teil hat eine eigenständige Aufgabe, die Teile kommunizieren miteinander.
Mit dieser Komplexität nicht genug: Der Digitale Raum ist zunehmend mit dem Raum außerhalb digitaler Medien verbunden, zum Beispiel durch digitale Hinweisschilder (Digital Signage) und animierte Häuserwände im Stadtbild.

Kommunikation immer stärker medienübergreifend

Durch die Vernetzung von Geräten, Anwendungen und Inhalten wird die Kommunikation immer stärker medienübergreifend stattfinden. Beispiel Bahnfahrt: Reisende lesen nicht mehr nur ein Buch, Zeitungen und Magazine, sondern sie hören mit dem MP3- und sehen mit dem DVD-Player, sie nutzen ihr Smartphone, ihr Tablet, ihren Ebook-Reader und ihr Laptop. Mitunter tun sie parallel, wie die aktuellen Nutzerzahlen zum Thema „Second Screen“ zeigen. Geschichten lassen sich demnach plattformunabhängig, komplex und stark vernetzt erzählen. Dies erfordert besondere Kenntnisse und Fertigkeiten für die Inszenierung und Dramatisierung von Inhalten.

Trend 2: Kommunikation findet jederzeit und überall statt

Durch die rasante Zunahme von Smartphones, Tablets und andere mobilen Endgeräten wird die orts- und zeitgebundene Kommunikation zunehmen – der User kann zu jeder Zeit und an jedem Ort kommunizieren. Digitale Medien wie das Smartphone begleiten User durch ihren Tag – im Gegensatz zu Laptop und PC ist das Smartphone in fast allen Situationen des Alltagslebens dabei und währenddessen zumeist auch eingeschaltet und mit dem Internet verbunden.

Für Unternehmen und Organisationen bringt dies die Herausforderung mit sich, Wissen über die Bedürfnisse, Stimmungen und Verhaltensweisen der Kunden und anderer wichtiger Bezugsgruppen in bestimmten Situationen zu generieren. Wie schwierig dies ist, zeigen folgende Überlegungen:

Die Kommunikation eines Users kann in einer bestimmten Situation durch fünf Kriterien beeinflusst sein durch:

  1.  Ort, an dem sich der User befindet (Zuhause, Geschäft, Büro etc.)
  2. Soziale Umstände: Sind andere Personen anwesend (Familie, Freunde etc.), die den User beeinflussen könnten?
  3. Zeit: Dies umfasst die Tageszeit bis hin zur Jahreszeit zum Zeitpunkt der Kommunikation. In diese Perspektive fällt auch, ob der User gerade unter Zeitdruck steht.
  4. Ziele, die der User in der Situation verfolgt: Einen Unterschied macht es, ob er gerade auf der Suche nach einem passenden Geschenk für einen Bekannten ist, oder ob er für sich selbst einkauft.
  5. Vorheriger Zustand: Die Stimmung des Users können vorhergehende Erlebnisse positiv oder negativ prägen

Überdies kommen auf jeder Ebene viele weitere Einzelfaktoren hinzukommen. Auch die Situationen können zeitlich instabil sein und sich fortlaufend ändern: Betritt ein User einen Apple-Store, kann er zufällig auf einen anderen User treffen.

Digitale Medien ermöglichen die personalisierte Ansprache des Users, zum Beispiel über Smartphones in Kombination mit dem mobilen Internet: Über eingebaute Sensoren lassen sich Situationsfaktoren des Users automatisiert beobachten, wie dessen momentane Stimmung. Inhalte und Dienste lassen sich hierauf zuschneiden, wie zum Beispiel Werbung.

In den kommenden Jahren werden Unternehmen wesentlich mehr erforschen müssen, wie sich ihre Bezugsgruppen in Situationen verhalten. Das Verhalten in Situationen kann sich übrigens von der relativ stabilen Persönlichkeit des Users stark unterscheiden: Ist dieser sonst eher ein auf Sicherheit bedachter Mensch, kann ihn in bestimmten Situationen das Risiko reizen, zum Beispiel bei Langeweile. Ist er ein ansonsten umgänglicher, gutmütiger Mensch, kann er unter bestimmten Umständen auf Macht und Durchsetzung bedacht sein und auf Gewinnspiele und Wettbewerbe reagieren.
Inhalte können überall entstehen

Die flexible Nutzung von digitalen Medien und Technologien führt dazu, dass Menschen überall Geschichten entwickeln und teilen können – beim Arzt, in der U-Bahn, beim Warten auf das Flugzeug. Microtelling sind kurz-Kurz-Geschichten, die oft nicht mehr als 2-3 Sätze oder 140 Zeichen lang sind. Webisodes sind Geschichten im Web, Mobisodes spielen auf dem Handy. Weitere neue Formen des Digital Storytelling werden sich entwickeln.

These 3: Neue Inszenierungsformen werden sich entwickeln

In digitalen Medien wird bisher fast nur verwendet, was wir schon längst kennen:

  • Text: Wir kennen Text schon aus dem Buchdruck. Dieser Text wird jetzt per copy-und-paste auf eine Website gebracht oder auf mehreren Websites verteilt. Links und Kommentare er-gänzen den Text. Aber ist das wirklich schon alles?
  • Bild: Bild ist meist Bild – ob wir es anklicken können oder wir einen 360-Grad-Blick erzeugen können.
  • Akustik: Akustik ist meist jene Akustik, die wir bereits aus anderen Zusammenhängen kennen, zum Beispiel Radio und Fernsehen.
  • Raum: Selbst beim Thema Raum konzentriert sich die Inszenierung im digitalen Raum und mit digitalen Technologien meist darauf, realen Raum zu fotografieren und ins Netz zu stellen.

Diese Beispiele zeigen, dass Inszenierungen und Darstellungsformen in digitalen Medien noch ganz am Anfang stehen. Wenn es Buchstaben gibt, dann könnte es doch “Raumstaben” geben (www.raumstaben.de)? Was bedeutet Bewegtbild in digitalen Medien? Wie können digitale Technologien diese erzeugen? Gibt es eine spezielle Akustik im digitalen Raum? Könnte es nicht ein neues, einzigartiges Verständnis von digitalem Raum geben? Vor allem die Gestalter sind hier gefragt, eigenständige Kommunikationsformen zu finden und zu inszenieren.

These 4: Wir werden ein reifes Verhältnis zu digitalen Medien entwickeln

Beim Umgang mit digitalen Medien und digitalen Technologien befinden wir uns noch in der Pubertät: Zwischen Allmachtsphantasien und Niedergeschlagenheit schwanken unserer Gefühle, wenn es um unserem Umgang mit dem Internet und anderen digitalen Medien und digitalen Technologien geht. Allmachtsphantasien haben wir, wenn wir an die Möglichkeiten denken: Alles wissen, was auf der Welt passiert; mit vielen Menschen weltweit sprechen können, selbst an den entlegensten Orten; Produkte aus aller Herren Länder bestellen können.

Depressionen und Niedergeschlagenheit treffen uns, wenn wir an den Umgang mit unseren Daten denken, an unsere Privatsphäre und an die Kontrolle, die mächtige Player über uns ausüben könnten. Das Schwanken zwischen Allmachtsphantasien und Niedergeschlagenheit sind typisch für Teenager: Sie wollen die Welt bewegen, aber wer sich bewegt, spürt seine Ketten.

Pubertierende haben sich noch nicht gefunden. Sie haben noch nicht ihre Wünsche und Bedürfnisse mit ihrem Handeln synchronisiert. Sie haben noch kein gelerntes, routiniertes, selbstverständliches Denken, Fühlen und Handeln mit der Welt. Als die Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, das Internet sei „Neuland“ für uns, wurde sie von arroganten Usern verhöhnt. Doch eigentlich hat sie recht: Wir müssen erst eine „Digital Literacy“ im Umgang mit digitalen Medien und digitalen Technologien entwickelt. Diese sollte Schulfach sein, damit schon Kindern lernen, wo und wie sie die besten Informationen finden und wie sie digitale Medien optimal nutzen, um sich vor Schaden zu schützen und um Wohlbefinden zu erzeugen. Das gilt natürlich für uns alle.

These 5: Digitale Medien lassen sich nicht steuern und kontrollieren

Im digitalen Kosmos als Supersystem aus Systemen hat kein Zentrum, keine (Kommando-)Zentrale. Es ist ein sich selbst organisierendes System. Soziale Netzwerke und Sharing-Plattformen ermöglichen neue Formen der Kommunikation, in denen jeder Einzelne Inhalte abrufen, weiterleiten, bewerten, kommentieren und selbst erstellen kann. Neueste Technologie, neue Rollen, neue Kultur kann, muss aber nicht Teil des Systems werden – hierüber entscheiden die Nutzer des Systems.

Die Kontrolle dieses Systems ist nicht möglich – jedoch lassen sich die Rahmenbedingungen gestalten, wie zum Beispiel durch die Entwicklung neuer Technologien oder die Netikette, also Verhaltensempfehlungen im Umgang miteinander. Diese Nicht-Steuerbarkeit und Nicht-Kontrollierbarkeit bringt Konsequenzen für Unternehmen, Organisationen und andere Beteiligte mit sich: Die Zukunft der digitalen Kommunikation wird vor allem gekennzeichnet sein durch eine wesentliche höhere Unsicherheit in der Kommunikation, mehr Spontanität und eine geringere Machtdistanz zwischen den Beteiligten.

Fazit: Der Umgang mit digitalen Medien und Technologien muss gelernt sein

Digital Literacy beschäftigt sich mit den besonderen Herausforderungen bei der Nutzung digitaler Medien und digitaler Technologien: Ein Vertreter formulierte: „

[Digital literacy is] the awareness, attitude and ability of individuals to appropriately use digital tools…in order to enable constructive social action.” Digital Literacy konzentriert sich besonders auf folgende drei Aspekte:

  • Technisch-praktische Fertigkeiten der Handhabung: früher Stift und Papier, heute digitale Medien
  • Primär-interpretative Fähigkeiten des Verstehens: Verständnis der Symbole und Grammatik, heute auch nicht-alphabetische und multimediale „Medientexte“
  • Sekundäre-interpretative und kritische Fähigkeiten, Kenntnisse und Wissen: sinnverstehend Lesen, Kontexte, Zusammenhänge über Produktion, Inszenierung, etc. medialer Kommunikation

Digital Literacy beinhaltet das Erwerben und Nutzen von Wissen, Techniken, Haltungen und persönliche Fähigkeiten. Sie beinhaltet die Fähigkeit, digitale Aktionen zu planen, umzusetzen und deren Erfolg zu bewerten bei der Lösung von täglichen Problemen. Diese Kenntnisse werden zu den grundlegenden Skills von Menschen in Unternehmen und Organisationen gehören, die in und über digitale Medien und Technologien kommunizieren wollen.