Architektur kann wirkungsvolles Instrument der Unternehmenskommunikation sein: Als Corporate Architecture vermittelt sie die strategischen Botschaften des Unternehmens an die wichtigen internen und externen Bezugsgruppen durch inszenierte Orte, Gebäude und Räume. Das Ergebnis wirkungsvoller Corporate Architecture sind einzigartige, lebendige und attraktive innere Gedächtnisbilder, die entstehen, wenn die Bezugsgruppen an das Unternehmen denken. Solche inneren Bilder können sehr verhaltenswirksam sein – dies belegen zahlreiche Forschungsergebnisse.

Ausschnitt aus meinem Beitrag: Herbst, D.G. (2015: Bedeutung der Architektur für die Unternehmenskommunikation. In: Bruhn, M./Esch, F.-R./Langner, T. (2015): Handbuch Instrumente der Kommunikation. Grundlagen – Innovative Ansätze – Praktische Umsetzungen. Wiesbaden.

Visitenkarten aus Stein

„Visitenkarten aus Stein“, so nennt die Süddeutsche Zeitung am 17. Mai 2010 einen Beitrag über Corporate Architecture. Das Interesse an diesem Thema scheint in den vergangenen Jahren stark zugenommen zu haben: Weltweit agierende Konzerne setzen zunehmend auf Corporate Architecture, um neue Wahrzeichen für ihre Marken zu schaffen. Waren Firmensitze früher oft als Stadt in der Stadt konzipiert, öffnen sich heute die Unternehmen und sie als inszenierte Orte für Besucher durch alle Sinne erlebbar. Woher kommt dieses steigende Interesse am Thema?

In den vergangen Jahren haben sich Unternehmen dramatisch verändert: Sie sind komplexer, internationaler und schneller geworden (Hitt et al. 2002). Gründe für diese Entwicklung sind der steigende Wettbewerb in allen Märkten, die Austauschbarkeit von Leistungen und das daraus resultierende nachlassende Interesse der Konsumenten (Aaker 2004, 2007; Kroeber-Reil/Esch 2011).

Diese Veränderungen gehen einher mit einem Verlust an Orientierung und Vertrauen bei den wichtigen internen und externen Bezugsgruppen wie Mitarbeitende, Kunden, Geschäftspartner, Journalisten und Politiker. Diese vermissen zunehmend ein klares Vorstellungsbild vom Unternehmen (Image), von dessen Eigenschaften, Leistungen und vor allem von dessen Einzigartigkeit. Dieses einzigartige Image ist jedoch essenziell, damit die Bezugsgruppen schnell und gezielt entscheiden können, ob sie das Unternehmen durch ihren individuellen Beitrag unterstützen wollen oder nicht (Fombrun 1990, Fombrun 1996, GEO 2006).

Corporate Architecture (Foto: Prof. Dr. Dieter Georg Herbst)

Corporate Architecture (Foto: Prof. Dr. Dieter Georg Herbst)

Nur einige Unternehmen sind erfolgreich darin, ein solches klares, lebendiges und einzigartiges Images zu gestalten. Einer der Gründe ist, dass die von ihnen verwendeten Bilder und Botschaften austauschbar geworden sind. Sie greifen gemeinsam auf weltweite Bilddatenbanken zu und imitieren mit sich mit abstrakten Begriffen wie „innovativ“, „kompetent“, „kundenfreundlich“. Die qualitative Studie von Herbst (2005) zeigt, dass nur einzelne der umsatzstärksten Dax-Unternehmen mit einzigartigen inneren Vorstellungsbildern verbunden sind – lediglich BMW und Mercedes konnten diese erzeugen. Die Forschung zeigt, dass gerade diese inneren Bilder als besonders verhaltenswirksam gelten (Kroeber-Riel 1996).

Architektur als Kommunikationsbotschaft

Ihre Architektur setzen Unternehmen schon lange ein, um damit Kommunikationsbotschaften zu senden. Legendär das Beispiel des AEG-Hausarchitekten und Generalgestalters Peter Behrens: Er gestaltete mit seinem Team, zu dem Walter Gropius, Mies van der Rohe und Le Corbusier gehörten, nicht nur Produkte, Kataloge und Preislisten für die AEG sondern auch Ausstellungsräume und sogar Wohnungen für die Arbeiter. Glanzstück war eine Montagehalle für die Turbinenfabrik in Berlin-Moabit, die er 1909 schuf und Fortschritt demonstrierte. Oft zitiert ist das Beispiel des „Vierzylinder“, das Verwaltungsgebäude von BMW in München: Dieses Gebäude stellt in abstrahierter Form die vier Zylinder eines Motors dar.

Corporate Architecture (Foto: Prof. Dr. Dieter Georg Herbst)

Corporate Architecture (Foto: Prof. Dr. Dieter Georg Herbst)

Mittlerweile sind an vielen Orten Unternehmen durch alle Sinne erlebbar:

  • Swarowski hat seine faszinierende Kristallwelt. Die VW-Autostadt in Wolfsburg ist ein weiträumiges Gelände, auf dem die Besucher die Welt des Volkswagen-Konzerns erkunden können: Das gläserne KonzernForum bietet aufwändige Multimediainszenierungen, das ZeitHaus präsentiert Besuchern die Geschichte des Automobils. Der Konzern lädt seine Besucher zu einer Reise in die Welt der Mobilität ein und stellt neben seinen weit reichenden Markenwelten auch die Zukunftsvisionen vor.
  • Volkswagen hat 2002 seine gläserne Manufaktur in Dresden eröffnet, die den Phaeton herstellt: Besucher sehen, wie Mitarbeiter in weißen Arbeitsanzügen die vorgefertigten Einzelteile montieren. Ungewöhnlich ist der helle Parkettfußboden und das Schuppenlaufband, auf dem der Fertigungsmitarbeiter mitfährt und seine Arbeit erledigt. Die Elektro-Hängebahn bringt die Karosserie für jeden Produktionsschritt in die vorgegebene Position. Zusätzlich zur Fertigung der Limousine gibt es im Werk die »Technikwelt«, die aus der virtuellen Fertigung, dem Kugelhaus, dem virtuellen Fahrerlebnis und dem Auto-Konfigurator am größten Touch-Screen der Welt besteht. Volkswagen inszeniert so nicht nur seine Luxusmarke, sondern seine gesamte Unternehmenspersönlichkeit durch ein Erlebnis, das alle Sinne der Besucher anspricht und bei ihnen zu neuartigen, starken inneren Bildern führt.
  • In den vergangenen Jahren sind viele Einrichtungen entstanden, die zur Marke ein breites Angebot an Wissen und Erziehung (Education) sowie Unterhaltung (Entertainment) anbieten. Diese Einrichtungen werden Edutainment Center genannt. Ziel: Die Besucher sollen das Unternehmen und seine Marken ganzheitlich erleben und – bei hohem Unterhaltungswert – mehr über sie lernen. Für die Freizeit- und Vergnügungsparks Heide-Park Soltau und Europapark Rust hat Beiersdorf das Nivea-Kinderland entwickelt, mit lehrreichen Spielen zur „Sicherheit im und am Wasser“. In der Tat zeigt die Forschung, dass Informationen besser gelernt werden, wenn sie mit starken Emotionen verbunden sind (z.B. Spitzer 2006, Mikunda 1996).
  • Architektur spielt auch in der täglichen Unternehmenskommunikation eine essenzielle Rolle, sei es bei der Auswahl eines Ortes für die Pressekonferenz, für ein Event, das Vorstandsfoto und als Ort einer Krise (z.B. Brand, Explosion).

Beispiel Pressearbeit: Die Journalisten greifen in ihrer Berichterstattung über Unternehmen vor allem auf Motive von Menschen, Logos, Produkten und der Architektur (Frontalansichten, Firmeneingänge oder Eingangshallen etc.) zurück, die am stärksten den Bezug zum Unternehmen ermöglichen. Dies ist das Ergebnis der Studie „Die Bilderwelten der 15 umsatzstärksten DAX-Konzerne und die Verwendung von Bildern in den Medien“ von Herbst und  Ausschnitt Medienbeobachtung (2005). Untersucht wurden die Berichterstattung in 17 Entscheidermedien (Print) und TV-Nachrichten aus 12 Sendern auf die Verwendung von Bildern der 15 umsatzstärksten DAX-Konzernen. Für die vorliegende Analyse wurden 1.377 Nennungen in 1.310 Beiträgen aus 17 Printmedien und 243 Nennungen in 63 Beiträgen von TV-Nachrichten codiert.

Auch die Wissenschaft entdeckt die Corporate Architecture als Forschungsfeld (z.B. Vonseelen 2012, Brexendorf et al. 2012, Berndt 2013, Altman 2012, Degen 2012, Petty 2012, Brunner 2011, Brülisauer 2010, Bahamón/Cañizares/Corcuera 2009, Muzellec/Lambkin 2009, Van Marrewijk 2009). Wichtige Erkenntnisse stammen auch aus der „Environmental Psychology“ (Gibson/Barker 2001), der Forschung zur „Umwelt-Präferenz“ (Kaplan/Kaplan 1982) und zur „Umweltpsychologie“ (Hellbrück/Kals 2012).

Weiter: Herbst, D.G. (2015: Bedeutung der Architektur für die Unternehmenskommunikation. In: Bruhn, M./Esch, F.-R./Langner, T. (2015): Handbuch Instrumente der Kommunikation. Grundlagen – Innovative Ansätze – Praktische Umsetzungen. Wiesbaden.